Mit Kupferkesseln für die Käseherstellung legte Josef Bertsch sen. im Jahr 1925 den Grundstein für den erfolgreichen Nüziger Industriebetrieb. In den 1960er-Jahren wurde die Produktion der Molkerei-Komponenten des inzwischen breit aufgestellten Familienunternehmens nach Linz verlegt. Hubert Bertsch jun., Urenkel des Firmengründers, stellte in den vergangenen Monaten bei der Rücksiedlung dieser Produktionssparte von Linz nach Braz seine Managerqualitäten eindrucksvoll unter Beweis.
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30 Jahre jung ist Hubert Bertsch. Nach der Matura an der Mehrerau, einem Maschinenbau-Bachelor-Studium und dem erfolgreich abgelegten Wirtschaftsmaster in London sowie beruflichen Erfahrungen in verschiedenen Betrieben im In- und Ausland wurde ihm im August 2020 die Verantwortung für die operative Geschäftsleitung der BERTSCHfoodtec übertragen. Diese Sparte des international tätigen Familienunternehmens ist mit 88 Mitarbeitern (von insgesamt gut 310 in der gesamten Bertsch-Gruppe) Komplettanbieter für milchverarbeitende Betriebe.
Vom kleinen Käsekessel für die Alpwirtschaft bis zur vollautomatischen Molkereianlage kann Bertsch der internationalen Kundschaft in Sachen Milchverarbeitung alles an modernster Technik bieten: Viele Komponenten stammen aus der eigenen Entwicklungsabteilung, die zusammen mit der Planungsabteilung immer in Bludenz angesiedelt war. Die Umsetzung der Konstruktionen oblag seit fast 60 Jahren der BERTSCH-Niederlassung in Linz-Hörsching: Damals entschied man sich für diesen Standort zwischen Salzburg, Wien und Graz, um den großen Märkten im Osten Österreichs näher zu sein. Damals eine kluge Entscheidung.
Bahn- und Straßenausbauten sowie eine seither enorm entwickelte Verkehrslogistik, gepaart mit einer Erweiterung des BERTSCHfoodtec-Aktionsradius seit EU-Beitritt und Ostöffnung, relativierten in den vergangenen Jahren die Vorteile des Standorts in Oberösterreich. „Obwohl heutzutage natürlich vieles auf digitalem Weg rasch erledigt werden kann, war das Hin und Her zwischen Planung und Fertigung doch immer mit viel Aufwand verbunden”, erläutert Hubert Bertsch. Den Bau der Molkereianlagen zurück ins Ländle zu holen, war deswegen schon seit einigen Jahren immer wieder ein Thema.
Einerseits war der Firmenleitung wichtig, dem treuen und gut ausgebildeten Personal in Linz faire Umstiegsmöglichkeiten zu bieten, andererseits galt es auch, einen geeigneten Betriebsstandort in Vorarlberg zu finden. 2019 konnte letztere Herausforderung mit dem Erwerb der ehemaligen Produktionsstätte der „Martin GmbH” in Braz gemeistert werden. „Auch ein Neubau war angedacht, aber hier konnten wir ohne zusätzlichen Flächenverbrauch ein leerstehendes Gebäude übernehmen, das in unmittelbarer Nähe zum Betrieb in Bludenz und mit direkter Anbindung an die S16 ideal gelegen ist”, zeigt Bertsch die Vorteile der neuen Betriebsstätte auf.
Linzer Personal ist mit umgezogen
Das Personal in Linz sah den Umzug offenbar als große Chance: Die Hälfte der Mitarbeiter dort waren zuletzt ohnedies Vorarlberger, die sich schon länger auf diese Veränderung freuten: Bis auf einzelne, die sich in den (Vor-)Ruhestand verabschiedeten, kamen seit Herbst letzten Jahres aber auch die anderen „Linzer” mit nach Braz.
Beim Umzug samt Material und Maschinen packten alle mit an. Weil „nebenher” aber auch die Produktion weiterlaufen musste, war dafür einiges an Planung erforderlich. Diese erwies sich letztlich als nahezu perfekt: Insgesamt war der Betrieb nur eine halbe Woche unterbrochen. Bereits Anfang Dezember 2020 wurden 75 Prozent, seit Mitte Jänner heuer hundert Prozent der Fertigung im neuen Gebäude erledigt. Dabei wurden in Braz noch über zwei Millionen Euro investiert: So wurde die gesamte Beleuchtung auf LED umgestellt, eine neue energiesparende Fassade angebracht und der komplette Hallenboden neu aufgebaut.
Die Hygiene steht bei Anlagen für die Nahrungsmittelindustrie an oberster Stelle. Für die Fertigung der Maschinen und Geräte in der Molkereibranche gelten ganz besonders hohe Qualitätsstandards.
Um die in der Branche bereits sprichwörtliche erstklassige Qualität der BERTSCH-Molkerei- und Käsereianlagen erreichen zu können, wird laufend auch in den Maschinenpark investiert. Für die neue Betriebsstätte in Braz wurde ein ganz besonderes Exemplar angeschafft: Eine Biegemaschine des italienischen Herstellers „Davi”, der beispielsweise auch für die Raumfahrtindustrie produziert. Ganz in Rot gehalten, ist dieser tonnenschwere Apparat in der Lage, dünnwandigste Nirobleche in höchster Präzision zu biegen. Wenn Hubert Bertsch diesen „Ferrari der Biegemaschinen” gelegentlich selbst bedient, hat er die größte Freude: Die tonnenschweren Walzen werden ja auch mit „Joystick” gesteuert. Platzprobleme gab es bei der Montage des Biegemonsters übrigens keine: im Vergleich zu Hörsching ist der Betrieb in Braz um etwa ein Viertel größer.
„Wir sind in unserer Branche im internationalen Vergleich dank hervorragender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und 90jähriger Innovation technisch ganz vorne dabei”, weiß Hubert Bertsch, der als Mitglied der BERTSCHfoodtec Geschäftsführung die Konstruktionsabteilung und das neue Werk in Braz verantwortet. „Und mit diesem neuen Werk haben wir auch die räumlichen Voraussetzungen für ein weiteres kräftiges Wachstum geschaffen”, sprüht Hubert Bertsch vor Optimismus und Tatendrang.
Umbau bei BERTSCHenergy in Nüziders
Während die Konzentration der BERTSCHfoodtec in Blu-denz-Braz sehr positiv aufgenommen worden ist, wurde eine andere Umstrukturierung innerhalb der Bertsch-Gruppe mit weniger Begeisterung zur Kenntnis genommen.
BERTSCHenergy wird sich auf zukunftsträchtige Bereiche wie Erneuerbare Energien und den Kraftwerksbau fokussieren, welche bereits jetzt über 90 Prozent des Umsatzes ausmachen. Aus diesem Grund gab Thomas Smetana, Geschäftsführer von BERTSCHenergy, bekannt, dass bis zum Jahresende die Produktion von Apparaten und Kolonnen eingestellt wird. Bisher wurde hier viel für den Chemie- und Düngemittelbereich produziert. Dieser Markt sei in den letzten Jahren zurückgegangen und zuletzt regelrecht eingebrochen. Auch die Zukunftsaussichten im Bereich Erdölindustrie seien schlecht, weshalb man diese Maßnahme habe setzen müssen.
Bei den 60 zur Kündigung angemeldeten Mitarbeitern handelt es sich um acht Lehrlinge, die von anderen metallverarbeitenden Betrieben in der Region sehr gerne übernommen wurden. Rund die Hälfte der restlichen 52 Betroffenen konnten in andere Bereiche und Firmen der BERTSCH Holding wechseln. Den 27 Mitarbeitern, von denen sich BERTSCH bis Jahresende verabschieden muss, stehen die Türen in anderen Betrieben, die händeringend nach Facharbeitern suchen, weit offen. Durch die Umstrukturierung werden andererseits auch neue Jobs geschaffen. Mitte November waren 36 offene Stellen für den Bereich Kraftwerkbau ausgeschrieben.