Markthalle im (Frucht-)Express-Verfahren

Der „Fruchtexpress” Grabher beliefert von Frastanz aus vor allem Handel und Gastronomie in ganz Vorarlberg mit Obst, Gemüse, Früchten und anderen – insgesamt 2800 verschiedenen – kulinarischen Köstlichkeiten aus aller Welt. Der Lockdown traf den Familienbetrieb unversehens und mit voller Härte. Mit Ideenreichtum und Arbeitseinsatz der ganzen Belegschaft ist man aus dieser Krise gestärkt hervorgegangen. 

FOTOS: TM-HECHENBERGER

Ein mittleres Verkehrschaos verursachte die Eröffnung der neuen Markthalle bei Fruchtexpress Grabher in Frastanz Mitte März. Für Felix Grabher und seine Mitstreiter war der enorme Kundenandrang weit mehr als eine Aussicht auf gute Umsätze. Mit der in tage-und nächtelanger Arbeit im Blitztempo realisierten Markthalle konnte das Schlimmste verhindert werden: Dass nämlich Tonnen einwandfreier Qualitätsprodukte verderben.

Felix Grabher und David Kessler (re.) vor einem der in Windeseile errichteten Marktstände.

Der Handel mit frischen Naturprodukten erfordert ja generell hohe Flexibilität. Die angelieferte Ware ist – beispielsweise was den Reifegrad anlangt – fast täglich eine andere. Äußerer Zustand, innere Fruchtqualität, Zuckergehalt, Saftigkeit und Säure variieren mitunter stark. Um die geforderte Topqualität bieten zu können, muss sie dementsprechend rasch ausgeliefert oder noch einige Tage im Lager bleiben. Es kommt auch vor, dass Ware – trotz entsprechender Vereinbarungen mit den seit Jahren bekannten Lieferanten – nicht den strengen Kriterien entspricht und zurückgeschickt wird: Dann gilt es wiederum, rasch einen Ersatzlieferanten zu finden. Aus der Ruhe kann das die Profis vom Fruchtexpress nicht bringen: Das 1932 in Lustenau gegründete und seit 1961 am Standort in Frastanz aktive Unternehmen kann schließlich auf fast 60 Jahre Erfahrung zurückgreifen.

Aber mit der Coronakrise stand für die stressgetestete Grabher-Crew doch eine gänzlich neue Herausforderung an: Am Donnerstag, 12. März, wurde bekannt, dass Hotellerie und Gastronomie ab dem folgenden Montag (und bis auf damals unbestimmte Zeit) zusperren müssen.

„90 Prozent unserer Waren werden an die Hotellerie und Gastronomie geliefert. Da wussten wir natürlich sofort, was auf uns zukommt”, erinnert sich Juniorchef Felix Grabher. Mitten in der Hauptsaison waren die Lager mit rund 500 verschiedenen Produkten gefüllt. Und zwar in großen Mengen: Allein 1000 Kartons Erdbeeren oder etwa 3000 Steigen Eissalat waren am Lager bzw. bereits verladen und auf dem Weg nach Frastanz, bevor der Lockdown kam. Darüber hinaus rollten planmäßig zahlreiche Lastwagen aus ganz Österreich, dem Bodenseeraum und aus Südeuropa Richtung Frastanz. „Die konnten wir natürlich nicht mehr stoppen”, so Grabher.  Von den Kunden, für die diese Ware vorbereitet war, hagelte es gleichzeitig Stornierungen.

In einer kurzen Krisensitzung wurde spontan beschlossen, einen Teil des Firmengebäudes in eine Markthalle zu verwandeln, in der die Waren der breiten Öffentlichkeit angeboten werden konnten. Jetzt war auch David Kessler gefordert: Als Marketingverantwortlicher rührte er die Werbetrommel für die neue Markthalle, als Personalchef informierte er die Mitarbeiter über die Situation und die geplante Vorgangsweise – auch darüber, dass alles getan werde, damit niemand seinen Arbeitsplatz verliert. „Dass die Unternehmensführung sofort aktiv wurde, ist sehr gut angekommen”, berichtet Kessler.

Beim unverzüglich gestarteten „Markthallenbau” machten fast alle mit. „Auch Fahrer, Mitarbeiter der Buchhaltung, Kundenbetreuer und andere, die ansonsten mit der Arbeit im Lager nichts zu tun haben”, hebt Kessler hervor. Mit gutem Beispiel vorangegangen sind sogar die Geschäftsführer Hubert und Patrick Grabher sowie der Seniorchef Werner Grabher. Es wurden Räumlichkeiten ausgeräumt, Paletten hergerichtet und zusammengezimmert, Ladentheken aufgebaut und Holzstände dekoriert. „Das hat unseren Teamspirit noch einmal ganz neu befeuert”,  zeigt sich Kessler auch Wochen nach diesem Ereignis noch beeindruckt.

Nach nur wenigen Tagen intensiver Arbeit wurde die neue Markthalle eröffnet. Mit durchschlagendem Erfolg. Beim Lokalaugenschein Ende Juli zeigte sich, dass dieser Erfolg nachhaltig ist. Kunden mit Covid-Schutzmaske stehen vor der Markthalle, nehmen auch einiges an Wartezeit auf sich. Wenn einer mit vollgepackter Früchte-Tasche aus der Halle kommt, darf der nächste hinein. 

Die Fisch-Box mit feinen Filets aus der Bodenseeregion gibt es immer ab Mittwoch.

Man schnappt sich eine Papiertasche und schlendert durch die prall mit frischem Gemüse, Obst und Südfrüchten gefüllten Regale. Man packt in die Papiertasche, was auf dem Einkaufszettel steht, aber auch exotische Früchte, die man einmal probieren will oder regionale Köstlichkeiten, die einen gerade „anlachen”. Die „Füllung nach Lust und Laune” kostet pauschal zehn Euro. Zusätzlich werden auch Gewürze und Wurstwaren, Käse, Eier, Säfte oder – jeweils ab Mittwoch – eine Frischfischbox mit Fischen aus der Bodenseeregion angeboten.

„Die Markthalle wird sehr gut angenommen”, freuen sich die Geschäftsführer Hubert und Patrick Grabher. Das als Notlösung konzipierte Fruchtexpress-Lädile soll daher bis auf Weiteres bestehen bleiben. Gut möglich, dass die Markthalle auch bald ein „Update” erfährt. Derzeit investiert der Fruchtexpress ja massiv in die Errichtung neuer Lager- und Büroräume. (Foto unten). Bis Ende 2021 soll der Neubau fertig sein: Dann könnte auch zusätzlicher Platz für die Erweiterung der beliebten Markthalle frei werden… 

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