Zeichnerin Susi Weigel

Als sie 1990 verstarb, wusste kaum jemand in Bludenz, dass „Frau Mair, die regelmäßig ihren Hund ausführte”, das „kleine Ich bin Ich” und andere Figuren geschaffen hatte, welche Generationen von Kindern auf der ganzen Welt begleiteten und dies immer noch tun. Unter ihrem Mädchennamen Susi Weigel hat Susanne Mair unzählige Bücher illustriert, aber auch Wandmalereien und Werbegrafiken geschaffen. Ihr Nachlass wurde Ende letzten Jahres ans vorarlberg museum übergeben.

FOTOS: BIRGIT KÖHLMEIER/LANDESMUSEUM, TM-HECHENBERGER, KATALOG ZUR MIRA LOBE/SUSI WEIGEL-AUSSTELLUNG IM WIEN MUSEUM

Susi Weigel kurz vor ihrem Tod in der Bludenzer Wohnung.

Sieglinde Bernegger hat Susi Weigel nie persönlich kennengelernt. Trotzdem fühlt sie sich mit der Zeichnerin intensiv verbunden und bemüht sich seit vielen Jahren darum, dass deren kreative Leistung mehr Beachtung findet. Denn während Mira Lobe auch heute noch ein Begriff ist, kennen nur Eingeweihte den Namen der zweiten „Mutter” des „Kleinen Ich bin Ich”, der „Geggis”, der „Lollo”, des „Bärli Hupf”, des „Bimbulli”, des „Riesen Bumbum”, der „Omama im Apfelbaum” und vieler anderer fantasievoller, bunter Gestalten, die sich in den Büchern von Mira Lobe und Susi Weigel tummeln. „Völlig unerwartet” erbte Sieglinde Bernegger vor gut 15 Jahren rund 1700 Skizzen, Illustrationen, Fotoalben, Postkarten, Briefe, Karikaturen, Zeugnisse, Bücher und Figuren, die Susi Weigel nach ihrem Tod hinterlassen hatte. Sieglinde Berneggers damaliger Lebensgefährte, der Bludenzer Heinrich Mair, war nämlich von 1952 bis zu Susi Weigels Tod 1990 mit der kreativen Illustratorin verheiratet.

„Mir ist das Menschliche näher als jeder Titel”

Im Aufrag der Firma Suchard (heute Mondelez) gestaltete Susi Weigel Schokolade-Verpackungen.

Susi Weigel lebte in diesen 38 Jahren für kurze Zeit in Langen am Arlberg und dann in Bludenz. „Aber nicht einmal ihre Nachbarn wussten, dass sie zeichnete und damit sehr erfolgreich war”, kann es Sieglinde Bernegger nicht fassen. Schließlich hat Susi Weigel insgesamt rund 60 Kinderbücher bebildert, elf Jahre lang in Berlin als Trickfilmzeichnerin unter anderem „Peterchens Mondfahrt” illustriert, in der Volksschule Klösterle ein neun Meter langes Wandbild geschaffen und Schleifen für die in Bludenz so beliebte Milka-Schokolade entworfen. Sie erhielt mehrfach Auszeichnungen, 1986 wurde ihr der Berufstitel Professor verliehen. 

In der Volksschule Klösterle ist heute noch ein neun Meter langes Wandbild zu sehen, auf dem Susi Weigel die Geschichte des Klostertals darstellte.

In einem Interview ein Jahr später wird sie allerdings so zitiert: „[…] Frau Professor? Ach nein, wissen Sie, ich lege auf Titel keinen großen Wert. Mir ist das Menschliche näher als jeder Titel […].” 

Dies untermauert die Einschätzung sämtlicher Biographen und Zeitzeugen, dass die Künstlerin ein sehr bescheidener Mensch war und äußerst zurückgezogen lebte. 

Vielseitig kreatives Schaffen 

Susi Weigels Eltern betrieben das Café Koralle in Wien, für das sie die Gasträume mit Wandmalereien und natürlich auch das Plakat zur Eröffnung 1948 gestaltete.

Susi Weigel wurde 1914 in Mähren geboren. Die Familie übersiedelte nach Wien, wo die begabte Tochter später an der Hochschule für angewandte Kunst und an der Akademie der bildenden Künste studierte und einige Zeit als Illustratorin arbeitete. Danach ging sie für elf Jahre nach Berlin, um für die Tobias Filmkunst GmbH und die Degeto Kulturfilm GmbH zu zeichnen. 

 

 

 

 

 

Für die Kinder-Zeitschrift der KPÖ, „Unsere Zeitung”, entwarf Susi Weigel zahlreiche Covers. Dieses hier zeigt den kleinen Afrikaner Sambo, dessen Abenteuer die jungen Leser als Fortsetzungsgeschichte verfolgen konnten.

Obwohl sie damit während des Dritten Reichs bei einer Tochtergesellschaft der von den Nazis übernommenen UFA beschäftigt war, wurde ihr immer eine antifaschistische Grundhaltung bestätigt. Susi Weigel war nie Mitglied der Nationalsozialistischen Partei und konnte deshalb nach dem Krieg unbehelligt weiterarbeiten. Susi Weigel kehrte nach Österreich zurück und heuerte bei „Unsere Zeitung”, einer sehr erfolgreichen Kinder-Zeitschrift, die vom kommunistischen Globus Verlag herausgegeben wurde, an. Dort lernte sie die Autorin Mira Lobe kennen, mit der sie über viele Jahre bei der UZ und in eigenen Projekten sehr erfolgreich und eng zusammenarbeitete. Ihre gemeinsamen Werke wurden sogar unter dem Titel „Mira-Susi-Bücher” vermarktet. 

 

 

Enge Zusammenarbeit mit Mira Lobe 

Das Bimbulli kann aus einem „Stofffetzerl” nachgebastelt werden. Susi Weigel zeichnete auch eine genaue Anleitung dazu.

Als Susi Weigel beim Schifahren Heinrich Mair kennenlernte, heiratete und zu ihm nach Bludenz zog, entspann sich ein reger Briefwechsel, in dem sämtliche Details zwischen Autorin und Illustratorin genau abgesprochen wurden. Mira Lobe und Susi Weigel schickten Skizzen, Manuskripte, Änderungswünsche, aber auch ganze Layouts über den Arlberg. Sie diskutierten über Farben, Formulierungen, die Platzierung von Text und Grafik,… Regelmäßig trafen sich die beiden dazu auch persönlich. Mira Lobe schrieb in einem ihrer Briefe an Susi Weigel: „Eigentlich müssten uns alle Verleger auf Knien danken, finde ich – für unsere P-S. Das heißt weder Post scriptum noch Pferde-Stärke, sondern Plan-Sorgfalt und ist unser Geheimnis – ich meine unser Erfolgsgeheimnis.”

Insgesamt schufen die beiden 45 Kinderbücher, darunter zahlreiche Klassiker, die bis heute verlegt werden und inzwischen in insgesamt rund 60 verschiedene Sprachen übersetzt wurden. Das berühmteste davon ist sicherlich „Das kleine Ich bin Ich”.

Verwirrte Kinderfrau lieferte die Idee

Die Entstehung dieser Geschichte hat Susi Weigel selbst einmal bei einer ihrer seltenen Lesungen geschildert. Die Idee zum Buch beruht nämlich auf ihren eigenen Erfahrungen. Sie hatte einst eine Kinderfrau, die ihr sehr ans Herz gewachsen war. Im hohen Alter wurde diese zunehmend verwirrt. Sie habe immer wieder gefragt: „Wer bin ich? – Ich bin ich?” Dieses Erlebnis ließ die Künstlerin lange Zeit nicht los. „Mir ist plötzlich bewusst geworden, dass es Kindern ähnlich geht. Sie sind auf der Suche nach der eigenen Identität”, soll sie damals erzählt haben. Mira Lobe und Susi Weigel verarbeiteten diesen Gedanken schließlich zur Geschichte vom karierten Tierchen mit den Stummelbeinen und den blauen Ponyfransen, die 1972 erstmals erschienen und heute noch in vielen Kinderzimmern auf der ganzen Welt zu finden ist. 

Mira Lobe erhielt übrigens für dieses Buch den Österreichischen Staatspreis, Susi Weigel nicht. So war es der Zeichnerin aber nicht zum ersten Mal ergangen. Mira Lobe wurde etwa bereits 1958 für das gemeinsame Werk „Titi im Urwald” oder 1964 für „Die Omama im Apfelbaum”, aber auch andere „Mira-Susi-Bücher” ausgezeichnet.

 

 

 

Erwachendes Interesse

„Mira Lobe hat sich wohl einfach besser zu verkaufen gewusst”, spekuliert Sieglinde Bernegger über die Hintergründe. Ihr war jedenfalls immer bewusst, dass sie dem Erbe von Susi Weigel verpflichtet ist. Es war und ist ihr ein großes Anliegen, dass die Illustratorin der Nachwelt in Erinnerung bleibt. 

Ihre Freude war deshalb riesig, als sich die Leiterin des Frauenmuseums in Hittisau, Stefania Pitscheider Soraperra, vor einigen Jahren für den Nachlass von Susi Weigel interessierte und 2010 eine – sehr erfolgreiche – Ausstellung organisierte. Diese brachte einen Stein ins Rollen. Es folgten 2011 eine Ausstellung in der Remise Bludenz sowie große Mira Lobe / Susi Weigel Schauen im Wien Museum (2014/15) und im vorarlberg museum (2015/16). 

Heute ruht Susi Weigel in einem Ehrengrab auf dem Bludenzer Stadtfriedhof. Außerdem hat die Stadt Bludenz den 2013 eröffneten Susi Weigel-Kindergarten nach der kreativen Kinderbuch-Illustratorin benannt. Dort schaut Sieglinde Bernegger regelmäßig vorbei. Anlässlich des 100. Geburtstags der Illustratorin lud sie den ganzen Kindergarten zum Besuch eines Puppentheaters vom „Kleinen Ich bin Ich” nach Götzis ein.

Schenkung ans vorarlberg museum 

Die Leiterin der Sammlung des vorarlberg museums, Mag. Ute Denkenberger, und die Nachlass-Verwalterin Sieglinde Bernegger im Archiv

Da sie aber selbst keine Kinder hat, wollte Sieglinde Bern­egger sichergehen, dass Susi Weigels Werke nicht verloren gehen und nicht in einem Keller oder einer Schublade verstauben. Ende November hat sie deshalb den gesamten Nachlass ans vorarlberg museum übergeben. Die Zeichnungen und Dokumente werden dort archiviert, in einer Datenbank erfasst und unter optimalen Bedingungen verwahrt. In den nächsten Jahren sollen sie eventuell als Basis für eine Publikation über Susi Weigel und deren Schaffen dienen. 

Die Leiterin des Depots, Mag. Ute Denkenberger, freut sich nämlich, dass die „schwungvollen, witzigen und oftmals frechen Zeichnungen nicht nur das umfangreiche Werk der Künstlerin gut sichtbar machen, sondern außerdem einen Einblick in ihre Persönlichkeit geben.” Sie ist der Ansicht, dass Susi Weigel nicht nur als Künstlerin ein Denkmal gesetzt werden sollte. „Ihre Arbeit und Karriere wären auch für die feministische Forschung sehr interessant.” 

Ende Jänner wäre die vielseitige Künstlerin 105 Jahre alt geworden. 

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