Der Sunnahof in Göfis war Ende Juni Schauplatz eines ganz außergewöhnlichen Reitturniers: Hobby Horsing nennt sich die neue Sportart, für die sich vor allem Mädchen hierzulande zunehmend begeistern.
FOTOS: TM-HECHENBERGER, NICOLE SÖNSER
„Ich wusste anfangs gar nicht, dass das ein Sport ist”, erzählt Chantal Polin. Die Schülerin aus Thüringerberg begann im Alter von sieben Jahren, im Garten Hürden zu bauen und dann darüber zu springen, zwei Jahre später bastelte sie ihr erstes Pferd aus Socken und Besenstiel. Sieben Jahre und sechs weitere Steckenpferde später hat sie bereits einige Turniere hinter sich, auf denen sie Sprungtalent und Körperbeherrschung unter Beweis stellte. Denn beim Hobby Horsing geht es darum, mit dem Steckenpferd Hindernisse mit beachtlicher Höhe in möglichst anmutiger Haltung zu überwinden. Außerdem gibt es eine Disziplin, bei der verschiedenste Figuren, welche Dressurreiter mit ihren Pferden trainieren, naturgetreu nachgetanzt werden. Chantal Polin ist überzeugt von ihrem Hobby: „Es fördert Gleichgewicht und Koordination, gleichzeitig kann der Sport im Verein soziale Kompetenzen und den Zusammenhalt im Team stärken. Die Steckenpferde zu basteln und Rollen für sie zu erfinden, benötigt Kreativität und Fantasie”, erklärt sie.
Chantal hat im Juli die Mittelschule Oberland in Ludesch abgeschlossen. Unter dem Motto „Bewirk was!” sollte sie dort in ihrem letzten Schuljahr ein Projekt planen – von der Idee über eine Präsentation im Klassenforum bis hin zur konkreten Umsetzung. „Ich wusste sofort, dass ich etwas mit Hobby Horsing machen möchte”, erzählt sie. Während ihre Klassenkameraden noch überlegten, in welchem Bereich sie initiativ werden könnten, überredete sie bereits ihre Freundin Norah, bei ihr einzusteigen.
Norah Albrecht aus Feldkirch hat sich während der Corona-Pandemie fürs Hobby Horsing begeistert, als sie eine jüngere Freundin auf ihrem Steckenpferd beobachtete. Seither widmete sie viele Stunden ihrer Freizeit diesem Sport, der sich aktuell vom Ursprungsland Finnland aus über Europa ausbreitet und sogar zur Olympiade in Paris vorgeschlagen wurde. „Es ist wirklich anstrengend”, lacht ihr Vater Michael. Seine Frau und er unterstützten die beiden Mädchen – ebenso wie Chantals Eltern – bei der Umsetzung ihres großen Vorhabens. Immerhin galt es, eine geeignete Location zu finden, Sponsoren zu begeistern, Hindernisse, Zeitmessung und Juroren zu organisieren, Interessierte auf die Veranstaltung aufmerksam zu machen, die Anmeldungen zu verwalten, Preise auszusuchen, die Verpflegung von Turnierteilnehmern und Besuchern zu organisieren und, und, und.
„Die größten Schwierigkeiten hatten wir bei unserer Zusammenarbeit, wir haben immer wieder aneinander vorbei gearbeitet”, geben Chantal und Norah zu. Es gab viele Details, bei denen sich die beiden Mädchen nicht einig, Kompromisse nur schwer zu finden waren. Nicht nur in der Schule, sondern auch bei langen Telefongesprächen in ihrer Freizeit bemühten sie sich, ihre Vorstellungen unter einen Hut zu bringen. Die Nervosität stieg rasant, als dann die ersten Anmeldungen eintrudelten.
Immerhin 28 Starterinnen im Alter zwischen fünf und 15 Jahren fanden sich am 30. Juni ein, welche beim „Mächtigkeitsspringen” und im Parcour ihr Können unter Beweis stellen wollten – manch eine zum ersten Mal. Aber auch erfahrene Hobby Horse-Sportlerinnen aus ganz Vorarlberg und der benachbarten Schweiz waren voll des Lobes über die gute Organisation und die wunderschöne Atmosphäre auf dem Gelände des Sunnahof.
Stolz präsentierten sie ihre zum Teil selbst genähten und auf jeden Fall schön herausgeputzten Steckenpferde, die allesamt wohlklingende Namen haben und getätschelt werden, wenn ihre Reiterinnen nach einem gelungenen Lauf die Ziellinie passieren. Bei der Preisverteilung gab es Medaillen und Preise für die Sportlerinnen sowie Ansteckrosetten für die Pferde.
Anstrengend war es aber vor allem für die Mädchen, die den Parcour fehlerlos, ohne fallende Stangen absolvieren und zudem die Zeit im Auge behalten sollten. Darüber wachte Janina Lorenser-Jones aus Thüringerberg. Sie beurteilt normalerweise die Leistung von Reitern mit Pferden aus Fleisch und Blut. Die Punkterichterin zeigte sich beeindruckt, mit welcher Konzentration die Steckenreiterinnen bei der Sache waren und von ihren gymnastischen Leistungen. Beim Mächtigkeitsspringen konnten die Besten sogar Hindernisse von mehr als einem Meter überwinden.
Chantal Polin und Norah Albrecht freuen sich über die begeisterten Rückmeldungen von Teilnehmerinnen und Besuchern. „Ein paar haben schon gefragt, ob wir nächstes Jahr wieder ein Turnier organisieren”, strahlen sie. Im Hinblick auf die anstrengenden Vorbereitungen sind sie sich allerdings nicht sicher, ob sie ein weiteres solches Event auf die Beine stellen wollen. Aktuell genießen die beiden noch ihre Ferien. Norah wird im Herbst weiter in Ludesch zur Schule gehen, doch bei Chantal stehen größere Veränderungen an: Sie freut sich sehr, dass sie an der Landwirtschaftsschule in Hohenems aufgenommen wurde. Denn ihre Liebe gilt allen Tieren, nicht nur Steckenpferden.