Pauline Burtscher schwört auf das Ursprüngliche – ein Leben im Einklang mit der Natur, unbehandelte Lebensmittel, alte Handwerkstechniken,… Allen Widerständen zum Trotz hat sie am Ludescherberg ein Refugium geschaffen, in dem sie ihre Grundsätze – auf äußerst wohlschmeckende Art – auch anderen nahebringt.
FOTOS: TM-HECHENBERGER, HANDOUT
„Seit gut 15 Jahren freue ich mich jeden Tag, wenn ich hier rüber gehe”, erklärt Pauline Burtscher. Der Weg zu ihrem Arbeitsplatz beträgt gerade einmal ein paar Meter. 2008 hat sie einen alten Stall in ein ganz persönliches Reich verwandelt, in dem sie Gäste bewirtet sowie Interessierte in die Backkunst einweiht. Das ehemalige Stallgebäude gehört zu einem 350 Jahre alten Bauernhaus, dessen eine Hälfte Pauline Burtscher gemeinsam mit ihrem Mann Reinhard vor knapp 25 Jahren erwarb. „Wir haben immer nach etwas Altem Ausschau gehalten”, erzählt Pauline Burtscher – und in dieses Haus mit Aussicht über den gesamten Walgau hat sich das Paar spontan verliebt. Reinhard Burtscher wusste zudem, dass sein Vater als Jugendlicher einst hier in der Landwirtschaft mitgeholfen hatte. Nach zähen Verhandlungen mit den Behörden und aufwendigen Renovierungen zogen die beiden dort im Jahr 2001 ein. Für den Stall hatten die beiden zu diesem Zeitpunkt noch keine Pläne.
Lebenslanges Lernen
Doch Pauline Burtscher hegte immer schon eine besondere Leidenschaft fürs Backen und Kochen. Wenn sie im Kochunterricht an der Volksschule ein neues Gericht kennenlernte, konnte man sicher sein, dass die Familie dieses am Wochenende vorgesetzt bekam. „Ich habe es immer nachgekocht”. Vor allem aber wollte sie Bäckermeisterin und Konditorin werden.
Pauline Burtscher wuchs allerdings im hintersten Silbertal auf. Eine Lehrstelle, etwa in Bludenz, anzunehmen, erschien den Eltern zu aufwendig, stattdessen begann das Mädchen also eine Kochlehre im Ort. Immerhin erhielt Pauline bereits als Jugendliche eine Küchenmaschine, mit der sie auch größere Mengen Teig problemlos zubereiten konnte.
Die Begeisterung für alle Bereiche der Back- und Kochkunst hat sie nie verloren. Auch nach ihrer Heirat, dem Umzug nach Ludesch und der Geburt ihrer beiden Söhne probierte sie immer wieder neue Rezepte aus und perfektionierte ihre Fähigkeiten in verschiedensten Kursen und in neuerer Vergangenheit auch mithilfe von Youtube-Videos. „Doch lieber ist es mir schon, wenn ich den Menschen direkt zuschauen kann”, erklärt sie. Voller Bewunderung fuhr sie deshalb auch mehrfach nach Salzburg, um der Meister-Patissière Madame Eclair über die Schulter zu blicken und sich so manchen Trick für dekorativen Tortenschmuck abzuschauen.
Inspiriert von der Winterschule Ulten
Neun Jahre lang reiste die begeisterte Bäckerin zudem mindestens einmal pro Monat ins 250 Kilometer entfernte Ultental in Südtirol. In der dortigen Winterschule kann man nämlich all das lernen, was Pauline Burtscher so am Herzen liegt: Alte Handwerkstechniken und das Zubereiten von gesunden Speisen aus natürlichen Zutaten. Neben dem Kochen mit (Heil-)Kräutern und Blüten sowie der Verarbeitung verschiedenster Getreidesorten widmete sich die Umtriebige der Floristik und dem Korbflechten. Schöne Dinge aus natürlichen Materialien selbst herzustellen, das begeistert sie nämlich ebenfalls.
„Ich war zutiefst berührt, wie zufrieden die Menschen dort leben”, erinnert sie sich an Einblicke in ein einfaches Leben voller Kreativität, aber ohne großen Luxus. Mit den Organisatorinnen der Winterschule hält sie bis heute Kontakt.
Bei diesen lehrreichen Ausflügen setzte sich bei Pauline Burtscher nach und nach der Gedanke fest, selbst ihr Wissen weiterzugeben. Sie zweifelte nicht daran, dass es Menschen gab, die lernen wollten, wie man bekömmliches Brot selbst herstellt. Schließlich fand das Gebäck, das sie jahrelang an den „Buralada” in Ludesch lieferte, stets reißenden Absatz, ihre Kuchen und Torten entfachten Begeisterungsstürme und Rezeptanfragen.
Uriges Ambiente im ehemaligen Stall
Nun, Pauline Burtscher ist niemand, der lange zaudert und zögert. Ihren Mann Reinhard hatte sie schnell auf ihrer Seite. Der gelernte Tischler war es auch, der maßgeblich für die Umsetzung ihrer Pläne verantwortlich zeichnete. Doch zuvor galt es Behörden zu überzeugen, einen Architekten zu finden, eine Finanzierung aufzustellen,… Außerdem haben die Burtschers ganz eigene Ansprüche. Sie wollten nämlich nur Holz verarbeiten, das beim richtigen Mondzeichen geschlagen ist, den bestehenden Dachstuhl und die Stützbalken hat das Paar – nach einem alten Rezept aus Tirol – Stück für Stück mit Brennnesselwasser gereinigt. Obwohl sie ihren Gästen modernen Komfort bieten wollten, sollte das urige Ambiente bestmöglich erhalten bleiben.
In Zusammenarbeit mit dem Ludescher Architekten Reinhold Hammerer ist das Kunststück geglückt. Große Glasscheiben sorgen heute dafür, dass man – vor Wind und Wetter geschützt – zwischen den alten Holzbalken hindurchblicken und die wunderbare Aussicht auf den Walgau genießen kann. Ein moderner Lehmofen gibt angenehme Strahlungswärme ab, und die in kühlem Schwarz gehaltenen Toilettenräume im Kellergeschoss lassen nichts zu wünschen übrig.
Vor allem aber hat Pauline einen Vorratsraum und moderne Küchengeräte, die von Anfang Oktober bis Ende Juni kaum einmal still stehen. Zum Sommerbeginn wird dann einiges dieser Ausrüstung in Kisten gepackt und auf die Berge kutschiert. So stellt Pauline Burtscher sicher, dass es den Wanderern, die auf der Alpe „Untere Wasserstuba” am Kristberg Einkehr halten, an nichts fehlt. Auch auf mehr als 1500 Metern Seehöhe macht Pauline Burtscher keine Abstriche, wenn es um die Qualität ihrer Produkte geht. Deshalb müssen der mobile Holzbackofen, den sie extra angeschafft hat, und das eigene Geschirr – das nicht die kleinste Schramme aufweisen darf – immer mit, wenn sie auf die Alpe zieht. Ohne Wiesenblumen als Tischschmuck geht es – trotz aller Einfachheit – ebenfalls nicht. „Denn „wenn ich etwas mache, dann hundertprozentig”, lacht die begeisterte Wirtin.
„Die Alpe und die Tiere – das ist Reinhards Lebenselixier”, erklärt Pauline Burtscher. Seit dreißig Jahren verbringen die beiden die warmen Sommermonate in den Bergen. Reinhard kümmert sich um das Vieh und sie um die Gäste. „Es ist schön dort oben und die Leute schätzen es, dass es nur Selbstgemachtes gibt.” – Doch wenn die Tage kürzer werden, blickt Pauline Burtscher zunehmend ungeduldig dem Abstieg entgegen.
Dann ist es nämlich Zeit für ihr „Paulinarium”. Seit 16 Jahren heißt die umtriebige Hausherrin dort Menschen willkommen, die einen ihrer ständig ausgebuchten Backkurse besuchen oder einfach nur gut bewirtet in einem schönen Ambiente feiern und genießen möchten.
Die Gäste können sich darauf verlassen, dass die Köchin immer nur auf beste Zutaten zurückgreift, kleine „Helferlein” wie „Convenience”-Produkte, Aufheller, Enzyme oder Konservierungsmittel sucht man in ihrer Küche und Backstube vergebens.
Beim Brotbacken setzt sie vor allem auf Zeit. Sie verwendet wenig Hefe und lässt den Teig lange gehen, bevor sie ihn weiterverarbeitet. „Das Brot schmeckt dadurch besser, ist leichter verdaulich und hält länger”, ist sie überzeugt. Ihren Kursteilnehmern versucht sie Rezepte ans Herz zu legen, die man auch in einen hektischen Alltag gut einbinden kann.
Denn „Du bist, was du isst”, proklamiert Pauline Burtscher und wird nicht müde, dagegen zu wettern, dass immer mehr Lebensmittel über weite Strecken transportiert werden, um dann in den Supermarkt-Regalen zu vergammeln. Was von ihrem selbstgebackenen Brot übrig bleibt, wird konsequent getoastet oder zu Knödelbrot und Bröseln verarbeitet. Dank der Landwirtschaft ihres Mannes ist sie mit hochwertigem, regionalem Fleisch, mit Butter, Milch und zum Teil Eiern in bester Qualität immer gut versorgt. Drei Milchkühe, fünf Rinder und fünf Kälber versorgt Reinhard Burtscher jeden Tag gewissenhaft. Auf die fünf Enkel warten im Stall in Ludesch außerdem zwei Ponys und drei Hasen. All das bringt natürlich auch einiges an Arbeit mit sich. Beide – Reinhard und Pauline – möchten deshalb allmählich etwas kürzer treten. Doch wenn sie von ihrem Haus oben auf dem Ludescherberg ins Tal hinunter blickt, die Ruhe und die Natur um sich herum genießt, ist Pauline Burtscher felsenfest überzeugt: „Das Kämpfen hat sich gelohnt”.
Buttermilch-Brötchen à la Pauline
Rezept für zirka 16 Stück
In den meisten Fällen lässt Pauline Burtscher ihren Brotteigen viel Zeit zum Reifen. Dieses Rezept eignet sich für alle, bei denen es schneller gehen soll:
Zutaten:
300g Wasser
40g Hefe
20g Salz
35g Backmalz
300g Buttermilch
1000g Dinkelmehl
10g Zucker
Zubereitung
Alle Zutaten werden in einer Schüssel gründlich vermischt und mit den Händen oder der Küchenmaschine zu einem Teig verknetet, den man anschließend – mit Gärfolie abgedeckt – rund 45 Minuten gehen lässt. Nun wiegt man Teigstücke von rund 100g ab, formt diese zu Kugeln, legt sie auf ein mit Backpapier ausgelegtes Backblech und bestäubt sie mit Mehl. Die Teigkugeln werden wieder mit einem Küchentuch abgedeckt und dürfen nun weitere zwanzig Minuten rasten. Danach schneidet man die Oberfläche mit einem scharfen Messer kreuzförmig ein, schiebt das Blech in den auf 230 Grad aufgeheizten Ofen und bäckt sie mit Ober- und Unterhitze in zirka 20-25 Minuten goldbraun.