Rebecca Grass nahm einige Umwege, bevor sie sich doch noch ihren Kindheitstraum erfüllte. Die gebürtige Nüzigerin hat sich in ihrem Heim in Nenzing eine Goldschmiedewerkstatt eingerichtet, in der sie Schmuckstücke mit Geschichte kreiert.
FOTOS: TM-HECHENBERGER
Ein Ausflug nach Luzern gab einst den Ausschlag, dass Rebecca Grass Goldschmiedin werden wollte. Die Schmuckläden mit ihren verführerischen Schaufenstern hatten es der damals 12-Jährigen angetan. In Vorarlberg fand sie dann allerdings keine Lehrstelle, sodass sie diesen Traum auf Eis legen musste. Nach der Matura verbrachte die junge Frau zwei Monate in Indien, die sie zum Studium der Indiologie inspirierten. „Ich musste die Erlebnisse dort wohl noch verarbeiten“, lacht sie heute. Denn ein Jahr später wechselte sie als Studentin an die „Boku“, um sich mit Holz- und Naturfasertechnologie auseinanderzusetzen. Die Nüzigerin hatte Holz als kreativen Werkstoff vor Augen, als sie das Studium aufnahm, erkannte allerdings bald, dass sie sich nicht theoretisch mit einem Werkstoff auseinandersetzen, sondern mit den Händen arbeiten wollte.
Den Bachelor-Titel in der Tasche, erinnerte sie sich an ihren Kindheitstraum. Zwei Jahre lang arbeitete sie in der Wiener Goldschmiedeakademie auf die Gesellenprüfung hin, welche sie 2012 erfolgreich ablegte. Nach ein paar Jahren in der Schmuckbranche und Praktiken bei Schmuckkünstlerin Anna Heindl wagte sie den Sprung in die Selbstständigkeit. Zusammen mit drei Gleichgesinnten mietete sie ein Atelier und wollte einen Laden aufbauen. Doch obwohl dieser bestens gelegen gleich um die Ecke zur Mariahilferstraße situiert war, kam dieses Projekt nie wirklich in die Gänge. „Wir mussten alle unseren Lebensunterhalt anderweitig verdienen“, erinnert sich Rebecca Grass, „und hatten einfach nicht genügend Zeit“. Sie selbst arbeitete als Kellnerin in einem Restaurant. Als dann vor fünf Jahren Tochter Mina zur Welt kam und Corona die Verbindungen abschnitt, drängten die Großeltern die junge Familie zur Rückkehr ins Ländle.
Offen für individuelle Vorstellungen
Das war anfangs nicht ganz einfach für die Schmuckdesignerin. Schließlich hatte sie sich in Wien bereits ein Netzwerk aufgebaut. „Und in Vorarlberg gibt es kaum Vergolder, Gießer, Graveure und Fasser.“ Doch inzwischen sind neue Kontakte geknüpft und Rebecca Grass hat sogar schon ein paar Stammkunden.
Die kommen zu ihr, weil sie etwas Besonderes suchen. Eine Lehrerin wollte etwa verrückte Eheringe und ließ ihrer ehemaligen Schülerin viel kreative Freiheit, um entsprechende Entwürfe auszuarbeiten und umzusetzen.
Angesichts des hohen Goldpreises bringen einige Kunden das Rohmaterial für die neuen Schmuckstücke gleich mit. „Es liegt so viel Gold in Schubladen. Es ist doch sinnvoll, dass man es verwendet.“ Rebecca Grass verarbeitet ohnehin bevorzugt recyceltes Edelmetall, weil man sich sonst nie ganz sicher sein könne, unter welchen Bedingungen für Mensch und Umwelt dieses auch heute noch abgebaut wird. Besondere Symbolkraft haben für sie Eheringe, für die Gold aus beiden Familien verschmolzen wurde. Auf Wunsch besucht die Goldschmiedin ihre Kunden auch zuhause, damit gemeinsam überlegt werden kann, wie die Erbstücke so umgearbeitet werden können, dass sie wieder gerne getragen werden.
Für ihre Entwürfe lässt sich Rebecca Grass gerne von der Natur inspirieren. „Ich habe ein paar Sommer auf der Lindauer Hütte gekellnert, um mir das Studium zu finanzieren“, erzählt sie etwa. „Da hatte ich die Drei Türme immer vor Augen, aber nie die Zeit, hinaufzusteigen.“ Ihr programmierkundiger Lebensgefährte half der Schmuckkünstlerin bei der Umsetzung der Geodaten in ein 3D-gedrucktes Wachsmodell, sodass 2017 der erste „Bergring“ gegossen werden konnte. Zimba und andere Gipfel sollten folgen. Aber auch Strukturen, die sie im Gestein oder an Pflanzen entdeckt, greift die Kreative in ihren Entwürfen gerne auf. Wer genau hinsieht, stößt in ihren Kollektionen etwa auf stilisierte Blütenknospen und Wurzelwerk.
Besonders anregend findet Rebecca Grass den Austausch mit anderen Kreativen. So entstehen etwa in Zusammenarbeit mit einer Emaillier-Künstlerin in Wien immer wieder interessante Einzelstücke. Die Ton-Köpfe einer befreundeten Keramikerin inspirierten sie gleich zu einer Serie an Charakterköpfen am Silberring.
Auch der Besuch der Biennale im vergangenen Jahr hat Spuren hinterlassen. Denn Rebecca Grass konnte sich gar nicht sattsehen an den leuchtend bunten Perlen aus Muranoglas und deckte sich mit einem ordentlichen Vorrat ein. Schließlich ist auch diese jahrhundertealte Handwerkskunst von der Entwicklung hin zu industrieller Fertigung bedroht. Ein Großteil der schimmernden Perlen ist bereits zu Ketten und Ohrschmuck verarbeitet. „Es wird Zeit, dass ich wieder einkaufe“, plant Rebecca Grass bald eine nächste Reise, um ihren Kunden weiterhin eine vielfältige Auswahl bieten zu können.
Am 30. August wird die Schmuckdesignerin ihre Produkte beim Markt im Kulturraum Hägi Wendels in Zwischenwasser präsentieren. Außerdem freut sie sich bereits auf die „Spinnerei“ in der Klarenbrunn-Fabrik in Bludenz, bei der sie am 3. und 4. Oktober ausstellen wird.