Sie tragen einen stolzen Namen und benehmen sich entsprechend majestätisch: Königslibellen gehören zu den größten ihrer Familie. Sie waren den ganzen Sommer über an den heimischen Tümpeln und Seen zu beobachten.
FOTOS: GERALD SUTTER
Die große Königslibelle gilt als äußerst aggressiv und dominant. Ihr wissenschaftlicher Name Anax imperator weist auf diesen Wesenszug hin, bedeutet das lateinische Wort „imperare” doch „befehlen”, und „Imperator” steht seit Augustus für den Titel des Kaisers.
Die Männchen patrouillieren Abend für Abend am Gewässerrand und stürzen sich in wilde Kämpfe, um Konkurrenten zu vertreiben. Auch schon als Larven verdrängen Königslibellen andere Lebewesen aus ihrem Quartier. Kaulquappen, Wasserschnecken, Wasserflöhe, die Larven von anderen Insekten und nicht einmal kleine Fische sind vor den äußerst gefräßigen Jungtieren sicher.
Große Königslibelle (Anax imperator)
Die Große Königslibelle gehört zu den imposantesten Besuchern am Gartenteich. Sie ist ein geschickter Flieger, der sich auch von Windböen nicht vom Kurs abbringen lässt und die Thermik zu nutzen weiß. Ihr Körper kann mehr als acht Zentimeter, während des Larvenstadiums bis zu sechs Zentimeter lang werden. Von Ende Mai bis Ende August ist sie auch an kleinen Tümpeln zu beobachten.
An ihren Lebensraum stellt die Königslibelle hingegen keine besonders hohen Ansprüche. Kein Wunder also, dass diese Art weltweit vertreten und auch in ganz Vorarlberg an stehenden Gewässern zu beobachten ist. „Sie dürfen nur nicht zuwachsen oder zu verschmutzt sein”, weiß Mag. Paul Amann. Der Biologe hat sich eingehend mit den heimischen Libellen befasst, und „die Königslibelle ist landesweit wohl die häufigste.” Von Mai bis September kann sie bis in eine Höhe von 1500 Metern sogar an kleinen Tümpeln oder Gartenteichen und in deren näherer Umgebung beobachtet werden.
Spannend ist, dass Königslibellen – ebenso wie andere ihrer Art – abhängig von Licht und Wärme – ihre Farbe wechseln. In Dunkelheit und bei Temperaturen unter zehn Grad verkümmern die blau schimmernden „Könige” innerhalb von vier bis fünf Stunden in schmutzig graue „Aschenputtel”, um dann bei rund 21 Grad innerhalb von rund einer Stunde wieder prächtig aufzuerstehen. „Libellen besitzen keine innere Heizung”, erklärt Mag. Paul Amann. „Sie schützen sich mit hellen Farben vor Überhitzung und können die Wärme besser aufnehmen, wenn sie dunkler gefärbt sind.”
In ihrem nur ein bis zwei Monate dauernden Erwachsenenleben versuchen die männlichen „Imperatoren” möglichst oft, im Flug ein Weibchen einzufangen, um mit ihm ein Paarungsrad zu bilden, das dann im umliegenden Gezweig zur Ruhe kommt. Wenn die Gespielin sich später auf einen aus dem Wasser ragenden Halm setzt und ihre Eier in nasses Treibholz oder unter Wasser liegende Pflanzenteile sticht, hat sich ihr Partner längst von dannen gemacht.
Friedfertigere Verwandte
Dieses Verhalten unterscheidet die Große Königslibelle von ihrer nur wenig zierlicheren „Schwesternart”, der Kleinen Königslibelle. Diese bildet zur Paarung in der Luft ein Tandem, welches auch noch bei der Eiablage beibehalten wird. Die Kleine Königslibelle ist zudem weitaus weniger aggressiv und wird deshalb oft von der großen Verwandten verdrängt.
Kleine Königslibelle (Anax parthenope)
Die Kleine Königslibelle wurde 1838 in der Nähe von Neapel entdeckt und nach der Schutzherrin der Stadt, der altgriechischen Sirene Parthenope, benannt. Ihr Körper wird bis zu 75 Millimeter lang. Die schlupfbereiten Larven erreichen immerhin auch eine Größe von bis zu 57 Millimetern. Die Kleine Königslibelle kommt in ganz Europa sowie in Asien und Afrika bis in die Sahara hinein an stillen Gewässern mit freier Wasserfläche vor. Im Mittelmeerraum bevölkert sie bevorzugt überflutete Reisfelder. Kleine Königslibellen fliegen von Anfang Juni bis in den September. Zu ihren Fressfeinden gehören Spinnen und Vögel.
Weil sie sich zudem lieber im Schilf und in Nischen mit üppiger Ufervegetation aufhält, ist sie weit schwerer zu entdecken. „Die Kleine Königslibelle ist in Vorarlberg sicher nicht ganz so selten wie die Zahlen hergeben”, ist Paul Amann überzeugt. Um sie zu beobachten, müssen Naturfreunde allerdings größere Gewässer aufsuchen. Am Bodensee und im Rheintal – etwa an den Hohenemser Lehmlöchern – hält sie sich gerne auf. Weil sie höhere Temperaturen bevorzugt, ist sie aktuell nicht in Gebieten über einer Höhe von 600 Metern anzutreffen.
„Die Kleine Königslibelle ist sicher ein Profiteur des Klimawandels”, freut sich Paul Amann, dass er diese Art immer öfter zu Gesicht bekommt. Aber auch die Revitalisierung verschiedener Gewässer habe in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich die geflügelten Insekten in unseren Breiten wohlfühlen.
Von der Larve zur Libelle
Bei beiden Arten – der Kleinen und der Großen Königslibelle – spielt die Umgebungstemperatur auch bei der Entwicklung der Larven eine große Rolle. In warmen Jahren durchlaufen diese die 13 bis 16 Larvenstadien mit ebenso vielen Häutungen innerhalb eines Jahres, während sie bei tieferen Temperaturen ihre Verwandlung erst zwei Jahre nach der Eiablage vollziehen. „Bei der Großen Königslibelle schlüpfen die ausgewachsenen Tiere oft synchron”, berichtet Paul Amann von einem beeindruckenden Schauspiel, wenn Mitte Mai viele zweijährige Larven gleichzeitig aus dem Wasser steigen, sich an Pflanzenstiele am Ufer hängen und während der Nacht in völlig veränderter Gestalt ihrer platzenden Haut entsteigen.
Es dauert dann allerdings eine Weile, bis Luft und Körperflüssigkeit in die Flügel gepumpt und diese ausgehärtet sind, sodass sich die eindrucksvollen Insekten in die Luft erheben können. „Während dieser Phase sind Libellen äußerst verletzlich”, erklärt Paul Amann. Vor allem Vögel nutzen diesen Umstand gerne aus. In der Gruppe erhöhen sich die Überlebenschancen des Einzelnen.
Insgesamt gibt es in Vorarlberg rund sechzig verschiedene Libellenarten, die während ihres kurzen Lebens als natürliche Regulatoren dazu beitragen, Mücken und andere dem Menschen lästige Insekten in Schach zu halten.