Vor allem der Verlust eines geliebten Menschen hinterlässt in der Seele der Hinterbliebenen oft tiefe Spuren. Nach außen hin werden diese meist recht erfolgreich verdrängt. Rückenschmerzen, Verspannungen oder Atemnot, die Jahre später auftreten, werden kaum einmal mit der Vergangenheit in Verbindung gebracht. Als Heilmasseurin und psychosoziale Beraterin hat sich Theresia Egger-Hartmann zum Ziel gesetzt, den Ursachen solcher Beschwerden auf den Grund zu gehen.
FOTOS: TM-HECHENBERGER
Theresia Egger-Hartmann weiß, was Trauer bedeutet. Als Dreizehnjährige musste sie von heute auf morgen den Tod des großen Bruders verkraften. Der zehn Jahre Ältere war mit dem Motorrad in den Bergen verunglückt, ein Schock für die ganze Familie. „Wenn man dann in der Kirche in der ersten Reihe sitzt – da steckt so viel Wut dahinter,“ erinnert sich Theresia Egger-Hartmann noch ganz genau. Wut, die das Mädchen damals nach Kräften unterdrückte. Sie wollte die Eltern und Großeltern nicht zusätzlich belasten, riss sich zusammen, hat den Schmerz mit sich allein ausgemacht und „wurde schnell erwachsen.“ „So geht es den meisten Menschen“, hat Theresia Egger-Hartmann vielfach beobachtet. „Man funktioniert einfach und macht weiter.” Doch es gibt einfachere Wege, die Narben der Seele lassen sich nicht so einfach ignorieren. Das weiß die junge Frau heute.
Dass sie in ihrem Beruf in Kontakt mit Menschen sein wollte, war für Theresia Egger-Hartmann immer klar. Schon als kleines Mädchen musste man nicht lange nach ihr suchen, wenn sie für den Weg zum Kindergarten wieder einmal viel zu lange brauchte. Man fand sie zuverlässig im Altersheim gleich nebenan. Regelmäßig besuchte sie dort zwei ehemalige Nachbarn. „Ich habe den alten Leuten aus dem Viertel immer gerne zugehört und dabei viel mitgenommen”, blickt die Nenzingerin gerne auf diese Zeit zurück. Ihre ersten Ausbildungs- und Karriereschritte führten sie dann in die Tourismusbranche.
Doch das war Theresia Egger-Hartmann bald nicht nahe genug an den Menschen. Zwei Jahre verbrachte sie in Graz, um sich an der Fachschule Dr. Bergler zur medizinischen Heilmasseurin weiterzubilden. „Ich wohnte in einer kleinen Einzimmerwohnung und kannte niemanden. Schon allein deshalb habe ich mich für jeden Abendkurs eingeschrieben und alle angebotenen Fortbildungen gemacht,“ lacht sie. Die junge Frau lernte Tag und Nacht, freute sich, wenn sie auch an Kursen teilnehmen durfte, die eigentlich für jene gedacht waren, welche die Ausbildung bereits abgeschlossen hatten, und trat dann kurz vor der Geburt des ersten Sohnes hochschwanger zur Abschlussprüfung an. Bei ihrem Praktikum im Landeskrankenhaus Rankweil und auf der Onkologie riss sie sich um die „schweren Fälle“. Gerne erinnert sich Theresia Egger-Hartmann daran, dass sie die Schmerzen Schwerstkranker mit speziellen Massagetechniken lindern konnte. Doch nach ein paar Jahren in diesem Beruf war ihr auch das zu wenig. Sie wollte nicht länger nur Symptome behandeln, sondern die Ursachen für oft völlig unerklärliche Beschwerden aufspüren. Denn sie war längst überzeugt:
„Körperliche und seelische Schmerzen gehören zusammen.“
Eine Ausbildung zur psychosozialen Beraterin gab ihr weitere Werkzeuge in die Hand, um Menschen dabei zu unterstützen, ganz zu sich zu finden und ihr Leben zu genießen, anstatt nur zu „funktionieren“. Unter dem Motto „Spür di“ lädt sie seit 2020 in die eigene Praxis in der Bahnhofstraße in Nenzing ein. Tatkräftig unterstützt von der ganzen Familie, hat sie nämlich die ehemaligen Geschäftsräume des Metzgereibetriebs ihrer Eltern und Großeltern so umgebaut, dass sie dort Menschen, die ihre Unterstützung suchen, ein Wohlfühlambiente bieten kann. (Ärztlich verschriebene) Heilmassagen und die hawaiianische „Königs-Variante“ Lomi Lomi Nui sind nur ein Teil des Angebots. Außerdem bietet sich Theresia Egger-Hartmann als einfühlsame Gesprächspartnerin in herausfordernden Lebenssituationen an und deckt mit Systemischer Aufstellungsarbeit verborgenes Seelenleid auf.
Dabei stolpert die Nenzingerin immer wieder über Traumata, die durch den Verlust wichtiger Bezugspersonen entstanden sind. „Es lohnt sich, da hinzuschauen“, weiß sie aus eigener Erfahrung. Manche schämen sich, dass sie den Todesfall immer noch nicht verkraftet haben, und sind regelrecht dankbar, wenn sie die „Erlaubnis“ erhalten, auch nach vielen Jahren noch zu trauern. „Oft gebe ich ganz einfache Dinge mit“, erzählt die psychosoziale Beraterin. So fordert sie die Betroffenen etwa dazu auf, im Alltag darauf zu achten, wie oft sie den Atem anhalten oder die Zähne zusammenbeißen – und dann einmal richtig tief auszuatmen, alles rauszulassen. „Denn wenn uns etwas belastet, halten wir ganz automatisch die Luft an.“
Vielen fällt es schwer, über den Verlust zu sprechen. Da hilft es meist, dass Theresia Egger-Hartmann gut nachvollziehen kann, was die Betroffenen fühlen. „Ich bin einfach schon einen Schritt weiter“, macht sie ihren Gesprächspartnern Mut, am Thema dranzubleiben. Auch bekommt sie immer wieder mit, dass manche von ihren Mitmenschen in ihrem Leid ganz einfach nicht wahrgenommen werden. Weil sie nicht zu den direkten Angehörigen zählen oder vielleicht in letzter Zeit nicht mehr so viel Kontakt zum Verstorbenen hatten, kommt dem Umfeld schlicht gar nicht in den Sinn, dass diese den Verstorbenen ebenfalls vermissen. Aber auch direkt Betroffene beruhigen Freunde und Bekannte mit Worten wie „es geht schon“ und fressen das Leid in sich hinein. „Und das äußert sich dann irgendwann in körperlichen Beschwerden.“
Allgemein rät die umtriebige Heilmasseurin, mit Ratschlägen vorsichtig zu sein, wenn man mit Trauernden zu tun hat.
„Das gut gemeinte ‚er ist erlöst worden‘ will man in so einer Situation meist nicht hören.“
Sie selbst wird immer wieder darauf angesprochen, ob es sie nicht runter zieht, wenn sie so viele traurige Geschichten mitbekommt. Doch Theresia Egger-Hartmann hat gelernt, damit umzugehen. „Es gibt Momente, die mich sehr berühren, aber ich nehme sie nicht mit.” Der Tod gehört für sie ganz selbstverständlich zum Leben dazu. Und das möchte sie auch ihren Buben mitgeben. Sie selbst blieb oft mit unguten Gefühlen zurück, wenn sie in der Kindheit mit den Worten „Für das bist du noch zu jung” abgespeist wurde. Deshalb nimmt sie ihre Kinder regelmäßig mit, wenn sie Menschen im Altersheim besucht, und versucht, den Sieben- bis Elfjährigen Krankheit und Tod zu erklären. „Man meint oft, Kinder schützen zu müssen“. Theresia Egger-Hartmann hält von dieser Praxis wenig. Stattdessen plädiert sie für einen ganz normalen Umgang mit Krankheit und Tod. „Humor ist wichtig“, versucht sie, allem auch etwas Positives abzugewinnen.