Angelika Diem liebt japanische Comics, Katzen und „niedliche Dinge”. Ihre große Leidenschaft aber ist das Schreiben. In ihrer Freizeit erschafft die Mittelschullehrerin aus Bludenz Zauberwelten, in denen jugendliche Helden dunklen Mächten trotzen, sie verfasst Kinder- und Sachbücher, schreibt Gedichte und Geschichten für Manga-Zeichner.
FOTOS: TM-HECHENBERGER
Angelika Diem verbringt viel Zeit im Internet. Das Worldwide Web ermöglicht ihr, mit Schriftsteller-Kollegen, Verlagen, vor allem aber mit der „Manga-Community” in aller Welt in Kontakt zu bleiben. Was einst als Hobby begann, hat sie zu ihrem Nebenjob als Schriftstellerin geführt.
Die Bludenzerin begeisterte sich bereits sehr früh für Mangas – japanische Comics, welche im Land der aufgehenden Sonne in allen Altersgruppen ein Millionenpublikum haben. Was kaum einer weiß: „Biene Maja”, „Wickie” und andere beliebte Fernsehserien für Kinder aus den 1970er-Jahren haben ebenfalls ihren Ursprung in Japan. Während diese Zeichentrickfiguren im Westen begeistert aufgenommen wurden, ist die deutsche Manga-Szene eher überschaubar.
Um die detailreichen Zeichnungen und ihre Botschaften dem deutschsprachigen Publikum nahezubringen, forderten die Verlage ihre Leser dazu auf, die Geschichten selbst weiterzuschreiben. Angelika Diem ließ sich dies nicht zweimal sagen. „Mangas sind viel dynamischer und lebendiger wie Mickey Mouse oder andere bei uns bekannte Comics”, verrät sie von ihrer Faszination, die sich in ihrer Wohnung in Bücherregalen voller japanischer Comics widerspiegelt. „Es gibt Mangas zu jedem beliebigen Thema und für Menschen jeden Alters”, erklärt die Bludenzerin. Auch in ihrer Sammlung reicht das Repertoire von Bildgeschichten fast ohne Text für die ganz Kleinen über „Action-Mangas” für abenteuerlustige Jungs, und „Magical Girls” bis hin zu ausgefeilten Geschichten, welche die Lebenswelten Erwachsener beleuchten – inklusive Tipps für eine erfolgreiche Karriere.
Angelika Diem, die sich schon als Jugendliche Geschichten für ihre 13 Jahre jüngere Schwester Judith ausdachte sowie Kurzgeschichten und Gedichte schrieb, nahm also die Manga-Herausforderung an. „Fanfiction ist eine ganz eigene Kategorie”, erklärt die Englisch-Lehrerin, die außerdem die Bibliothek der Mittelschule Bludenz betreut. „Man bekommt sehr direktes Feedback. Das macht Spaß.” In ihrer Freizeit schlüpfte Angelika Diem also in die Haut von „Dragonball-Held” Son-Goku oder seiner Kollegin „Sailor Moon” und ließ diese gefahrvolle Abenteuer bestehen. Die Geschichten fanden Anklang in den Fan-Foren im Netz. Und so dauerte es nicht lange, bis Angelika Diem für deutsche Zeichner Texte schrieb, unter dem Pseudonym „Lady Raven” bei der deutschsprachigen Zeitschrift MangasZene Rezensionen verfasste, Hintergrund-Geschichten recherchierte und berühmte Manga-Zeichner portraitierte. Gemeinsam mit ihrer Schwester Monika reiste sie außerdem mehrfach nach Japan. Sie ist begeistert von der Landschaft, der Sauberkeit und Sicherheit, der Höflichkeit der Menschen dort, von ihrer Lebensweise – und ihren Comics.
Das Fan-Magazin „MangasZene” wurde 2003 eingestellt. Doch Angelika Diem hatte ohnehin Lust entwickelt, eigene Geschichten zu erfinden. Bereits 1995 hatte sie sich an einem Kinderbuch versucht und für „Eusebius und Pontifex” ein Nachwuchs-Stipendium des Bundes erhalten. 1996 erschien dies als erstes gedrucktes Buch aus ihrer Feder, mehrere E-Books sowie Kinder- und Jugendbücher folgten. Außerdem hat die Bludenzerin verschiedene Sachbücher verfasst. Sie sammelte etwa lustige und ernste Geschichten über den Jahrgang 1968 in Vorarlberg und befragte verschiedenste Experten, wie man trotz ein paar Kilo zu viel auf den Hüften ein glückliches Leben führen kann.
Angelika Diem schreibt, weil es ihr Spaß macht, über Themen, die sie interessieren. Ihren Beruf als Mittelschullehrerin würde sie deshalb aber nicht aufgeben – auch wenn dies bedeutet, dass sie abseits der Schulferien keine Zeit für Lesereisen und Lesungen hat. Obwohl sie schon einiges veröffentlicht hat, könnte sie nicht von der Schriftstellerei leben. „Wenn ich dann noch ein anderes Cover für mein Buch auf eigene Kosten gestalten lasse, geht es sich gerade so aus.”
„Schattenthron” ist bislang der größte Erfolg der Bludenzerin. Sie hatte über das Internet an einer Ausschreibung des Oetinger Verlages teilgenommen, die ziemlich klare Vorgaben und ein fixes Gerüst für die Geschichte beinhaltete. Angelika Diem konnte mit ihrer Version überzeugen – und hatte Glück. Weil sich ein anderes Buchprojekt verzögerte, entschloss sich der Verlag, „Schattenthron” auch in gedruckter Form anzubieten. Inzwischen ist bereits der zweite sowie ein Sonder-Band mit weiteren Abenteuern der Heldin Rahel erschienen.
Angelika Diems Lieblingsbuch ist allerdings „Caitlynn” – ein mehr als 370 Seiten starker Fantasy-Roman, der sich über zehn Jahre des Lebens der jugendlichen Heldin erstreckt. „Ich sehe dieses Buch wie eine Biografie”, erklärt Angelika Diem. „Anfangs ist Caitlynn 13 Jahre alt, am Ende des Buches 23.” Außerdem hat ihr der Verlag Machandel, dessen Ausschreibung sie für sich entscheiden konnte, keinerlei inhaltliche Vorgaben gemacht. Sie konnte ihre Fantasie voll ausleben und ihren Hang zur Fantasy mit ihrer Vorliebe für gute Kriminalgeschichten in Einklang bringen.
Weil aber auch eine Geschichte, die in einer Fantasiewelt spielt, für den Leser nachvollziehbar sein und „funktionieren” muss, kommt es vor, dass Angelika Diem stundenlang darüber nachdenkt, wie sie etwa eine mittelalterliche Szenerie so beleuchten kann, dass ihren Romanfiguren genügend Licht für ihre Heldentaten zur Verfügung steht. Wenn die Kommunikation ohne technische Hilfsmittel gar zu lange dauert, behilft sie sich auch einmal mit „magischen Spiegeln” und anderen Hilfsmitteln. Die Heldin aus „Schattenthron” – Rahel – hat die Fähigkeit, sich in ein Reh zu verwandeln. Damit kann sie sich zwar aus so mancher Gefahrensituation retten, die Verwandlung macht sie aber auch sehr angreifbar.
Magische Kräfte haben fast alle von Angelika Diems Helden. Während Caitlynn, Rahel und Dieb Kalim Jugendliche in die Welt der Fantasie entführen, macht Hexe Pollonia bei den Jüngeren das Rennen. Für Märchen hat Angelika Diem allerdings weniger übrig. „Die sind mir zu langweilig.” Die Bludenzerin beschäftigt sich lieber mit den Nebenschauplätzen der Gebrüder Grimm. Was wurde aus der goldenen Kugel des Froschkönigs, der Kappe von Rotkäppchen, dem Knusperhäuschen, in dem Hänsel und Gretel gefangen waren, oder aus Rapunzels Zopf? – Solchen Fragen geht Angelika Diem sogar sehr gerne nach. Sie nimmt den Faden auf und spinnt ganz neue Geschichten, von denen sie jeden Monat eine auf ihrer Website zum Download zur Verfügung stellt.
Ganz besonders schlägt ihr Herz aber für Fantasy. Denn die ist „irre zufriedenstellend”. Schließlich sollen beim Lesen Bilder entstehen.”