Bazora-Stutzberg Schattenreich

Die Wiesen am Stutzberg und auf der Bazora beherbergen eine unglaubliche Vielfalt an Pflanzen und Tieren. Dies war vielen Frastanzern durchaus bewusst. Bis zu 200 Helfer unterstützen bereits seit Jahren die Landwirte bei der Pflege der steilen Bergwiesen. Vier Jahre lang wurde das Gebiet nun wissenschaftlich „vermessen” – und das Ergebnis überraschte selbst eingefleischte „Fans”. In einem 300 Seiten starken Buch beleuchten 19 Wissenschaftler die „Natur im Schatten” aus unterschiedlichsten Blickwinkeln und auf sehr unterhaltsame Weise. 

„Die Bedeutung dieser Wunderwelt ob Frastanz geht weit über die Gemeindegrenzen hinaus,” darüber waren sich Naturschutz-Ikone Dr. Mario Broggi, Inatura-Direktorin Mag. Ruth Swoboda sowie die Biologen Mag. Andreas Beiser und Mag. Timo Kopf bei der Buchvorstellung am 23. Juni in Frastanz einig. Angesichts der präsentierten Zahlen würde dies wohl auch niemand bezweifeln. Denn die 19 Autoren der Naturmonografie haben in dem rund 155 Hektar großen Gebiet nicht weniger als 737 verschiedene Pilzarten, 730 verschiedene Schmetterlinge, 103 Wildbienen-Arten oder etwa 235 verschiedene Spinnen ausgemacht. Doch diese Vielfalt ist bedroht. Denn: Werden die steilen Wiesen nicht regelmäßig gemäht, erobert sich der Wald diese Gebiete zurück.

Ehem. Frastanzer Apotheker Mag. Günter Stadler.
Ehem. Frastanzer Apotheker Mag. Günter Stadler.

Der ehemalige Frastanzer Apotheker Mag. Günter Stadler setzt sich deshalb seit vielen Jahren für den Schutz der wertvollen Biotope ein. Er hat vor mehr als zwanzig Jahren die inzwischen mehrfach ausgezeichnete „Aktion Heugabel” ins Leben gerufen. Seit vielen Jahren unterstützen Freiwillige die Landwirte beim Heuen – und lernen so den Wert dieses vielfältigen Lebensraums schätzen. Über die „WalgauWiesenWunderWelt” wurde diese örtliche Initiative inzwischen auch in andere Walgaugemeinden „exportiert”.

„Naturgeschichten” für den Laien

Günter Stadler konnte auch die Inatura-Chefin für dieses Gebiet begeistern, sodass sie ausgewiesene Experten im Land mit der wissenschaftlichen Untersuchung des Gebietes beauftragte. Anfangs hatte Mag. Ruth Swoboda allerdings Bedenken, die begrenzten finanziellen Mittel für eine weitere Naturmonografie im alten Stil auszugeben. Das Konzept von Günter Stadler hat sie aber überzeugt. Dem Apotheker schwebte nämlich keineswegs eine wissenschaftliche Abhandlung mit seitenweise Artenlisten und Literaturzitaten vor. Er wollte ein Buch, das Lesestoff für den interessierten Laien bereithält.

Die Autoren wurden deshalb angehalten, ihre Inhalte in Geschichten zu verpacken, Fachausdrücke zu vermeiden und nicht allzu sehr ins Detail zu gehen. „Alle haben sich wirklich sehr bemüht und gemeinsam ein äußerst interessantes Buch geschrieben”, freut sich der Initiator, dass seine Idee aufgegangen ist. Der wissenschaftliche Anspruch ging dabei aber nicht verloren. Denn der Fachmann findet auf der Homepage der Inatura unter dem Link „Inatura Forschung Online” die wissenschaftlichen Abhandlungen und alle Details. „Das ist ein Paradigmenwechsel”, erklärt Mag. Günter Stadler, „doch ich wollte die Wissenschaft aus ihrem Elfenbeinturm holen. Nur wenn sich die Menschen bewusst sind, was für einen Schatz wir da oben haben, werden sie sich auch darum bemühen, diesen für die nächste Generation zu erhalten.”

Die Autoren der Naturmonografie waren zwei Jahre lang immer wieder im Gelände unterwegs, um Fauna und Flora am Stutzberg und auf der Bazora genau zu dokumentieren.
Die Autoren der Naturmonografie waren zwei Jahre lang immer wieder im Gelände unterwegs, um Fauna und Flora am Stutzberg und auf der Bazora genau zu dokumentieren.

Überzeugter Naturschützer

Mag. Stadler selbst ist 1959 nach Frastanz gezogen. Er lernte die Bazora als Schigebiet vor der Haustür schätzen, bemerkte aber bald, dass die Wiesen oberhalb der Siedlungen auch für seine Ausbildung zum Apotheker von großem Wert waren. Für das geforderte „Herbarium” musste er nämlich 150 verschiedene Pflanzen sammeln, trocknen und deren Fundort genau dokumentieren. Am Stutz und auf der Bazora konnte er diesbezüglich aus dem Vollen schöpfen.

Wer die Naturmonografie liest oder auch nur die Bilder anschaut, glaubt ihm aufs Wort. Botaniker Mag. Andreas Beiser hat etwa Orchideen wie das Sumpfglanzkraut oder die Insekten-Ragwurz ausgemacht oder den stark gefährdeten Lungen-Enzian entdeckt. Er lädt in seinem Beitrag zu einem ausgedehnten Spaziergang ein. Da sich das Gebiet bis auf eine Höhe von 1120 Metern über dem Meeresspiegel erstreckt, finden sich auch recht unterschiedliche Lebensbedingungen für die verschiedensten Tiere und Pflanzen. Neben Magerheu-, aber auch intensiver genutzten Wiesen finden sich Feuchtbiotope ebenso wie Waldgebiete und fast schon alpine Standorte.

Auf den Schattenhängen oberhalb von Frastanz fühlt sich eine Vielzahl an Pflanzen und Tieren wohl. V.l.: Meise, Stäubling Spec. und der Echte Ziest gehören zu den „Bewohnern”, die häufig vorkommen.
Auf den Schattenhängen oberhalb von Frastanz fühlt sich eine Vielzahl an Pflanzen und Tieren wohl. V.l.: Meise, Stäubling Spec. und der Echte Ziest gehören zu den „Bewohnern”, die häufig vorkommen.

Feuchte Standorte trotz weniger Regen

Interessant sind auch Beisers Ausführungen über die klimatischen Bedingungen. Da Frastanz auf der Schattenseite des Walgaus liegt, fällt dort im Vergleich zur gegenüberliegenden Talseite deutlich weniger Niederschlag. In Nord- und Nordwestwetterlagen stauen sich die feuchtigkeitsbeladenen Luftmassen nämlich an den Bergketten des Bregenzerwaldes und des Walserkamms. Was sonst zur Rätikon-Seite des Walgaus ziehen würde, regnet dort ab. Durch die geringere Sonnen­einstrahlung verdunstet aber auf der Schattenseite weniger Wasser, es ist deshalb trotzdem eher feucht. Viele wärmeliebende Pflanzen, die etwa in den Dreiklang-Gemeinden gegenüber bestens gedeihen, fehlen auf Frastanzer Seite völlig. Dafür sind hier aber viele Pflanzen zu finden, die sonst nur in deutlich höheren Lagen gedeihen. So wachsen etwa der Silikat-Glocken-Enzian oder das Alpen-Fettkraut auf den Riedwiesen am Stutz.

Aber auch die Kapitel über das „Gewimmel am Berghang – Schmetterlinge, Insekten, Schnecken”, über Vögel, Amphibien & Reptilien oder die Ausführungen der Pilz-Experten Isabella und Werner Oswald sowie Herbert Glöckler bieten auch für den Laien viele interessante Informationen. Wie es früher war, berichten der Frastanzer Gemeindearchivar Mag. Thomas Welte, Dr. Helmut Tiefenthaler und Dr. Mario F. Broggi, der ein Interview mit einem der ersten Frastanzer Naturschützer, dem inzwischen verstorbenen Dr. Hans Burtscher, wiedergibt. Dr. Gerhard Wanner geht auf die Entstehung markanter Landschafts-Formationen ein und erklärt beispielsweise auch, wo die zahlreichen Findlinge des Gebietes ihren Ursprung haben. Rhein- und Illgletscher haben die Landschaft des gesamten Walgaus – und eben auch jene auf Frastanzer Gemeindegebiet – entscheidend geprägt.

Pflege der Wiesen ist Voraussetzung

Die Naturvielfalt auf den Bergwiesen ist allerdings von Menschen gemacht. Hätten unsere Vorfahren den Wald nicht gerodet und die Wiesen über Jahrhunderte gepflegt, hätten sich lichtliebende Pflanzen niemals gegen den Wald behaupten können. Alte Aufnahmen zeigen, dass Stutzberg und Bazora in früheren Jahrhunderten bis weit hinauf kaum mit Sträuchern und Bäumen bewachsen waren. Im Vergleich dazu haben sich die Waldgebiete inzwischen bis weit ins Tal ausgebreitet. Der Bazorahang etwa ist vermutlich nur deshalb nicht verbuscht, weil er als Schigebiet genutzt wurde. Die Naturmonografie „Natur im Schatten” soll dazu beitragen, dass zumindest jene Flächen, die zurzeit noch Lebensraum für eine unendliche Fülle an Pflanzen und Tieren bieten, weiterhin offen gehalten und für die nächsten Generationen bewahrt werden.

Der Vergleich der Luftbilder zeigt klar, dass sich der Wald von 1951 bis heute große Flächen zurückerobert hat.
Der Vergleich der Luftbilder zeigt klar, dass sich der Wald von 1951 bis heute große Flächen zurückerobert hat.
Bis zu 350 Freiwillige helfen im Rahmen der Aktion Heugabel alljährlich beim Heuen.
Bis zu 350 Freiwillige helfen im Rahmen der Aktion Heugabel alljährlich beim Heuen.

Die Naturmonografie „Natur im Schatten” ist schon fast ausverkauft. Die Gesamtauflage betrug 400 Stück. Restexemplare sind im Rathaus Frastanz sowie bei der Inatura in Dornbirn um 20 Euro erhältlich.

 

 

 


FOTOS: Günter Stadler, Marktgemeinde Frastanz

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