Riesenandrang herrschte vor wenigen Wochen im Tiroler Kühtai in den Stubaier Alpen: Das Interesse galt dem Ort mit seinen 31 Einwohnern aber (ausnahmsweise) nicht, weil es der höchstgelegene Wintersportort Österreichs ist. Die „Tiroler Wasserkraft AG“ (TIWAG) lud am 14. Juni vielmehr zur Besichtigung der Baustelle zum Kraftwerksprojekt Kühtai. Unter den rund 7.000 Besuchern war auch eine Abordnung der Nüziger Firma Wagner: Sie ist maßgeblich an diesem technisch und finanziell gewaltigen Projekt beteiligt.
FOTOS: FA. WAGNER, TIWAG/DRONEPROJECT, TM-HECHENBERGER
Fast zwanzig Jahre nach Beginn der Planungen (Oktober 2006), fünf Jahre nach der Baugenehmigung (Juni 2020) und vier Jahre nach dem Start der Bauarbeiten (April 2021) lud die TIWAG alle Interessierten zu einem „Tag der offenen Baustelle“. Das Interesse an den Eintrittskarten, die zwar gratis, aber nur gegen Voranmeldung erhältlich waren, sprengte alle Erwartungen: Schon Tage vor dem Ereignis war die für eine reibungslose Organisation festgelegte Maximalzahl von 7.000 Besuchern erreicht.
Gewaltige Eingriffe in die Natur
Für seine Mitarbeiter und (Geschäfts-)freunde hatte der Chef des speziell auch im Kraftwerksbau gefragten Installateurs und Anlagenbauers „Wagner GmbH“ schon früh genug reserviert. „Wir werden sehen, dass Wasserkraft zwar eine erneuerbare Energie ist, dass die Errichtung von Stauseen andererseits aber auch mit großen Eingriffen in die Natur verbunden ist“, erklärte Martin Wagner seinen Gästen bei der Busfahrt nach Kühtai, etwa dreißig Kilometer westlich von Innsbruck und mehr als 2.000 Meter hoch gelegen.
1,15 Milliarden Euro investieren die TIWAG in dieses Projekt, mit dem die bestehende Kraftwerksgruppe Sellrain-Silz erweitert wird: Mit einem neuen Staubecken, zusätzlicher Wassereinspeisung über einen 25 Kilometer langen neuen Stollen und einem neuen Pumpspeicherkraftwerk am Fuße des Staubeckens kann die jährliche Stromproduktion der Kraftwerksgruppe um 216 Millionen Kilowattstunden auf 747 Millionen Kilowattstunden erhöht werden. Dass dies bereits im Juni 2026 der Fall sein soll, das erschien den meisten Besuchern beim Tag der offenen Baustelle ein Jahr davor kaum möglich, obwohl auf dem inzwischen auf rund 60 Meter Höhe angewachsenen Staudamm einige imposante Baumaschinen ausgestellt waren, mit denen hier gearbeitet wird. 100-Tonnen-Muldenkipper, Radlader mit 5-Kubik-Schaufeln, gewaltige Raupenbagger und mächtige Bulldozer durften bestaunt und sogar beklettert werden. Man kann sich schon vorstellen, dass mit diesen Baumonstern einiges vorwärtsgeht. Für den künftigen Stausee Kühtai werden aber noch immer gewaltige Gesteinsmassen ausgehoben beziehungsweise ausgebrochen, damit er das angepeilte Speichervolumen von 31 Millionen Kubikmeter Wasser bieten kann.
113 Meter hohe Staumauer
Die Staumauer ist am Fuß 513 Meter breit und wird im Endausbau 113 Meter hoch sein. Insgesamt 6,9 Millionen Kubikmeter Gestein werden in diesem Damm verbaut. Das gesamte Schüttmaterial stammt aus dem Ausbruch für das Staubecken und dem mehr als 25 Kilometer langen Stollen mit 4,5 Metern Durchmesser, der Wasser aus dem Ötztal und dem hinteren Stubaital in den Stausee bringt. Dieser Tunnel wird übrigens in einer Arbeitsgemeinschaft mit Swietelsky maßgeblich auch von der Bludenzer Firma Jäger errichtet: Noch heuer soll der im April 2022 „angebohrte“ Stollen fertiggestellt sein. Ebenfalls im Damm verbaut wurden die rund 80.000 Kubikmeter Gestein, die für das neue Kraftwerk am Fuße des Speichersees herausgesprengt und ausgebrochen wurden. Beim Tag der offenen Baustelle durften auch diese „heiligen Hallen“ betreten werden. Bis zu vierzig Meter hoch und zwanzig Meter breit ist die Kaverne, in der die gesamte Technik verbaut wird.
Das Herz des Kraftwerks sind die beiden reversiblen Pumpturbinen: Wenn Strom gebraucht wird, fließt Wasser vom oberen Speicher Finstertal in den neuen Speicher Kühtai, wobei die Turbine den stromerzeugenden Generator antreibt.
Ist im international verbundenen Netz zu viel Strom (bei viel Sonneneinstrahlung und Wind) wird die Drehrichtung umgekehrt und das Wasser vom unteren Speicher wieder in den Finstersee hinaufgepumpt: Dort verbleibt es, bis wieder Strom gebraucht wird.
In der riesigen Kraftwerkshalle ist auch das Team Wagner seit August 2023 mit durchschnittlich sieben Mann im Einsatz. Zwei Konstrukteure und sechs Vorfertiger sowie Schweißer unterstützen den Baustellen-Trupp vom Werk in Nüziders aus. Die Walgauer Anlagenbauer sind primär dafür verantwortlich, dass die Kühlung der Anlage funktioniert: Und zwar vom ersten Anlaufen der beiden Turbinen und Generatoren (im Juni 2026) weg, und dann viele Jahrzehnte lang.
Es gibt in Österreich nicht viele Firmen, die sich an so eine Aufgabe herantrauen. Bis zu 90 Kubikmeter Wasser pro Sekunde treiben die tonnenschweren Francisturbinen beziehungsweise den angeschlossenen Generator auf bis zu 900 Umdrehungen pro Sekunde an. Die dabei entstehende Wärmeenergie muss über ein ausgeklügeltes und hochpräzise arbeitendes System mit speziellen Wärmetauschern abgeleitet werden. Ein Ausfall der Kühlung hätte innerhalb von wenigen Minuten verheerende Konsequenzen: Das System ist daher mehrfach abgesichert.
Neben der Kühlung ist Wagner auch mit der Installation der Druckluftversorgung betraut. Insgesamt werden von der Wagner-Truppe rund 9.000 Meter Rohrleitungen verlegt. Diese werden im Werk Nüziders pass- und millimetergenau vorbereitet und per Lkw zur Montage auf die Baustelle gebracht.
Viel Lob für die Wagner-Truppe

Beim Gang durch die Kaverne sind die sauber an den Wänden verlegten Edelstahlrohre jeglichen Durchmessers überall zu sehen. Und natürlich warfen Martin Wagner und sein Projektleiter sowie Teamleiter Anlagenbau, Toni Mündle, auch einen Blick darauf. „Saubere Arbeit“, bestätigten sie, dass ihre Burschen, die hier schon seit gut einem Jahr am Werk und deswegen normalerweise nur am Wochenende im Ländle sind, gute Arbeit leisten.
„Das ist schon nicht immer einfach“, berichtete Obermonteur Alexander Wehinger, der andererseits die kameradschaftliche Zusammenarbeit auch mit anderen Teams und natürlich den finanziellen Extrabonus für den „Auslandseinsatz“ sehr positiv erlebt. Er hatte es sich deshalb nicht nehmen lassen, an seinem freien Wochenende die Busfahrt zur Baustelle mitzumachen. „Es ist ja etwas ganz Besonderes, dass wir mit unserer Arbeit zum Gelingen dieses gewaltigen Kraftwerksbaus beitragen dürfen!“
Sein spürbarer Stolz erfuhr noch einmal eine Steigerung, als Martin Wagner und Toni Mündle auf TIWAG-Mann Andreas Winkler trafen. Der Bauleiter für den Anlagenbau des Kraftwerks ist nämlich voll des Lobes: „Bei diesem Bauprojekt sind ausschließlich Spezialisten am Werk, aber die Mitarbeiter der Firma Wagner gehören absolut zu den Allerbesten“, bestätigte er mehrfach. Über diese wertschätzenden Worte freute sich auch Fabian Schmid, der als Bauleiter Büro vor Ort eine wichtige Schlüsselfunktion im Austausch zwischen Nüziders und Kühtai erfüllt.
Die Laune war nach vier Stunden Rundgang durch die Baustelle und in die beeindruckende Kraftwerkskaverne dementsprechend bestens. Nach einer kleinen Jause ging es zurück ins Ländle, wo am Firmenstandort in Nüziders eine Nachbesprechung angesagt war. Dem Vernehmen nach soll noch eine ganze Weile gefeiert worden sein!
