Wenn Werner Deutschmann über den Bludenzer Friedhof spaziert, ist dies für ihn fast eine Werkschau. Über drei Generationen haben die Deutschmanns kunstvolle Grabstätten gestaltet. Er selbst widmete zudem einen großen Teil seiner Freizeit dem Stein. Im Laufe seines Lebens hat er eine Vielzahl an unterschiedlichsten Skulpturen geschaffen. Einige davon sind anlässlich seines 80. Geburtstags ab 17. März in der Villa Falkenhorst in Thüringen zu bewundern.
FOTOS: ANDREAS GASSNER, TM-HECHENBERGER, PRIVAT
Werner Deutschmann ist mit Steinen aufgewachsen. Sein Großvater war 1891 nach Bludenz gezogen, um sich als Steinmetz und Bildhauer selbstständig zu machen. Da die Tiroler schmiedeeisernen Kreuzen anstelle von massiven Grabsteinen den Vorzug gaben, hoffte er, auf der anderen Seite des Arlbergs bessere Verdienstmöglichkeiten zu finden und sich kreativ entfalten zu können. Sein Handwerk brachte Josef Deutschmann seinen Söhnen nahe, und für Enkel Werner gab es – abgesehen von einer kurzen Phase, in der er mit dem Gedanken spielte, Koch zu werden – keinen Zweifel daran, dass auch er sein Leben der Bildhauerei widmen wollte.
Im Alter von 14 Jahren begann er mit der Lehre im väterlichen Betrieb. 1961 machte er die Gesellenprüfung als Steinmetz und Steinbildhauer. Die Fachschule in Hallein schloss er im April 1966 als Österreichs jüngster Steinmetzmeister ab. Das jugendliche Alter war damals ein Problem für die Erteilung der Konzession. Werner Deutschmann erinnert sich an wenig aufmunternde Worte der Konkurrenz: „Dem können wir die Konzession ruhig geben. In einem Jahr ist er eh erledigt.” Der damals 23-Jährige ließ sich davon nicht beirren – im Gegenteil: Weil der Vater zu diesem Zeitpunkt bereits schwer krank war und zwei Jahre später verstarb, musste der frischgebackene Meister gleich von Beginn an ordentlich zupacken, den Betrieb übernehmen, seinen Mut und sein handwerkliches Können unter Beweis stellen. 1975/76 baute er die Werkstatt unmittelbar neben dem Bludenzer Friedhof St. Peter weiter aus. Die schwere körperliche Arbeit und die Mühen des selbstständigen Unternehmertums machten Werner Deutschmann im Laufe seines Lebens immer wieder zu schaffen, doch seine Leidenschaft für die Steinbearbeitung ist dabei nie verblasst.
„Saisonbetrieb” von März bis Allerheiligen
„Von März bis Allerheiligen hat ein Steinmetz keine Zeit”, erklärt Werners Frau Rita. Sogar mit dem Hochzeitstermin musste sie sich danach richten. Kreativ verwirklichen konnte sich Werner Deutschmann ebenfalls nur im Winter. Trotzdem hat er es geschafft, drei Jahre lang die Kunstgewerbeschule in Zürich zu besuchen. Denn es war ihm immer wichtig, sich künstlerisch weiterzuentwickeln. In Zürich entstanden auch viele Zeichnungen und Bronzeskulpturen, doch den Vorzug gab der ambitionierte Bildhauer immer dem Stein.
Künstlerkarriere im Ruhestand
Als er nach einer Operation im Jahre 2005 den Beruf an den Nagel hängte und den Betrieb an Nachfolger Thomas Neyer übergab, legte Werner Deutschmann erst richtig los. Nun konnte er auch die wärmeren Monate dazu nutzen, eigene Ideen ohne irgendwelche Vorgaben umzusetzen. Der pensionierte Steinmetz baute einen alten Schuppen hinter dem Wohnhaus zur Werkstatt aus und nahm dort all das in Angriff, wofür früher die Zeit fehlte. Die Regale des kleinen Ateliers sind gefüllt mit Figuren in allen Größen und aus den unterschiedlichsten Gesteinen, Skizzen an den Wänden zeugen vom unermüdlichen Gestaltungswillen. Wenn Werner Deutschmann im Freien arbeitete, entwickelte sich so manche Fachsimpelei. Friedhofsbesucher wollten wissen, wer da hinter der Mauer Stein klopfte, und Kunstinteressierte baten, ihm über die Schulter schauen zu dürfen. Werner Deutschmann war einem Schwätzchen nie abgeneigt.
In letzter Zeit ist er ein bisschen müde geworden. Unterm Vordach und auch im Inneren der Werkstatt harren einige Skulpturen auf ihre Vollendung. „Ich hoffe sehr, dass er ein paar davon noch fertigbringt”, meint Rita Deutschmann, welche die künstlerischen Ambitionen ihres Mannes immer unterstützt hat. In den kommenden Monaten wird sich zeigen, ob der Meister die Arbeit wieder aufnehmen wird.
Hl. Nepomuk in Thüringen
Sein Elternhaus in der Rungelinerstraße ist voll von Statuen in allen Größen – da räkelt sich weibliche Fülle aus weißem Marmor vor reduzierten Formen aus schlichtem Granit neben einer Madonna mit Kind. Abgesehen von Auftragsarbeiten hat Werner Deutschmann nur wenige seiner Skulpturen verkauft. „Sie sind wie Kinder für mich, die gebe ich nicht gerne her.” Die größte Figur, die der heute 80-Jährige geschaffen hat, steht jedoch in Thüringen. Die Inauguration fand am 5. September 2005 statt. Drei Winter hatte Werner Deutschmann an diesem Werk gearbeitet. Die mannshohe Nepomukstatue aus Rorschacher Standstein wacht an der Kreuzung Alte Landstraße/Sägawinkl in der Walgaugemeinde über die Passanten.
Das Material für seine Skulpturen entdeckt Werner Deutschmann oft bei Wanderungen und Spaziergängen. Bingser Marmor, polierbaren roten Kalkstein vom Spullersee, Findlinge mit interessanten Einschlüssen findet er fast vor der Haustür. Besonders gerne streift Werner Deutschmann aber auch durchs Tessin. Er schätzt nicht nur den weißen Marmor aus dem oberen Maggiatal. Es ist vor allem die Landschaft dieses Schweizer Kantons, die ihn seit vielen Jahren fasziniert und zu Zeichnungen sowie skulpturalen Werken inspiriert. Wer Werner Deutschmann kennt, fragt sich nicht, warum das so ist. – Seine Tessiner Bilder zeigen seine Liebe zu den typischen Rusticos aus Stein…
„Wenn du die Kraft und Schönheit des Steins erfährst,
wird dich dieser Zauber dein Leben lang begleiten.”
Werner Deutschmann
Die Ausstellung in der Villa Falkenhorst in Thüringen ist von 17. März bis 6. April 2023 jeweils am Sonntag von 15 bis 18 Uhr sowie bei Veranstaltungen in der Villa Falkenhorst und jederzeit nach Vereinbarung geöffnet.