Er forschte und entwickelte für kleine Ländle-Firmen und Weltkonzerne, hält verschiedenste Patente und in den vielen Firmen, die er (mit)gegründet hat, arbeiten heute rund um den Erdball gut 400 Mitarbeiter. Das Motto von Wilhelm Gantner, der seine berufliche Laufbahn als Radio- und Fernsehmechanikerlehrling in Frastanz begonnen hat:
Alles ist möglich – wenn man wirklich will!
Der Erstgeborene seiner fünf Söhne sollte die Steuerberatungskanzlei in Bludenz übernehmen. Das war jedenfalls der Plan von Oskar Gantner. Und wer weiß – der Plan wäre vielleicht aufgegangen, hätte sein Sohn nicht im Alter von sieben Jahren eine sonderbare Entdeckung gemacht.
Wo sind die Radio-Männle?
Damals wollte er nämlich unbedingt die Männchen anschauen, die im Radio die Musik machten und Ansprachen hielten. Er schnappte sich einen Schraubenzieher und zerlegte das kostbare Teil – aber Männchen waren nirgends zu finden. Nicht ein einziges! Woher kamen dann aber die Stimmen? Willi Gantners Forschergeist war geweckt – und bereits ein Jahr später hatte er nicht nur die Funktionsweise eines Radios ergründet, sondern – mit ein paar Spulen und einem Kopfhörer – sein erstes eigenes Radio gebaut. Trotz dieser beeindruckenden Talentprobe wurde Willi Gantner nach der Hauptschule in Nenzing wie vorgesehen für die spätere Steuerberaterkarriere in das Feldkircher Gymnasium geschickt. Eine höhere technische Schule für Nachrichtentechnik gab es in Vorarlberg damals nicht.
Ein guter, aber unglücklicher Gymnasiast
„Ich war zwar ein guter – aber unglücklicher Schüler“, erinnert sich Wilhelm Gantner. Ein kleiner Zeitungsartikel sollte die Wende bringen. Darin wurde berichtet, dass ein gewisser Dietmar Gaßner aus Frastanz die Meisterprüfung als Radio- und Fernsehtechniker absolviert hatte: In Sachen Radio kann man also eine „echte“ Ausbildung machen und sogar eine Meisterprüfung ablegen! Mit diesen neuen Fakten konfrontiert, gab der Vater schließlich dem technischen Drängen seines Sohnes nach. Der besagte Dietmar Gaßner gab dem 16jährigen Nenzinger eine Chance und stellte ihn in seinem Elektrogeschäft in Frastanz als seinen ersten Lehrling ein. „Noch heute bezeichne ich ihn gerne als meinen Lehrmeister“, denkt Willi Gantner an eine spannende Zeit zurück. Gaßner war nicht nur selbst ein äußerst innovativer Mensch (er gründete zum Beispiel den Kabelfernsehsender „Dreischwesternkanal“). Gaßner erkannte auch das Talent seines Lehrbuben und ermunterte ihn, sich weiterzubilden: Ein Rat, den der sein Leben lang befolgte.
Nach der Lehrzeit arbeitete Gantner am Institut Klisch, auf das er durch einen Artikel in dem damals im gesamten deutschsprachigen Raum populären Technik-Magazin „hobby“ aufmerksam geworden war. Dieses kleine Institut, wo Elektronik-Ausbildung auf höchstem Niveau angeboten wurde und Studenten aus aller Welt teilweise bahnbrechende Entwicklungen für die Industrie erdachten, war in einer ehemaligen Sennerei in Nüziders untergebracht! Neben der Arbeit am Institut Klisch studierte Gantner nebenberuflich an der Technischen Akademie in Esslingen und in München Nachrichtentechnik.
Selbstständigkeit oder Max Planck Institut
Im Rahmen seiner Diplomarbeit konnte Wilhelm Gantner auch am berühmten Max Planck Institut forschen. Dort hätte er nach seiner Meisterprüfung und dem Technikerdiplom auch bleiben können. Aber damals war dem Nenzinger bereits klar, dass er einmal seine eigene Firma gründen wollte. Mit der Zusage, dass er dies nebenher machen könne, nahm er ein Angebot der Montafonerbahn an, die ihn damit beauftragte, das Kabelfernsehnetz auf- und auszubauen. Dieser Auftrag war in nur knapp zwei Jahren erledigt, hatte für die Wirtschaftsregion Walgau allerdings gravierende Folgen. Die erste Firma gründete Wilhelm Gantner nämlich nicht in seinem Heimatort Nenzing, sondern in seinem Arbeitsort Schruns – wo er auch seine Frau kennenlernte und schließlich sesshaft wurde. „Ich lebe zwar schon mehr als 40 Jahre und sehr gerne in Schruns“, erklärt Gantner im allerhand-Interview. „Aber ich bin im Herzen immer noch ein Nenzinger und betone das auch bei meinen Freunden im Montafon mit Stolz“.
Die unternehmerische Karriere von Wilhelm Gantner sucht ihresgleichen und begann 1972 mit der Gründung seiner ersten Firma. Als Einzelkämpfer entwickelte er im Auftrag diverser Kunden elektronische Lösungen. Zusammen mit Gerhard Marte gründete er 1974 die Firma GAMA (für Gantner und Marte). Man spezialisierte sich auf Sicherungstechnik und entwickelte die erste elektronische Alarmanlage. Das System war technisch überlegen und wurde zur Sicherung von Atomkraftanlagen, Militärstützpunkten, Polizeibehörden und anderen wichtigen Anlagen europaweit eingesetzt. Gegen sämtliche amerikanische Mitbewerber erhielt GAMA sogar den Auftrag, das Gelände um die Präsidentenmaschine Air-Force One zu sichern. Ein Riesenerfolg war auch die GAMA-Entwicklung eines kundenfreundlichen elektronischen Zutritts- und Abrechnungssystems, das man 1977 im Auftrag der Montafoner Seilbahnen erdachte. Innerhalb weniger Jahre war damit eine Vielzahl von Skigebieten in Österreich, der Schweiz, Deutschland und Italien ausgerüstet.
Sicherung für Kernkraftwerke und Air Force One
Die Firma war in kurzer Zeit auf 80 Mitarbeiter angewachsen. Die Auftragsvolumina wurden immer größer. Um diese Riesenaufträge annehmen zu können, wurde mit der Constantia Industrieholding ein finanzstarker Partner ins Boot geholt. So hatte man Zugriff auf Kapital in praktisch unbegrenzter Höhe. Damit verbunden waren aber auch einige Nachteile. Der Forschergeist, der die GAMA groß gemacht hatte, drohte im bürokratischen Irrgarten dieses Mega-Konzerns zu ersticken. Eine geniale Idee, die man bis dato einfach umgesetzt hatte, musste jetzt zunächst laiengerecht und schriftlich erklärt werden, bevor die Mittel freigegeben wurden.
Bürokratie erstickt Erfindergeist
Wo bis dato das unternehmerische Gespür auslangte, waren jetzt zeitaufwendige Risikoanalysen vorzulegen. 1982 schließlich wurde es Wilhelm Gantner zu bunt. Er verkaufte seine Firmenanteile und unternahm mit seiner Frau eine Weltreise. Diese Auszeit nutzte er freilich, um Pläne für die Zukunft zu schmieden. Er gründete die Gantner Electronic. Im Keller seines Wohnhauses tüftelte er zunächst als Einzelkämpfer Lösungen für verschiedenste Aufgabenstellungen aus. Nebenher nahm er ein BWL-Abendstudium in St. Gallen auf.
Gantner Electronics wuchs rasant. Der weltweit erste Funk-Autoschlüssel, Steuerungen für Airbag-Systeme und Lagerroboter und vieles mehr wurde erdacht. Mit ihren elektronischen Zutritts-, Zeiterfassungs- und Abrechnungssystemen ist Gantner Electronic heute weltweit ein „big player“. Einer der Meilensteine war die Entwicklung des ISM (Intelligent Sensor Module), mit dem die analogen Signale von Sensoren in digitale Signale umgewandelt und per Netzwerk an Computer übertragen werden können. Dieser Geschäftsbereich wurde später im Rahmen eines Management-By-outs in eine eigene Firma – Gantner Instruments – ausgegliedert.
Um die vielen Entwicklungen weltweit vermarkten zu können, suchte Wilhelm Gantner einem kapitalkräftigen Vertriebsprofi. Mit dem Dornbirner DKfm Martin Zumtobel und dessen rechter Hand Mag. Johann Schallert fand er diesmal kongeniale Partner: Man ergänzte sich perfekt und brach zu neuen Ufern auf.
Höhenflug mit Brieftauben
Mit der maßgeblich bei Gantner Electronics entwickelten RFID Technik gelang endgültig der Durchbruch: Der kleine elektronische Chip konnte in Ausweiskarten, Schlüsseln oder Armbändern eingebaut werden und ermöglichte beispielsweise den Zutritt zu Gebäuden und Schränken, die Zeiterfassung oder das elektronische Bezahlen über entsprechende Terminals. In weltweit 2500 Fitnessclubs, in acht der zehn größten Erlebnisbäder und in der Hälfte aller Top-Firmen in Australien werden die elektronischen RFID Schlösser heute verwendet.
Weltmarktführer ist Gantner heute mit den RFID Chips auch, wenn es um Zeiterfassung für Brieftauben geht. Dieser Geschäftsbereich, den Sohn Michael inzwischen in seine Firma Gantner Solutions übernommen hat und erfolgreich weiterführt, wurde 1996 entdeckt. Der Brieftaubensport hat international enorme Bedeutung. 510.000 Züchter mit rund 28 Millionen Brieftauben weltweit sind registriert. Bei Wettbewerben und Olympiaden geht es um Preisgelder von bis zu einer Million Dollar: Die bekommt der Besitzer jener Taube, welche unter tausenden am schnellsten von einem Ausgangs- zum (nicht selten über 1000 Kilometer entfernten) Zielpunkt fliegt. Gemessen wird das mit „Gantner Pigeon“-Technologie, einem Geschäftsfeld der Gantner Solutions.
1999 wurde die „Identec Solution“ gegründet. Die RFID- Technologien wurden hier weiterenwickelt. Bei jedem dritten Auto, das weltweit gefertigt wird, kommt diese Technik zum Einsatz. Das in Lustenau beheimatete Unternehmen (mit Zweigstellen auf der ganzen Welt) ist auch Partner der Logistik: Hunderttausende Container weltweit werden mit Identec-Solution-Technik überwacht.
Jungen Menschen Mut machen
Wilhelm Gantner genießt heute seinen (Un)Ruhestand. Natürlich steht er seinem Sohn und den neuen Besitzern aller von ihm mitbegründeten Firmen gerne mit Rat und Tat zur Seite und genießt auch das gute Verhältnis, das er mit all seinen früheren Mitstreitern nach wie vor hat. Sehr gerne versucht er als Gastprofessor an der Hochschule St. Gallen, an der Technischen Universität Wien oder als international gefragter Vortragender, den Jungen etwas von seinem Forschergeist mitzugeben, ihnen Mut zu machen, neue Wege zu gehen, sich von Misserfolgen nicht entmutigen und von Erfolgen nicht ablenken zu lassen. „Wenn man wirklich will, kann man alles erreichen“, ist er überzeugt.
Von Schruns nach Nüziders
Das gelte auch für die Wirtschaftsregion Bludenz-Walgau, ist Willi Gantner überzeugt. Mit Freude beobachtet er das Zusammenwachsen der Region, die Zusammenarbeit der Bürgermeister, wie sie sich beispielsweise beim Projekt Walgaubad gezeigt habe. „Wenn dieser Geist weiter gepflegt wird, profitiert davon langfristig die ganze Region“, so Gantner. Einen bedeutenden Impuls zur Weiterentwicklung der Region Walgau-Bludenz setzt Gantner Electronic schon demnächst: In Nüziders soll bald der Neubau der Firmenzentrale in Angriff genommen werden …