Der Autohandel hat es derzeit nicht leicht. Wegen fehlender Elektronikbauteile gibt es weltweit einen Lieferengpass bei Neuwagen. Der Umstieg auf Elektroautos erfordert Investitionen und Mitarbeiterschulungen. Und die Hersteller wollen ihre Vertriebsnetze umstellen. Aber jede Krise bietet auch Chancen: Das Nüziger Autohaus Lins avancierte in dieser schwierigen Zeit zum größten Autohändler Vorarlbergs.
FOTOS: TM-HECHENBERGER, AUTOHAUS LINS GMBH
Multimilliardär Elon Musk hat es mit Tesla vorgemacht: Der „weltgrößte digitale Autobauer” verzichtet (bislang) weitgehend auf Verkaufspartner. Wer einen Tesla will, bekommt ihn per Mausklick zugestellt. Ein Modell, das wohl für einige Konsumenten interessant ist, das aber vor allem den Autokonzernen gefällt. Die Strategie der Autohersteller zielt schon seit längerem darauf ab, die Vertriebswege zu „straffen” und das Verkaufsgeschäft gewinnsteigernd über wenige große Händler abzuwickeln.
Mag. Rudi Lins hat sich diesen und weiteren fundamentalen Herausforderungen mit mutigen Investitionen gestellt. Der beeindruckende Neubau der neuen Landeszentrale für Porsche, Cupra und Seat in Rankweil im Vorjahr war die größte Investition in der 71-jährigen Geschichte des Familienunternehmens. Und heuer im Jänner konnte Rudi Lins die schon längere Zeit vorbereitete Übernahme der Autohäuser von „Porsche Inter Auto” (PIA) in Bregenz, Hard und Dornbirn zum Abschluss bringen. Rund 3.000 Neu- und Gebrauchtwagen der Marken Porsche, VW, Audi, Cupra, Seat und Skoda werden von seinen rund 200 Mitarbeitern jährlich verkauft. Und ein Vielfaches davon wird in den Werkstätten im ganzen Land gewartet und repariert.
Um den „Meistertitel” in Sachen Größe ging es dem visionären Unternehmer aber nicht. „Durch die Erweiterung können wir unseren Kunden jetzt ein besseres Netz perfekter Servicequalität und eine noch viel größere Produktvielfalt bieten”, erläutert Lins. Das betrifft etwa das Portfolio an Vorführfahrzeugen. Praktisch alle Modelle der betreuten Marken sind in mindestens einem der nunmehr sechs Lins-Autohäuser zwischen Hard und Schruns direkt verfügbar. Jedes Auto kann auch in kurzer Zeit etwa von Dornbirn nach Nüziders gebracht werden, wo es der Interessent aus dem Walgau ausgiebig besichtigen und probefahren kann.
Kleinere Händler können das nicht immer bieten. Die brandneuen Modelle werden vorrangig den großen Händlern zur Verfügung gestellt. Und weil es Vorführwagen auch nur gegen Bares gibt, ist es für den Kleinen auch schwierig, den Kunden speziell Modelle der Premiumklasse bereitzustellen: Nach einigen Probefahrten müssen diese als Jahreswagen oder Gebrauchte mit großem Abschlag verkauft werden.
Kunden sind gut informiert
„Viele Kunden kommen heutzutage schon sehr gut informiert zum Autohändler ihres Vertrauens”, berichtet Lins. Längst bietet jeder Hersteller via Internet sämtliche Informationen zu den einzelnen Modellen, die der Interessent dann auch individuell konfigurieren kann: Farbe, technische Ausstattung, Motorisierung und vieles mehr können frei gewählt werden. „Das ist natürlich ein gutes Serviceangebot”, freut sich Lins. „Bevor aber jemand Geld für ein neues Auto ausgibt, möchte er es auch einmal gefahren haben und wissen, wie es sich anfühlt.” Das wird nach seiner Überzeugung auch in nächster Zukunft für den Großteil der Autokäufer so bleiben: Ein entsprechend großer Fuhrpark an Vorführwagen ist also ein großes Plus für Konsumenten und eben für diejenigen Händler, welche das Testauto bieten können.
Herausforderung Elektromobilität
Ein vielleicht noch wichtigeres Argument für den Autobesitzer ist die Servicequalität, die „sein” Autohändler bieten kann. Auch hier hat sich durch die Digitalisierung und den beginnenden Umstieg auf Elektromobilität in den letzten Jahren viel getan.
„Früher konnte eine Werkstatt mit einem Kfz-Technikermeister und zwei, drei Gesellen alles machen”, erinnert sich Rudi Lins. Heute sind moderne Autos mit Elektronik vollgepackt und erfordern spezielles Wissen, permanente Weiterbildung und nicht zuletzt bedeutende Investitionen zum Beispiel für aktuelle Diagnosegeräte und Software. Elektroautos zu servicieren, stellt grundlegend neue Anforderungen an die Ausbildung von Fahrzeugspezialisten. Bei elektrischen Spannungen von 800 Volt und mehr herrscht schließlich bei falscher Handhabung potenzielle Lebensgefahr.
Will eine Kfz-Werkstätte fachgerechten Service für die unterschiedlichsten Fahrzeuge bieten, ist der Personalbedarf entsprechend hoch. Diesen Bedarf zu decken, ist beim aktuellen Fachkräftemangel wiederum keine leichte Aufgabe. „Mit der Übernahme der neuen Standorte haben wir aber auch hervorragend ausgebildete und hochmotivierte Mitarbeiter in unser Team bekommen”, nennt Lins einen weiteren und nicht unwesentlichen Grund für seine Wachstumsstrategie.
Deutlich festhalten will Mag. Lins, dass man die Elektromobilität prinzipiell sehr begrüßt. „In der Autoindustrie hat das Thema Umweltschutz seit mindestens zwei Jahrzehnten absoluten Vorrang”, betont Lins und verweist auf die damit zusammenhängenden Erfolge bei der Reduktion von Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen. In diesem Sinne geht man mit dem Elektroauto noch einen Schritt weiter.
Die Lieferschwierigkeiten bei Neuwagen waren natürlich in die ganze Zukunftsplanung nicht einkalkuliert. Dass Kunden Wartezeiten von einem halben Jahr und mehr in Kauf nehmen müssen, macht die Situation nicht leichter. Der Mangel an Halbleitern und Mikrochips betrifft allerdings alle Hersteller weltweit gleichermaßen. Und zwar noch längere Zeit.
Mag. Rudi Lins, der sich ehrenamtlich auch als Fachgruppenobmann des Fahrzeugshandels in der Vorarlberger Wirtschaftskammer engagiert, ist aber überzeugt davon, dass die aktuellen Lieferschwierigkeiten überwunden und die künftigen Herausforderungen gemeistert werden können. Noch mehr als bisher und vielleicht noch mehr als in den allermeisten anderen Branchen wird es im Autohandel um den Dienst am Kunden gehen. „Das wissen wir alle und ich bin überzeugt davon, dass der Auto-Fachhandel insgesamt aus dieser schwierigen Phase gestärkt hervorgehen kann”, so Lins.