Graureiher

Graureiher beginnen im Februar/März zu brüten. Weil sie als „Fischräuber” vielerorts nicht besonders beliebt sind, werden sie oft gestört und auch gejagt. Deshalb suchen viele Tiere das Weite. Nur vereinzelt bleiben Brutpaare dem Walgau treu. 

FOTOs: GERALD SUTTER, TM-HECHENBERGER

Mag. Georg Amann aus Schlins hat an der Uni Innsbruck Biologie und
Erdwissenschaften studiert. Der freiberufliche Biologe mit verschiedensten Schwerpunkten widmet sich besonders dem Naturschutz.

Ich bin schon relativ früh über den Graureiher gestolpert”, erzählt Biologe Mag. Georg Amann von seinen Exkursionen als Jugendlicher. Er kann sich gut erinnern, als 1985 die erste Brutkolonie Vorarlbergs im Mottener Auwald zwischen Frastanz und Nenzing entdeckt wurde. „Das war damals eine kleine Sensa­tion.” Denn bis Ende der 1970er / Anfang der 1980er-Jahre war der Vogel in ganz Mitteleuropa so stark gejagt worden, dass er hierzulande als Brutvogel als ausgestorben galt. Zwischenzeitlich wuchs der Bestand im Walgau auf rund zwanzig Brutpaare an, er ist dann aber – trotz Einschränkungen bei der Jagd – wieder zurückgegangen. „Heute leben zwei bis drei Brutpaare im Walgau”, schätzt der Experte. 

Mit seiner Vorliebe für Fisch hat sich der Graureiher den Menschen zum Feind gemacht. Dabei kann der Graureiher gar nicht tauchen. Er fischt deshalb nicht direkt in den Seen und Teichen, sondern schreitet langsam im seichten Wasser die Ufer ab, um dann blitzschnell zuzuschlagen. Was er dort erbeutet, ist meist nicht das, was beim Menschen auf den Teller kommt. Werden Forellen, Saibling und Co aber – wie etwa bei einer Fischzucht oder an Kanälen, in denen sich die Fische nirgends verstecken können – für ihn leicht zugänglich und in idealer Größe dargeboten, greift er natürlich gerne zu. „In Fischzuchten und an Fischteichen können die Fisch-Bestände durch Netze und Stolperdrähte geschützt werden, und durch Renaturierung von kanalisierten Bächen bekommen die Fische genügend Versteckplätze”, rät Mag. Amann. Außerdem lassen sich die Tiere durch eine „Vogelscheuche” in Form eines Artgenossen fernhalten. Denn im Normalfall dringt kein Graureiher ins Revier eines anderen ein. 

Generell wünscht sich Georg Amann aber etwas mehr Toleranz für den Vogel, dem er als einheimische Art gewisse Rechte zuspricht. 

Wenn ihn nicht eine dicke Schneedecke daran hindert, hält sich der Graureiher ohnehin gern an Mäuse. Die sind nämlich auf den Wiesen genauso leicht zu fangen wie Fische im Bach. Er verharrt dann scheinbar regungslos stundenlang auf den Feldern und pirscht sich an seine Beute an.

Mag. Georg Amann kann sich vorstellen, dass der kalte Winter mit lange geschlossener Schneedecke den Vögeln heuer ordentlich zusetzt. Wie sehr, wird sich in den nächsten Wochen zeigen, wenn die Brutzeit beginnt. 

Arbeitsteilung beim „Kinderdienst”

Ihre horstartigen Nester bauen Graureiher auf hohen Bäumen.

Weibchen und Männchen bauen dann gemeinsam einen „Knüppelhorst”, der an das Nest eines Greifvogels erinnert. Während der Graureiher andernorts – wie etwa auch am Neusiedlersee – im Schilf brütet, baut er sein Nest im Walgau auf hohen Bäumen. Sehr oft wird auch das alte Nest wieder bezogen und nach und nach ausgebaut, sodass es ordentliche Dimensionen erreichen kann. „In so einer Brutkolonie geht es oft recht wild zu”, berichtet Mag. Amann. Graureiher brüten nämlich gerne in unmittelbarer Nachbarschaft mit Artgenossen oder anderen Vögeln wie etwa dem Milan.

Beim Nestbau stibitzen sich die Nachbarn gegenseitig das Baumaterial und machen sich die besten Plätze streitig. 

„So eine Brutkolonie zu beobachten, ist unglaublich spannend”, berichtet Georg Amann. Allerdings sind die Vögel nicht leicht zu finden. Der Biologe folgt meist den Tönen, um sie aufzuspüren. Der Graureiher ist allerdings kein besonders begabter Sänger. Er gibt eher ein Krächzen von sich, das an manche Froschlaute erinnert. Hat man das Nest gefunden, wird der Naturfreund mit schönen Erlebnissen belohnt. Wenn sich die ersten Jungvögel regen und mit ihren „Punker-Frisuren” über den Nestrand blicken oder die ersten Flugübungen anstehen, ist dies auch für den erfahrenen Ornithologen immer wieder ein Erlebnis. 

In der Regel legt das Weibchen im Abstand von jeweils zwei Tagen vier bis fünf blaugrüne Eier und brütet diese 25 bis 26 Tage lang aus. Zwei Wochen lang werden die Jungvögel dann von den Eltern intensiv betreut, gefüttert und unter die Fittiche genommen. Erst nach knapp drei Wochen werden sie auch einmal alleine gelassen. Mit einem Alter von etwa 50 Tagen fliegen sie erstmals aus, kehren aber noch bis zu zwanzig Tage immer wieder zum Nest zurück, bevor sie endgültig „flügge” sind. Die Jungvögel sind erst im zweiten Lebensjahr geschlechtsreif. Sie leben in der Regel monogam und sind mit drei Jahren endgültig ausgewachsen.

Graureiher (Ardea cinerea) besitzen sogenannte „Puderdunen”, die sie vor Nässe schützen. Bei Bedarf reibt der Vogel seinen Kopf über diese speziellen Federn auf der Brust und an den Leisten, sodass sie zerbröseln. Dadurch entsteht ein feines Pulver, das extrem fetthaltig ist und sich über den ganzen Körper verteilt. Es dient auch zur Reinigung des Gefieders. Die Puderdunen wachsen ständig nach. Auch während der Mauser fallen sie nicht aus. Ein ausgewachsener Vogel hat eine Flügelspannweite von zirka 175 bis 195 Zentimetern. Graureiher werden knapp einen Meter groß und wiegen in der Regel ein bis zwei Kilogramm. Sie fühlen sich in unterschiedlichster Umgebung wohl, allerdings sollte ein Gewässer in der Nähe sein. Je nach Verbreitungsgebiet ist der Graureiher ein Kurzstreckenzieher, ein Teilzieher oder Standvogel. In Vorarlberg überwintern auch Graureiher aus anderen Regionen. Nur wenige Jungvögel überleben das erste Jahr. Rund 70 Prozent sterben schon während der ersten sechs Monate. Einzelne Tiere wurden aber auch schon mehr als 30 Jahre alt. 

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