Tradition und ein gutes Miteinander

Zum Jubiläum wollten wir etwas für das ganze Dorf machen. – Zunftmeister Bernd Hartmann

Die Handwerkerzunft Schlins-Röns blickt auf eine 300-jährige, traditionsreiche Geschichte zurück und setzt Impulse für die Zukunft: Beim Jubiläumsfest am 31. Mai wird ein mobiler Raum präsentiert, mit dem die Zunft der Vergangenheit gedenken, die Vielfalt des Handwerks aufzeigen, Begegnungen ermöglichen und junge Leute nachhaltig für einen Handwerksberuf begeistern möchte.

FOTOS: TM-HECHENBERGER, HWZ SCHLINS-RÖNS, DR. DIETER PETRAS, VORARLBERGER LANDESARCHIV, ENTWURFS-SKIZZEN: MARTIN CALDONAZZI

1725 machten sich die Handwerker von Schlins und Röns von der Handwerkerzunft Satteins unabhängig. Damals besaßen diese Verbände noch einige Macht, waren sie es doch, welche die Lehrabschlussprüfungen abnahmen und Gewerbescheine ausstellten. Gemeinsam organisierten die Zunftbrüder die Rohstofflieferungen, die Löhne und sogar die Versorgung der Witwen. Mit Beginn der Industrialisierung verloren diese Vereinigungen dann nach und nach an Bedeutung. Heute liegen die meisten ihrer damaligen Aufgaben in den Händen der Wirtschaftskammer. 

Was sich aber 300 Jahre lang gehalten hat, sind die Traditionen und das Miteinander. Jedes Jahr am Samstag nach Dreikönig wird der Zunfttag nach alter Tradition mit Fahnenzug und einem Gottesdienst eröffnet, Betriebsbesuche, Ausflüge und verschiedene andere Feierlichkeiten stehen regelmäßig auf dem Programm.  

1950 war die Handwerkerzunft Schlins-Röns noch eine reine Männer-Domäne.

Bernd Hartmann agiert seit 2014 als Zunftmeister. Er entstammt selbst einer Handwerksfamilie mit großer Tradition, führt den Tischlereibetrieb in Schlins in sechster Generation. Schon sein Großvater engagierte sich als Zunftmeister, und auch sein Vater war selbstverständlich ganz vorne mit dabei. Gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen setzte sich Bernd Hartmann für eine Belebung und „Verjüngung“ ein. Nach und nach wurde die Zunft für alle Berufsgruppen geöffnet und 2022 zum Verein umgewandelt. Aktuell begeistern sich 223 Frauen und Männer für das Miteinander und das Netzwerken in der Handwerkerzunft Schlins-Röns.

Die Seilerei Wilhelm Amann in Schlins, ca. 1920 (© Ing. Armin Amann)

Und das Jubiläum wollten die „Zünftler“ mit einem Fest für die gesamte Bevölkerung von Schlins und Röns feiern. Das war schnell klar. Schon vor zwei/drei Jahren zerbrachen sich die Mitglieder des Vorstands den Kopf, wie man der alten Tradition gedenken und gleichzeitig das Handwerk für die Zukunft stärken könnte. „Eine Ausstellung, ein Buch, eine Skulptur, ein Brunnen, eine Bank… – Beim Brainstorming kamen viele Ideen“, berichtet Zunftmeister Bernd Hartmann. Doch so richtig Feuer fingen die Zünftler erst, als sie Martin Caldonazzi zu den Beratungen hinzuzogen. Der Frastanzer Grafiker zeigte nämlich nicht nur auf, wie er dem Zunftlogo einen modernen Touch verleihen würde, sondern präsentierte außerdem den Entwurf für einen Zunftraum, der geschichtliche Einblicke mit der Möglichkeit, aktuelle Inhalte zu präsentieren, verbindet. Außerdem wurde die Idee aufgenommen, den Zunftraum mobil zu gestalten, sodass er etwa zu Feierlichkeiten oder zur Lehrlingsmesse ganz einfach mitgenommen werden kann. Als dann auch noch klar war, dass ein Teil der Kosten unter dem Titel „Handwerk bewahren“ über den LEADER-Fonds der Europäischen Union abgedeckt sein würde, stand der Umsetzung nichts mehr im Wege. 

Mit vereinten Kräften – und natürlich in bester Handwerks­tradition – ist in den letzten Monaten ein drei Mal drei Meter großer Kubus entstanden, an dessen Wänden historische Bilder und die wichtigsten Fakten die 300-jährige Geschichte der Zunft vor Augen führen. Die Fassade besteht aus angekokelten Holzlatten. „Schon die Wikinger haben ihre Boote mit dieser Methode wasserdicht gemacht“, erklärt der Zunftmeister. Außerdem wurden vorab die Namen der Sponsoren eingefräst, welche ebenfalls wesentlich dazu beitrugen, dass dieses Projekt umgesetzt werden konnte. 

 

Dem Handwerk wird zwar sprichwörtlich ein goldener Boden nachgesagt, doch bei der Handwerkerzunft Schlins-Röns wandelte sich dieser zur goldenen Wand, an der ein großflächiger Bildschirm mit stets aktuellen „News“ – auch von der Lehre im Walgau – bespielt werden kann. Eine Stele in der Mitte beherbergt die Bedienknöpfe für den Bildschirm und eine kleine Vitrine mit den alten Zunftbüchern. 

„Heimathafen“ am Radweg

Auf der Suche nach einem geeigneten „Heimathafen“ wurde die Zunft von der Gemeinde Schlins unterstützt. Wenn der Zunftraum nicht gerade bei besonderen Anlässen oder Messen „auswärts“ weilt, steht er frei zugänglich auf einer Wiese hinter dem Feuerwehrhaus. „Dort geht der Radweg direkt vorbei, es gibt einen Spielplatz, und die Gemeinde will noch einen Brunnen aufstellen“, freut sich Bernd Hartmann, dass sich dieser Standort zum Feiern eignet und auch eine gewisse Aufmerksamkeit garantieren wird. Zuerst wird der mobile Raum jedoch am Schlinser Schulplatz aufgebaut, wo er bei der Jubiläumsfeier am 31. Mai ausgiebig gefeiert wird.

Geschichten und Geschichte

Längerfristig gibt es noch weitere Pläne. Die traditionelle Zunftlade, welche einst in den Wirren nach dem 2. Weltkrieg verloren ging, wird nämlich durch vorerst acht Zunftboxen aus Schwarzstahl ersetzt. Diese lagern auf Stelen aus unterschiedlichen Baumaterialien wie etwa Stein, Beton, Holz, Lehm und Metall vor Gebäuden, die früher für das Handwerk von Bedeutung waren. Wer die Boxen öffnet, kann einen Blick in die Vergangenheit werfen und erfährt mehr darüber, was genau an diesem Ort hergestellt wurde und wer daran beteiligt war. Im Zusammenspiel mit informativen Plaketten, die direkt an Häusern mit Geschichte angebracht werden, soll unter dem Motto „Vom Handwerk des Mittelalters bis zur dualen Ausbildung“ bis Herbst ein unterhaltsamer und informativer Spazierweg durch die Ortszentren von Schlins und Röns entstehen. 

In solchen Zunftboxen, die – auf Stelen gelagert – in Schlins und Röns verteilt sind, wird künftig einiges über die Geschichte des Handwerks und der Zunft nachzulesen sein.

Eine der Zunftboxen erzählt etwa von einem sehr prominenten Zunftmitglied, dem „Schliser Männle“.  So wurde Wagnermeister Hermann Dörn (1897 – 1981) genannt, der im Hinterzimmer des von seinem Bruder geführten Gasthof Hirschen als „Wunderdoktor“ praktizierte. Für seine Behandlungen nahm er keinerlei Geld entgegen, weil er sie als „Gabe von oben“ sah. Von weitum pilgerten die Menschen mit ihren Wehwehchen zu ihm. Aber auch die Schlinser Mühlen oder die Auswirkungen, welche der Bau der ersten Fabrik auf das Dorfleben hatte, werden auf diesem künftigen „Lehrpfad“ thematisiert. 

Bereits gedruckt ist ein grafisch ansprechend gestaltetes Buch über die Geschichte der Handwerkerzunft. „Wir haben uns bewusst kurz gehalten“, erklärt Zunftmeister Hartmann, „es gibt ja schon ein umfangreiches Dorfbuch, in dem auch einiges über das Schlinser Wirtschaftsleben nachzulesen ist.“ Rund 70 Seiten sind es trotzdem geworden, welche der Schlinser Historiker Dr. Dieter Petras recherchiert hat. Der möchte langfristig sogar noch mehr über die Wirtschaftsgeschichte der Region herausfinden und freut sich über weitere Erinnerungen und Informationen. Wer also historische Bilder oder Dokumente besitzt, welche in Zusammenhang mit der Geschichte der Handwerkerzunft stehen, kann sich gerne an den Historiker wenden. Er ist auch bei der Entzifferung des Inhalts behilflich.  

Und zu guter Letzt hat der traditionsreiche Verein die Gelegenheit genutzt, die Zunft-Homepage einem Relaunch zu unterziehen. Sie präsentiert sich nun ebenfalls in einem modernen Design. 

Zum großen Jubiläumsfest am Samstag, 31. Mai sind Interessierte herzlich willkommen. Ab 16 Uhr ist Einlass auf dem Volksschulplatz in Schlins, um 17 Uhr beginnt der feierliche Festakt mit Fahneneinzug, musikalisch begleitet von den Röser Sümpfonikern. Ab 18 Uhr eröffnet die Gemeindemusik Schlins den zünftigen Hock , der dann mit der Partyband „Saitensprung“ ab 20 Uhr  in die zweite Runde geht. 

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