Sein im Vorstellungsgespräch erklärtes Ziel, einen Umsatz von 50 Millionen Schilling zu erwirtschaften, wurde von Hans Beckhoff als „ein bisschen übertrieben” eher belächelt. Dennoch vertraute der Firmeneigner dem ambitionierten Nüziger Armin Pehlivan. Eine gute Entscheidung. Derzeit wird in Bürs das neue Beckhoff-Headquarter Österreich errichtet. Investitionssumme: Zwanzig Millionen Euro – 275 Millionen Schilling.
FOTOS: TM-HECHENBERGER
Wenn Armin Pehlivan aus dem Fenster seines Büros in der Lünerseefabrik schaut, genießt er eine spannende Aussicht. Er kann jeden Tag beobachten, wie die neue Österreich-Zentrale des international tätigen Automatisierungsspezialisten Beckhoff in die Höhe wächst. In gut einem Jahr steht der Umzug an.
Rückblende: Vor 27 Jahren suchte der bis dato erfolgreiche Vertriebschef der Bachmann Electronic in Feldkirch eine neue berufliche Herausforderung. „Ich war gern bei Bachmann, das ist eine Top-Firma”, betont Pehlivan. Aber sein ganzes berufliches Leben wollte der damals 30-Jährige dort nicht verbringen. Als Kenner der Branche war ihm die Firma Beckhoff aus Verl bei Bielefeld mehrfach aufgefallen. Hans Beckhoff hatte 1980 den Familienbetrieb, ein kleines Elektrogeschäft, übernommen. Der studierte Physiker widmete sich erfolgreich der Idee, Steuerungstechnik „vom Schaltschrank in den Computer” zu bringen, und leistete dabei technische Pionierarbeit.
Armin Pehlivan traf Dipl.-Phys. Hans Beckhoff im Februar des Jahres 1997 auf neutralem Boden in der Schweiz. Er hatte dem Firmenchef vorgeschlagen, ihm die Bearbeitung des Marktes in Österreich anzuvertrauen. Mit seiner Einschätzung, dass in Österreich mit Beckhoff-Technologie langfristig ein Umsatz von 50 Millionen Schilling (3,6 Millionen Euro) möglich wäre, entlockte Pehlivan seinem Gesprächspartner ein sanftes Lächeln: Der ehrgeizige Nüziger mit den hohen Zielen war diesem aber offensichtlich sympathisch – und wurde sein Mann in Österreich.
In seiner Wohnung in Nüziders richtete sich Armin Pehlivan ein Büro ein und gab gleich einmal „Vollgas”. Er war in der ganzen Alpenrepublik unterwegs, um für Beckhoff-Technologie zu werben. Mit den ersten Mitarbeitern holte Pehlivan seinen Partner Michael Jäger als genialen Technikchef an Bord. Weil sich die (damals) großen Konkurrenten auf ihre großen Kunden konzentrierten, entschied Pehlivan, sich speziell um Klein- und Mittelbetriebe zu kümmern. Eine sehr gute Strategie, zumal diese ersten Kunden mit Beckhoff-Automation beste Soft- und Hardware für erfolgreiches Wirtschaften in die Hand bekamen.
Das Wachstum der Beckhoff Austria war enorm: Um nah beim Kunden zu sein, wurden Standorte in Wien, Salzburg, Tirol, der Steiermark und in Oberösterreich eröffnet. Die Österreich-Zentrale befindet sich im Lünerseepark in Bürs, wo man zum ursprünglich 200 Quadratmeter großen Büro sukzessive zusätzliche Flächen anmietete. Heute stehen dort für rund sechzig Mitarbeiter bereits gut tausend Quadratmeter zur Verfügung.
Gute Erinnerungen an die Lehrzeit
Für Armin Pehlivan ist die ehemalige Lünerseefabrik der Firma Getzner ein Gebäude mit besonderen Erinnerungen. Hier startete er als junger Bub bei Getzner seine Lehre als Elektriker. „Wir haben viel gelernt und es wurde auch viel gefordert. Das hat uns Lehrlingen aber nichts ausgemacht, weil immer eine gute, familiäre Atmosphäre herrschte und allen Mitarbeitern – auch uns Jungen – hohe Wertschätzung entgegengebracht wurde”, erinnert er sich gerne.
Diesen wertschätzenden Umgang mit den Mitarbeitern pflegen Pehlivan und Technikchef Jäger in ihren jetzigen Positionen nun ebenfalls. Das wird auch beim Rundgang durch die Räumlichkeiten klar. Da gibt es nicht nur bestens ausgestattete Arbeitsplätze und einen großzügigen Schulungsraum für die Mitarbeiter aus ganz Österreich, sondern auch Getränke- und Kaffeeautomaten, Billard- Eishockey- und Fußballtische. Beim Rundgang treffen wir auf Peter Burtscher, der in den Beckhoff-Büros für das Facility-Management zuständig ist. Er liegt gerade in der luxuriösen Massageliege und grüßt seine Chefs. Nicht etwa nervös wie ein gerade ertappter Faulenzer, sondern freundlich und völlig tiefenentspannt.
„Wir sind hier eine Familie”, erklärt Pehlivan. Jeder habe bei Beckhoff nicht nur seine Aufgaben, sondern auch die Freiheit, sich die Arbeit eigenverantwortlich einzuteilen. „Den Mitarbeitern zu vertrauen, dass sie das auch hinbekommen, ist eine Voraussetzung für das Gelingen und letztlich für den Unternehmenserfolg”, erklärt Pehlivan seine Philosophie. Dazu gehört auch eine großzügige Regelung der Arbeitszeiten: An Freitagen wird generell nur einmal pro Monat gearbeitet, ansonsten gilt hier eine Viertagewoche. Generell werden Mitarbeiter auch großzügig unterstützt, wenn sie etwa nebenberuflich ein Studium abschließen wollen – wie dies ja auch der inzwischen zum Kommerzialrat ernannte Armin Pehlivan an der Hochschule Vaduz getan hat.
Das angenehme Arbeitsumfeld und die flache, von Vertrauen geprägte Hierarchie gilt in ganz Österreich und regt die Mitarbeiter zu Höchstleistung bei Kundenbetreuung und Entwicklung an. Besonders stolz sind alle auf den modularen Industrieroboter-Baukasten ATRO.
Zwanzig Millionen werden investiert
Der ist federführend am Beckhoff-Standort in Wien entstanden und wird laufend weiterentwickelt. „Mit ATRO lässt sich für jede Anwendung – äußerst flexibel und nahtlos in die Standard-Steuerungstechnik integriert – die passende Roboterkinematik zusammenstellen”, schwärmt Technik-Freak Michael Jäger. Dass Hans Beckhoff seinerzeit mit seinem Vertrauen für Armin Pehlivan richtig lag, zeigt auch der aktuelle Neubau. Gut zwanzig Millionen Euro, die Beckhoff Österreich eigenständig erwirtschaftet und bis dato im „Sparkässele” geparkt hat, werden investiert. Ein Teil des fünfstöckigen Gebäudes samt zweier Tiefgaragenebenen wird vermietet. In den oberen drei Stockwerken werden es sich ab Ende nächsten Jahres die Beckhoff-Mitarbeiter „bequem machen”.
Beckhoff Österreich und International
Beckhoff realisiert offene Automatisierungssysteme auf der Grundlage PC-basierter Steuerungstechnik. Das Produktspektrum umfasst die Hauptbereiche Industrie-PC, I/O- und Feldbuskomponenten, Antriebstechnik, Automatisierungssoftware, schaltschranklose Automatisierung sowie Hardware zur industriellen Bildverarbeitung.
Umsatz weltweit: 1,75 Milliarden Euro
Mitarbeiter weltweit: 5.500
Umsatz Österreich: 72 Millionen Euro
Mitarbeiter Österreich: 65
Headquarter Österreich: Bürs