Gerade im Winter hat das Team der Rotkreuz-Abteilung Bludenz alle Hände voll zu tun. Seit Oktober fährt bei Notfällen nicht mehr automatisch ein Notarzt im Rettungswagen mit. Bestens ausgebildete Notfallsanitäter können in vielen Fällen die Versorgung der Patienten übernehmen.
FOTO: TM-HECHENBERGER
„Die Entscheidung, ob es einen Notarzt braucht, trifft die Rettungs- und Feuerwehrleitstelle, bei der der Notruf eingeht”, erklärt Raphaela Dünser. Die 33-Jährige gehört seit 2009 zum Team der Rotkreuz-Abteilung Bludenz, die insgesamt rund 300 Zivildiener sowie ehrenamtliche und berufliche Mitarbeiter umfasst. Die selbstständige Grafikerin ist als Teilzeitangestellte im Bereich Erste Hilfe zuständig für die Ausbildung der ehrenamtlichen und beruflichen Mitarbeiter. Außerdem übernimmt sie regelmäßig drei Mal im Monat ehrenamtlich den Rettungsdienst in der Nacht. Von 19 Uhr abends bis 6 Uhr in der Früh steht sie dann im Rettungszentrum auf Abruf bereit. „Es ist wichtig, dass man eine gewisse Praxis hat”, erklärt sie. Denn Krankheits-Symptome können nur dann eindeutig zugeordnet werden, wenn man sie selbst gesehen, den Patienten angefasst hat. Im Notfall muss jeder Handgriff sitzen. Für ihre Ausbildung bis hin zur Notfallsanitäterin mit Notkompetenz hat Raphaela Dünser rund tausend Stunden ihrer Freizeit investiert. Sie musste Pharmakologie pauken und hat sogar zwei 40-stündige Praktika im Operationssaal des Krankenhauses Bludenz absolviert. Seit Oktober ist es ihr nun erlaubt, gewisse Medikamente zu verabreichen und Infusionen zu setzen, ohne dass ein Arzt ihr dafür grünes Licht gibt.
„Das macht schon Sinn”, erklärt Raphaela Dünser, „denn nicht jeder Notfall ist wirklich ein Notfall.” Auch wenn etwa ein Asthma-Anfall für den Patienten und Umstehende im Moment lebensbedrohlich wirkt, hat ein gut ausgebildeter Helfer solche Situationen schnell im Griff. Bei der Wahl ihrer Maßnahmen können Notfallsanitäter nicht nur auf ihre eigene Erfahrung vertrauen. Sie befolgen zudem einen genau vorgegebenen Algorithmus, der sicherstellen soll, dass alle Patienten bestmöglich versorgt werden. „Aber bei Verdacht auf einen Herzinfarkt kommt heute immer noch der Notarzt”, stellt sie klar.
Die Rotkreuz-Abteilung in Bludenz ist die größte in Vorarlberg. Sie ist für den gesamten Bezirk und damit für mehr als 63.000 Menschen und viele Urlaubsgäste verantwortlich. Die Zahl der Einsätze steigt laufend. Um die Notärzte zu entlasten, hat das Rote Kreuz Vorarlberg im Herbst 2018 das Projekt „N-RTW” gestartet. Nach einer sechsmonatigen Probephase haben sich die Verantwortlichen zuerst im Bezirk Feldkirch und seit Oktober in Bludenz dazu entschlossen, entsprechend ausgebildeten Notfallsanitätern die Hauptverantwortung bei gewissen Einsätzen zu überlassen.
Beratungs-Hotline 1450
„Wir beobachten, dass sich die Menschen selbst immer weniger zu helfen wissen”, erklärt Raphaela Dünser. Während es früher meist eine Oma gab, die wusste, was zu tun ist, wird heute immer öfter auch in weniger dramatischen Fällen der Notruf gewählt. Raphaela Dünser legt den Menschen deshalb die Beratungs-Hotline „1450” ans Herz. Dort sind rund um die Uhr kompetente Ansprechpartner erreichbar, die bei der Entscheidung helfen, ob man selbst mit der Situation klarkommen kann oder sich ärztliche Hilfe suchen muss. „Außerdem sollte jeder Erwachsene regelmäßig seine Erste-Hilfe-Kenntnisse auffrischen”, appelliert die Notfallsanitäterin, die selbst landauf, landab entsprechende Kurse gibt. „Das ist unglaublich wichtig.” Sie beobachtet immer wieder mit Erstaunen, wie schnell das im Kurs Erlernte in Vergessenheit gerät, wenn es nicht regelmäßig angewendet wird.
Raphaela Dünser selbst hatte gerade einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert, als ihre Oma einen Unfall hatte. Deshalb erkannte sie einen der anrückenden Sanitäter wieder und kam mit ihm ins Gespräch. Das war im August 2009, und seither ist sie mit dem „Rettungs-Virus” infiziert. Weil es zeitlich grad gut passte, absolvierte sie die Basis-Ausbildung innerhalb von sechs intensiven Wochen zusammen mit den Zivildienern, weitere Fortbildungen bis hin zum Rettungsmanagement und zur Rettungspädagogik folgten. In den letzten zehn Jahren war die Thüringerbergerin bereits unzählige Male im Einsatz und hat auch schon einige fordernde Situationen meistern müssen. „Als Sanitäter muss dir klar sein, dass du bei den Einsätzen alles mögliche sehen wirst”, erzählt Raphaela Dünser von ihrem zeitintensiven und anspruchsvollen Hobby. Von Geburten bis hin zum Tod hat sie im Rettungsauto schon alles erlebt.
Da hilft es, dass beim Roten Kreuz in Bludenz ein kameradschaftliches Miteinander gepflegt wird. „Wir fangen uns gegenseitig auf”, berichtet sie. Nur selten müssen Mitarbeiter des Kriseninterventions-Teams zur Unterstützung der Sanitäter anrücken. „Ich habe bei der Rettung viele spannende Leute kennengelernt und Freunde gefunden”, schwärmt die Notfallsanitäterin. Ehrenamtliche und Angestellte bilden ein Team, das unheimliches Vertrauen in der Bevölkerung genießt”, freut sie sich. All jenen, die sich für ein Engagement bei der Rettung interessieren, spricht sie Mut zu. „Wir suchen immer Ehrenamtliche, und es gibt viele verschiedene Bereiche, in denen man mithelfen kann. Es muss nicht jeder im Rettungswagen Hilfe leisten.”