Universum im Gamperdonatal

„Ich schaue mir die Universum-Filme gerne an. Aber noch schöner ist es, die unberührte Natur vor der Haustüre live zu erleben”, versichert Josef Beck. Der selbstständige Elektrotechniker ist Hegeobmann der Wildregion Gamperdonatal, die auf über 10.000 Hektar Fläche „Verantwortung  für den Erhalt der Lebensräume für Mensch, Tier und Pflanzen wahrnimmt”.

FOTOS: MANUEL NARDIN, TM-HECHENBERGER

Diese Verantwortung wahrzunehmen, wie es im Leitbild der Agrargemeinschaft Nenzing festgeschrieben steht, ist „nicht immer ganz einfach”, wie Geschäftsführer DI Siegbert Terzer betont. Schließlich gilt es, auf dieser Riesenfläche vom Dorf bis zum Panülerkopf mit 2.859 Metern Höhe die unterschiedlichsten Interessen unter einen Hut zu bringen.

Wanderer und Freizeitsportler wollen sich in der Natur möglichst uneingeschränkt bewegen, Landwirte ihr Vieh auf den Alpen sömmern, Waldbesitzer Holz ernten. Die Agrargemeinschaft versucht, das alles möglich zu machen: 200 Kilometer an Wanderwegen sind inzwischen angelegt, rund 40 Kilometer Mountainbikerouten. Diese müssen erhalten und gewartet werden.

Die Wege dienen dabei nicht nur der Orientierung und Sicher­heit ihrer Benutzer. „Mit den befestigten Wander- und Bikerouten kanalisieren wir auch die Besucherströme”, erklärt Siegbert Terzer. So kann man Lebensräume für Wildtiere schaffen, damit sie sich abseits der Wege ungestört entwickeln können. „Vorausgesetzt, es bleiben alle auf den Wegen”, ergänzt Terzer, und spricht dabei ein generelles Lob für die Naturgenießer im Gamperdonatal aus. „Im Großen und Ganzen funktioniert das wirklich sehr gut!” Die Agrar bemüht sich aber auch um dieses Klientel: Mit beträchtlichem Aufwand – an dem sich auch die Gemeinde, der Tourismus und die Jagdpächter beteiligten – hat sie den Höhenweg zum Amatschonjoch auf einer Länge von rund zwei Kilometern verlegt. Die neue Route bietet dem aufmerksamen Wanderer oft die Möglichkeit, das durch die Verlegung des Weges nun ungestörte Wild direkt zu beobachten.

Für gute Bedingungen der Landwirtschaft im Gamperdonatal zu sorgen, ist ein weiteres Ziel der Agrargemeinschaft Nenzing, welcher ungefähr 250 (Grundeigentümer als) Mitglieder angehören. Auf 1.900 Hektar wird im Sommer Alpwirtschaft betrieben: Und zwar am „hintersten Ende” des Gamperdonatales, dem „Nenzinger Himmel”. Etwa 1.000 Stück Alpvieh werden hier in jeder Saison gehalten, wobei etwa 140 Kühe im Weidegebiet der Alpe Gamperdona verbleiben, etwa 900 Rinder werden auf den Hochalpen Setsch, Panül, Güfel und Vermales betreut. Täglich werden 3.000 Liter Milch zu Joghurt, Butter und Käse verarbeitet. Zu den wichtigsten Aufgaben der Agrargemeinschaft gehört die Pflege des Waldes, der eine Fläche von insgesamt 2.950 Hektar einnimmt. Besondere Aufmerksamkeit gilt den Schutzwäldern, damit Hangrutschungen, Steinschlag oder Lawinen bestmöglich vermieden werden können. In den letzten 25 Jahren wurden für die Verjüngung und Erweiterung der Schutzwälder rund eine halbe Million Pflanzen aufgeforstet.

 

WILD UND JAGD IM GAMPERDONATAL

Die Wildregion Gamperdonatal umfasst 10.650 Hektar Fläche, davon 5.500 ha Wald
Schalenwild: Rotwild, Gamswild, Steinwild, Rehwild; Rotwildbestand: 400 Stück
andere Wildarten: Hase, Birkhuhn, Schneehuhn, Haselhuhn, Murmeltier, Wasserwild
Beutegreifer: Luchs, Fuchs, Dachs, Marder
Abschuss/Jahr: 170 Stück Rotwild, 70 Stück Gamswild, 110 Rehe

„Obacht” gibt man natürlich auch auf die übrigen Wälder. Um Schäden zu vermeiden, mussten heuer wegen des Eschentriebsterbens fast alle Eschen aus den Wäldern entfernt werden. Mit Hilfe von Lehrlingen der Nenzinger Baufirma Tomaselli Gabriel (Firmenchef DI Philipp Tomaselli ist übrigens engagiertes Mitglied im Agrar-Ausschuss) wurden rund vier Hektar neu aufgeforstet.

Aus den Ertragswäldern können jährlich und nachhaltig gut 8.000 Festmeter Holz geschlagen und als Nutz- und Brennholz verwertet werden. Der Holzeinschlag ist eine wichtige Einnahmequelle für die Eigentümergemeinschaft. Das Team mit Förster Ing. Thomas Walter und den Forstfacharbeitern unter Marzellin Tiefenthaler deckt damit etwa ein Drittel des jährlichen Budgets ab. Ein weiteres Drittel kommt über die Verpachtung von Agrar-Gründen für Nenzinger Betriebe. Das restliche Drittel der jährlichen Einnahmen leisten Förderungen, die Pächter der insgesamt elf Jagdgebiete und diverse Nebeneinnahmen.

Die Jagd einige Rechte und viel Pflichten

Die Jagdpächter zahlen also beträchtliche Mittel für das Recht zur Jagd in ihrem Revier – und „handeln” sich damit auch eine Reihe von Pflichten ein. Ihnen obliegt die fachgerechte Bejagung des gesamten Gebietes. Damit kommt ihnen bei der Pflege der Wälder eine besondere Bedeutung zu. Rund 800 Hektar Wald sind als siedlungsnaher Schutzwald definiert. Jeglicher Verbiss der jungen „Schutzwaldbäume” muss hier im Interesse der Sicherheit von Menschen verhindert werden, weshalb diese Zonen gänzlich wildfrei gehalten werden: Die Tiere „merken” sich übrigens diese „Todeszonen” und meiden sie vorsorglich.

Die Jäger sorgen darüber hinaus im gesamten Revier für ein Gleichgewicht im Wildbestand: Mit der Jagd werden Wildbestände reduziert, ohne sie zu gefährden. Zu viel Wild würde zu starkem Verbiss junger Bäume, und damit zu einer Gefährdung des Waldbestandes führen. Wildfütterungen – die mit beträchtlichem Arbeits- und Finanzaufwand im Winter durchgeführt werden – dienen ebenfalls der Vorsorge gegen Wildverbiss. Die Wildfütterung ist in den letzten Jahren reduziert worden, die Fütterung ist aber auch zukünftig sinnvoll und notwendig: Man bewahrt damit viele Tiere vor dem Hungertod. Die Jagdpächter können für die Bewältigung der jagdlichen Pflichten auf die Unterstützung durch 15 nebenberufliche Jagdaufsichtsorgane und zwei Berufsjäger zählen – die dafür vom Jagdherren natürlich auch entlohnt werden. 

Einer der Berufsjäger ist Manuel Nardin. Seit 8 Jahren arbeitet er für die Jagd im Gamperdonatal, kennt sein Revier „in- und auswendig”. Der gebürtige Bregenzerwälder ist begeistert von der Zusammenarbeit aller Beteiligten im gesamten Bereich der Agrargemeinschaft Nenzing. „Man hilft einander und wirklich alle ziehen an einem Strang!”

Luchsfamilie mit beträchtlichem Appetit

So ist im Lebensraum Gamperdonatal auch Platz für den Luchs, der hier seit wenigen Jahren lebt und gern geduldet wird. Dabei ist der Hunger einer Luchsfamilie beträchtlich,  braucht ein erwachsenes Tier doch rund 60 Beutetiere von der Größe eines Rehwildes pro Jahr. Die im Gamperdonatal angesiedelte Luchsfamilie besteht aus einem „Kuder” (männlich) einer „Kätzin” mit zwei bis vier Jungen jährlich. Der Nachwuchs muss jeweils das Weite suchen, wenn er groß genug ist. Was diese Luchsfamilie über das Jahr vertilgt, kann sich – etwa im Vergleich mit dem Abschuss aller Jäger zusammengenommen (Factbox Seite 71) – durchaus sehen lassen. 

Weil der Luchs sein Revier aber großräumig ansetzt und keine Artgenossen duldet, können alle Beteiligten mit dieser Konkurrenz leben. Der Wolf dagegen, der in Rudeln von bis zu 15 Tieren jagt und ungleich größeren Hunger hat, würde ein massives Problem für den Wildbestand und vor allem die Alpwirtschaft darstellen. „Bis jetzt wurden aber nur die Spuren einzelner Wölfe gesichtet, die hier durchgekommen sind”, zeigt sich Nardin erleichtert.

Das Gamperdonatal soll schließlich auch in Zukunft allen Naturfreunden als „Universum vor der Haustüre” erhalten bleiben.

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