Tabacco di Frastanza in der Vorarlberger Museumswelt

Vor rund 200 Jahren prägte bis zu zwei Meter hoher Virginia-Tabak das Ortsbild von Frastanz. Der „Tabacco di Frastanza” wurde bis nach Mailand und Straßburg verkauft. Das neue Museum in der Vorarlberger Museumswelt bietet auch passionierten Nichtrauchern interessante Einblicke.

FOTOS: TM-HECHENBERGER, GEMEINDEARCHIV FRASTANZ

Wer genau den Tabak nach Frastanz brachte, ist nicht geklärt. Historiker gehen aber davon aus, dass Fras­tanzer Saisonarbeiter die Pflanze um das Jahr 1700 herum im Elsass kennen und die Erzeugnisse – Kau-, Schnupf- und Pfeifentabak – schätzen lernten. Sicher ist, dass in Gärten und auf den Feldern der heutigen Marktgemeinde schon wenige Jahre später Tabak zu finden war. Er wurde in erster Linie als Zweitkultur angebaut, wenn die Gerste im Juli geerntet war.

Das Frastanzer Klima eignet sich hervorragend, um echten
Virginia-Tabak anzubauen.

Frastanz gehört zu den niederschlagsärmsten Gemeinden des Landes, weil sich die feuchten Luftmassen an den Bergketten des Bregenzerwaldes stauen und dort abregnen, anstatt weiter Richtung Rätikon zu ziehen. Auf der Nordseite des Walgaus verdunstet außerdem weniger Wasser als auf der Sonnenseite. Das Ergebnis ist eine relativ konstante Feuchtigkeit, welche dem eigentlich aus tropischen und subtropischen Gefilden stammenden Virginia-Tabak offensichtlich gut bekam. Dies mag der Grund sein, warum im übrigen Vorarlberg nur der viel robustere „Bauerntabak” angebaut wurde, obwohl doch mit Virginia-Tabak gute Geschäfte zu machen waren. Wer zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf einem Joch Grund – das entspricht ungefähr 5700 Quadratmetern – Weizen anbaute, konnte mit einem Erlös von rund zwanzig Gulden rechnen. Mit rund 55 Gulden brachte der Tabakanbau auf der gleichen Fläche fast das Dreifache ein.

Ein einträgliches Geschäft

„Die Frastanzer müssen aber schon auch ein gutes Marketing gemacht haben”, vermuten die Kuratoren des Frastanzer Tabakmuseums, Dr. Sabine Fellner und Mag. Georg Thiel. Denn aus Beschreibungen der  damaligen Herrschaften geht hervor, dass der „Tabakanbau in der Feldkircher Gegend” 1740 bereits landesweit bekannt war.  Im Herbst 1768 wurden in der damals rund 1200 Einwohner zählenden Gemeinde mehr als hundert Tonnen Tabak geerntet.

Anschließend wurden die Blätter für zirka neun Wochen zum Trocknen aufgehängt. Oskar Wiederin beschreibt in seinem Buch „Seinerzeit in Frastanz”, dass der Tabak dann mit einem Absud aus Weichsel­blättern gebeizt und mehrere Tage lang in gärenden Heustöcken gelagert wurde. Dadurch habe der Frastanzer Tabak seinen ganz besonderen Geschmack entwickelt, der bald weitum beliebt war. „Es ist belegt, dass Johann Christian Walser 1808 im Haus Nr. 56 eine „Tabakstampf” betrieb, in der die Bauern die stark riechenden Blätter für die Weiterverarbeitung zerkleinerten”, weiß der Frastanzer Gemeindearchivar Mag. Thomas Welte, der die geschichtlichen Hintergründe genau recherchierte. Mithilfe von Tabakrädern wurde der Tabak zu Rauchtabakrollen versponnen. Schnupf- und Kautabak wurden ebenfalls selbst hergestellt.

Ein Teil der Blätter und Rauchwaren wurde auf dem Wochenmarkt in Feldkirch verkauft. Außerdem ging der „Tabacco di Frastanza” in die Schweiz, nach Straßburg und Mailand. Die Tabak-Geschäfte wurden in der Stube des Gemeindevorstehers – heute wäre dies das Büro des Bürgermeisters – abgewickelt. Dies ist der Grund, warum auf Initiative von Alt-Bgm. Harald Ludescher eine original nachgebaute Vorsteherstube aus dem 18. Jahrhundert ins ansonsten modern gestaltete Museum integriert wurde.

Die rund 3000 bis 4000 Gulden, welche die Frastanzer in der Blütezeit des Tabakanbaus mit ihrer „Zweitfrucht” erwirtschafteten, waren eine stolze Summe für eine kleine Landgemeinde. Man kann sich also vorstellen, dass der Unmut groß war, als Kaiser Franz I. das Tabakmonopol 1828 auf Tirol und Vorarlberg ausdehnte. In anderen Gebieten der k.u.k.-Monarchie galt dieses bereits seit 1784. Nun wollte der Staat nicht länger hinnehmen, dass Vorarlberger und Tiroler Tabak regelmäßig auf Schmugglerpfaden in die anderen Provinzen gelangte. Der Obrigkeit war aber durchaus klar, dass die Bevölkerung nicht gerade begeistert reagieren würde. „Kreishauptmann Johann Ritter von Ebner wurde darüber informiert, dass man in aller Schonung vorgehen und die Gemüter der Landbewohner nicht unnötig aufregen wolle”, berichtet Thomas Welte. „Das für Frastanz so bedeutsame Zirkulare wurde am 14. Mai 1828 sogar von der Kanzel verlesen.” Die Frastanzer konnten danach zwar weiterhin Tabak anbauen, wurden aber streng kontrolliert und durften ihre Ernte nur an den Staat verkaufen – und der zahlte bei weitem nicht so viel, wie die Frastanzer gewohnt waren. Mehr und mehr ließen sie deshalb davon ab. 1836 wurde erstmals gar kein Tabak mehr angebaut.

„Aha mit`m Raubvogel!” – Tabakrevolte 1848

Im Revolutionsjahr 1848 hofften die Frastanzer kurzzeitig, dass sie die alten Zustände wiederherstellen könnten. Sie nutzten die aufständische Stimmung und forderten in einer Petition, man möge ihnen den Tabakanbau wieder erlauben. Als sich die Landstände nicht einigten, pflanzten sie kurzerhand Tabak an, ohne die Behörden zu informieren. Diesem Treiben sollte eine Finanzwachekommission ein Ende setz­en, doch eine aufgebrachte Menschenmenge verjagte die Beamten aus dem Ort. Ihr Schlachtruf gegen den Doppeladler „Aha mit`m Raubvogel” sollte den Frastanzern schlecht bekommen. Die rebellische Walgaugemeinde wurde nämlich in den folgenden Jahren bei den damals üblichen Militäreinquartierungen dermaßen „bevorzugt”, dass das Schulgebäude drei Jahre lang als Kaserne dienen und der Unterricht in Privathäusern abgehalten werden musste. Weil nicht alle Tabakbauern Lust hatten, auf den Beruf des Textilarbeiters in den neu entstandenen Fabriken umzusatteln, suchten viele von ihnen ihr Glück in der Ferne.  Laut Aufzeichnungen des damaligen Frastanzer Pfarrers, Johann Baptist Rinderer, hielten sich 1868 immerhin 136 seiner Pfarrkinder in Amerika auf – das waren rund acht Prozent der Bevölkerung.

Tabakmuseum
Modernes Museumskonzept:
„Zigarrenförmige” Vitrinen,
„Gucklöcher” in den Wänden und
virtuelle „Geschichtenerzähler” laden die Besucher zum
Entdecken ein.

Im Tabakmuseum in der Vorarlberger Museumswelt erhalten die Besucher aber nicht nur Einblick in diese Ära der Frastanzer Geschichte. In den Zigarren nachempfundenen zylinderförmigen Vitrinen und kreisrunden Guckkästen sind zudem kunstvoll verzierte Pfeifen, Schnupftabakdosen und andere Gegenstände zu entdecken, welche klar veranschaulichen, dass das Rauchen in diesen Jahren allgegenwärtig war. Zwar gab es auch damals schon Kritiker, die vor den Gefahren warnten, doch „damals rauchte in Frastanz alt und jung, Weiber und Mädchen,…”, schrieb etwa der 1784 in Bregenz geborene Theologe und Historiker Franz Josef Waitzenegger. Am billigsten – und deshalb besonders weit verbreitet  – war der Kautabak. Der hatte zudem den Vorteil, dass man nicht befürchten musste, dass die mit Stroh gedeckten Häuser durch Funkenflug in Gefahr waren. Wer am Sonntag zum Gottesdienst ging, platzierte den Tabakklumpen am Eingang in einer Mauernische, um ihn gleich nach der Messe wieder in den Mund zu stecken. Verwechslungen waren da vorprogrammiert. Der Austausch des Tabakklumpens galt aber ohnehin als Liebesbeweis…

Lehrer und Priester bekamen in dieser Zeit sogar einen Teil ihres Lohns in Schnupftabak ausbezahlt. Das rauchige Aroma sollte die Ausdünstungen ihrer Schützlinge übertünchen, die aufgrund mangelhafter Hygiene oft recht streng waren. Die Priester saßen an Feiertagen oft über viele Stunden mit ihren nicht immer wohlriechenden Schäflein im engen Beichtstuhl fest. Das vom Kaiser zugesprochene Schnupftabak-Kontingent war deshalb sehr willkommen. Der Frastanzer Pfarrer Hilarius Leißing (geb. 1864 in Feldkirch, verstorben 1933 in Frastanz) besaß eine beachtliche Sammlung an kunstvoll verzierten Schnupftabakdosen, die allesamt im Tabakmuseum ausgestellt sind.

PfeifenkopfWer etwas auf sich hielt, beeindruckte seine Mitmenschen aber mit einer Zigarre oder einer Pfeife. „Manchem meiner Kame­raden kam das vornehmere und in guter Gesellschaft eher geduldete Zigarrenrauchen viel zu teuer zu stehen, und so wandten wir unsere Sorgfalt den Pfeifen zu und bildeten uns umsomehr ein, je dicker das Rohr, je bunter die Quaste und je größer der Fassungsraum unseres Systemes war, und wer sich noch den Luxus eines schönen Gemäldes auf dem Pfeifenkopf zu gönnen vermochte, der wurde vielfach beneidet,” erinnerte sich etwa der Bludenzer Volksschriftsteller und Lehrer Josef Wichner im 1897 erschienenen Buch „Im Stu­dier­städtle” an seine Zeit am Feldkircher Gymnasium. Junge Männer, die sich in der k.u.k. Monarchie bei der Musterung als tauglich erwiesen, wurden auf dem Heimweg mit Blumen und Zigarren beschenkt, welche sie sich an den Hut steckten.

Vorarlberger Museumswelt mit sieben Museen bald komplett

DI Marcus und DI Ursula Ander
Die Geschwister DI Marcus und DI Ursula Ender aus Nüziders
haben das Ausstellungskonzept
für das Tabakmuseum in enger
Zusammenarbeit mit den
Kuratoren, dem Frastanzer
Grafiker Martin Caldonazzi
sowie ehrenamtlichen Helfern der Vorarlberger
Museumswelt entwickelt
und umgesetzt.

Diese und viele andere Geschichten um den „blauen Dunst” erfahren die Besucher auf ihrer Entdeckungsreise im Tabakmuseum. Das Nüziger Architekturbüro Ender hat diese in ein ansprechendes Design gepackt und mit Formen, Farben und Lichtführung in Szene gesetzt. Auf Knopfdruck spricht ein „Geschichtenerzähler” wissenswerte Details in die Kopfhörer. Das Ausstellungskonzept fand seit der Eröffnung viel Anklang bei den Besuchern. Man darf sich also bereits auf das „Grammophonicum” sowie das Foto- und Film-Museum inklusive Museumskino freuen, welche die Geschwister Ender als nächstes in der Museumswelt umsetzen. In weiterer Folge werden auch noch das Rettungsmuseum und das Elektromuseum nach neuesten museumspädagogischen Erkenntnissen modernisiert. Dann ist die Vorarlberger Museumswelt in Frastanz mit insgesamt sieben Museen komplett.

Vorarlberger Museumswelt
Die Vorarlberger Museumswelt in der ehemaligen Textilfabrik in Frastanz vereint derzeit das Elektro­museum, das Landesfeuerwehr-
museum, das Jagdmuseum,
das Rettungsmuseum und das Tabakmuseum unter einem Dach.
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