Kunst lebt von Gegensätzen – Christine Lederer liefert dafür aktuell die Probe aufs Exempel: Kaum zurück vom Studienaufenthalt in einem französischen Chateau widmet sich die Bludenzer Konzeptkünstlerin einem Parkplatz unter einer Straßenbrücke. Sie hat sich vorgenommen, zwei Betonsäulen Emotionen, Identität und Erinnerung einzuhauchen.
FOTOS: STUDIO LEDERER, MARK MOSMAN
Als Bludenz im vergangenen Jahr anstatt des wissenschaftlich nicht klar belegbaren 750-Jahr-Jubiläums die „Stadt der Vielfalt“ feierte, fiel rasch der Name Christine Lederer, sorgt diese doch mit ihren oft wagemutigen Performances landesweit immer wieder für Furore. Den Verantwortlichen im Rathaus ging es darum, auch an ungewöhnlichen Orten kulturelle Impulse zu setzen.
Und genau so ein „Unort“ ist der Parkplatz unter der Straßenbrücke in der Hermann-Sander-Straße. Auf dem Gelände, das noch in den 1940er-Jahren den städtischen Schlachthof beherbergte, setzt Christine Lederer nun den Werkauftrag der Stadt um. Poetische Texte auf den beiden Betonsäulen werden die Passanten zum Innehalten auffordern und Assoziationen wecken. „Die Texte erzählen von Begegnung, Selbstbehauptung und dem Prozess des Heilens“, verrät die Bludenzer Grafikerin und Konzeptkünstlerin. Sie will mit dem Projekt dazu einladen, Verletzlichkeit als Stärke zu sehen, Begegnung als Potenzial und Sprache als Form der sanften Intervention in einem Umfeld, das oft laut, funktional und hart ist. „Vielleicht ist das ein bisschen wie im wahren Leben“, will sie „legales Graffiti“ umsetzen und dem Beton etwas Sonne einhauchen.
Unter dem Motto „Betonsonne” hat Christine Lederer denn auch andere Kreative ins Boot geholt. Zur Einweihung ihrer Kunst unter der Brücke wird sie am 5. September gemeinsam mit Judith Batlogg – einer langjährigen Wegbegleiterin – und dem Künstler-Kollegen Lorenz Helfer Texte und Gedichte zum Besten geben. Musikalisch wird die Lesung von Reinold Capelli und Thomas Heel begleitet. Die beiden werden improvisiertes „Gebläse“ beisteuern. „Und danach ist Party angesagt“, freut sich Christine Lederer, dass der Abend direkt dort unter der Straße, die nach Bürs führt, mit „Fierobadjazz“ ausklingen soll. Ossi Weber & Special Guests werden ebenfalls dazu beitragen, den „Unort“ in eine Begegnungszone zu verwandeln.
Inspiration für dieses sowie ein Buchprojekt, an dem sie schon länger arbeitet, suchte die Bludenzer Grafikerin und Aktionskünstlerin in den letzten Wochen in einem völlig konträren Ambiente im Centre Pompadour. Das feministische Zentrum in einem kleinen Ort im Norden Frankreichs, gegründet und geführt von der Künstlerin Michaela Spiegel, ist nämlich in einem ehemaligen Schloss untergebracht, das Ateliers, Versammlungsräume und gemütliche Unterkunft bereithält. „Ich habe mich fast verirrt, so groß ist es“, schwärmt Christine Lederer. Sie genoss es, mit Gleichgesinnten über Feminismus und dessen Bedeutung in unserer Zeit zu diskutieren. „Wir haben gemeinsam gekocht, uns über unsere Arbeit unterhalten und uns gegenseitig inspiriert.“
Ermöglicht wurde dieser Studienauenthalt durch ein „GO-Stipendium“ des Landes Vorarlberg. Neben zehn anderen Vorarlberger Künstlern hatte die Bludenzerin mit ihrem Konzept überzeugen können.
Wer auch ein wenig „Betonsonne” tanken möchte, findet sich am besten am Freitag, 5. September um 18 Uhr auf dem Parkplatz unter der Straßenbrücke in der Hermann-Sander-Straße in Bludenz ein.