Prachtlibellen

Von den weltweit 179 Arten an Prachtlibellen kommen in Österreich nur zwei vor. Die machen allerdings ihrem wissenschaftlichen Namen – er leitet sich vom griechischen „schöner Flügel” ab – alle Ehre. Wenn sie, oft in großen Gruppen, an den Bach­ufern herumschwirren, werden die blaugrün, metallisch schimmernden Insekten von Laien oft für kleine Schmetterlinge gehalten. Sie gelten hierzulande als Profiteure des Klimawandels. 

FOTOS: GERALD SUTTER, TM-HECHENBERGER

„Prachtlibellen waren bei uns früher eine absolute Seltenheit”, erklärt. Mag. Paul Amann aus Schlins. Er beobachtet die Libellen im Land seit mehr als 15 Jahren akribisch.  Heute entdeckt er beide in Vorarlberg heimischen Prachtlibellen-Arten regelmäßig – nur wenige Schritte von seinem Zuhause entfernt. Im Zuge eines Hochwasserschutzprojektes wurde der untere Teil des Wiesenbachs, der lange Jahre als Kanal geführt wurde, 2009 von seinem Korsett befreit. Seither schwirren dort an einem lauen Sommerabend zahlreiche Exemplare der Gebänderten und der Blauflügel-Prachtlibelle umher. Sie lauern auf Beute, verteidigen ihre Reviere – die Männchen liefern sich aufwendige Schaukämpfe in der Luft – und kümmern sich um den Erhalt der Art. Wobei in erster Linie die männlichen Exemplare ins Auge fallen. Während sich die Weibchen in unauffälligen Braun- und Grüntönen in die Kulisse einfügen, leisten sich die Männchen große Auftritte in metallischem Blaugrün.

„Prachtlibellen brauchen genau solche langsam fließenden Ge­wäs­ser mit abwechslungsreicher Ufervegetation”, verweist Paul Amann auf Baldrian, Labkraut, Storchschnabel, Blutweiderich, Mädesüß und viele andere Pflanzen am Ufer sowie Wasser-Hahnenfuß im Bachbett. Allzu sehr dürfen die Pflanzen sich aber nicht ausbreiten, denn die ausgewachsenen Libellen sind auf offene, sonnige Wasserflächen für Revierkämpfe und – vor allem – ihr Liebeswerben angewiesen. 

Mag. Paul Amann hat sich im Rahmen seiner Arbeit für die Naturmonografie der Jagdberg-Gemeinden sowie für andere Forschungsaufträge intensiv mit den heimischen Libellen befasst. Der Biologe lebt in Schlins. Er unterrichtet an der Höheren Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Feldkirch.

Die Männchen der Prachtlibellen gehören zu den wenigen Fluginsekten, die in der Luft akrobatische Tänze aufführen, um ein Weibchen zu beeindrucken. Sie erinnern bei diesem Hochzeitsflug mit kräftigen Flügelschlägen eher an Schmetterlinge und verbrauchen dafür beträchtliche Energiereserven. Immerhin paart sich ein Männchen bis zu zehn Mal am Tag – bevorzugt mittags. Die Weibchen sind etwas zurückhaltender, aber auch bis zu sechs Mal täglich Teil des Paarungsrades. Mit einer Vorrichtung, die einer Flaschenbürste gleicht, schabt das Männchen dabei das Sperma des Vorgängers aus den Samenspeichern der Partnerin. 

Ein Weibchen der Blauflügel-Prachtlibelle

Wenige Minuten später beginnt das Weibchen bereits mit der Eiablage. Es setzt sich dafür auf ein Blatt oder taucht sogar ganz unter und sticht zirka eine halbe Stunde lang rund zehn bis zwanzig Eier pro Minute mit dem Hinterteil in Pflanzenteile unter der Wasseroberfläche. Einen geeigneten Platz hat das Männchen schon vor der Paarung ausgesucht und der Partnerin schmackhaft gemacht. Es überwacht die Eiablage genau, bevor es sich verabschiedet. Der „Bodyguard” paart sich aber oft schon mit einer anderen, während die Partnerin noch damit beschäftigt ist, seine Gene weiter zu verbreiten. 

Wenn alles glatt läuft – speziell Blauflügel-Prachtlibellen sind äußerst kritisch, was die Wasserqualität angeht – schlüpfen die Larven nach dreieinhalb bis viereinhalb Wochen zwischen April und Ende Juni. Die Verwandlung zur ausgewachsenen Schönheit dauert dann aber – je nach Wassertemperatur – ein bis zwei Jahre. Gut versteckt im Wasserpflanzen-Dickicht oder zwischen den Wurzeln der Uferbäume durchlaufen die jungen Tiere zwölf verschiedene Larvenstadien. Sie lauern in dieser Zeit auf Flohkrebse, Insektenlarven oder kleinere Insekten wie Zuckmücken. 

Mit ihrer blitzschnell hervorschnellenden Unterlippe greifen sie die vorbei schwimmende Beute. Allerdings stehen die Prachtlibellen-Larven selbst auf der Speisekarte zahlreicher größerer Tiere. Rückenschwimmer und Wasserläufer, Larven anderer Libellenarten, Gelbrandkäfer, kleine Fische, Spinnen und auch einige Vögel spüren sie im Gebüsch und unter Wasser auf. Deshalb erlebt nur ein kleiner Teil der geschlüpften Larven die Verwandlung zur Libelle. 

Prachtlibellen benötigen langsam fließende Gewässser mit einer reich strukturierten Ufervegetation wie hier am Wiesenbach in Schlins.

Die erwachsenen Tiere müssen sich ebenfalls vor Fröschen, Spinnen und Vögeln in Acht nehmen. Diese Fressfeinde verkürzen das ohnehin schon kurze Leben der Prachtlibellen wesentlich. Männchen erfreuen sich nämlich maximal zehn, Weibchen gar nur sieben Wochen des Erwachsenenlebens, im Durchschnitt dauert das Libellendasein sogar nur 14 Tage. „Durch Renaturierungsmaßnahmen und einen besseren Gewässerschutz sind im Walgau viele Biotope entstanden, die von der Blauflügel-Prachtlibelle und der Gebänderten Prachtlibelle als Lebensraum angenommen werden”, merkt Mag. Paul Amann an und empfiehlt Naturfreunden, an den Bächen im eigenen Heimatort Ausschau zu halten. „Sie sind inzwischen sogar bis in eine Höhe von tausend Metern anzutreffen.”

Beim Mähen ist darauf zu achten, dass nicht auf beiden Seiten alle Pflanzen gleichzeitig gestutzt werden, weil sonst möglicherweise gar keine Verstecke, Sitzwarten für die Jagd und geeigneten Plätze für die Eiablage mehr zur Verfügung stehen. Ein Uferstreifen von mindestens fünf Metern sollte nicht gedüngt sein. Auf Pflege durch den Menschen ist diese Libellenart allerdings immer angewiesen. Denn wenn die Wasseroberfläche völlig überwuchert ist, wird sich die schillernde Kleinlibelle ebenfalls einen anderen Aufenthaltsraum suchen.

Die Weibchen der Gebänderten Prachtlibelle schimmern metallisch grün bis bronzefarben, während die Weibchen der Blauflügel-Prachtlibelle eher braun gefärbt sind.

PRACHTLIBELLEN (CALOPTERYGIDAE)

Prachtlibellen können in der Region von Mai bis September beobachtet werden. Sie kommen an vielen langsam fließenden Gewässern wie revitalisierten Dorfbächen, die eine gute Wasserqualität, besonnte Wasserabschnitte und Wasserpflanzen aufweisen, vor. Die Körper der Gebänderten und der Blauflügel-Prachtlibellen werden nur knapp fünf Zentimeter groß. Mit einer Flügelspannweite von bis zu sieben Zentimetern gelten sie aber als größte Arten unter den Kleinlibellen. 

Die Larven der Blauflügel-Prachtlibellen benötigen sauerstoffreiches Wasser und leben deshalb in kühleren Gewässerabschnitten. Die Gebänderte Prachtlibelle ist diesbezüglich etwas toleranter. Die Männchen beider Arten besetzen Reviere, in denen sie regelmäßig patrouillieren und aus denen sie Konkurrenten mithilfe waghalsiger Showkämpfe vertreiben. Das Revier muss ein Stück offenes Gewässer aufweisen und außerdem einen Platz, an dem man gut auf kleine Fluginsekten oder andere Beute lauern kann. Nach Möglichkeit leben auch einige Weibchen im Uferbereich. 

 

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