„Ich habe mich noch nie so frei gefühlt“, begeistert sich Christian Mair. Seit Mitte letzten Jahres widmet er sich voll und ganz seiner großen Leidenschaft, dem Puppenspiel. Im Haus Habakuk mitten in der Bludenzer Altstadt lässt er die Welt von Arminio Rothstein, der über Jahrzehnte das Kinderfernsehen des ORF geprägt hat, wieder auferstehen.
FOTOS: TM-HECHENBERGER, HANDOUT
Christian Mair ist in einer Großfamilie in Osttirol aufgewachsen. Zu seinen liebsten Kindheitserinnerungen gehört der Besuch des Kasperltheaters an Weihnachten. „Und danach gab es Würstle“, lacht er und schwärmt von der Magie, die Puppen immer schon auf ihn ausübten. Bereits in ganz jungen Jahren beschloss er, Puppenspieler zu werden. Diesen Vorsatz setzte er konsequent um – wenn auch viele Jahre nur in seiner Freizeit.
Eine Stelle bei der Post in Wolfurt führte den gelernten Bäcker 1989 nach Vorarlberg. Mit Begeisterung bildete er sich später zum Industriemeister weiter und fand bei den Firmen Hydro und Suchard Herausforderungen, die ihn erfüllten. Nach Feierabend paukte er für seine Einsätze bei der Theatergruppe Raggal – und baute seine erste Puppenbühne, mit der er ältere Menschen in Seniorenheimen sowie Kinder in Tirol, Vorarlberg, der Schweiz und Liechtenstein bei Firmenevents, Kindergeburtstagen und verschiedensten anderen Anlässen bewegte und begeisterte.
Die Geschichten, die Christian Mair erzählt, entstehen meist spontan, aus dem Bauch heraus. „Ich reagiere auf die Situation und die Stimmung“, erzählt er, „und mein Publikum hilft mir dabei.“ Mit der Zahl an Puppen – in drei Jahrzehnten stieg diese auf mehr als tausend an – wuchs auch sein Repertoire. Nebenbei baute sich der umtriebige Wahl-Bludenzer eine Karriere als Kabarettist auf, seit 2016 tingelt er als „Oma Lilli“ durchs Land. Sein oberstes Ziel bei all diesen Aktivitäten: Die Menschen zum Lachen bringen. Sein großes Vorbild war und ist Arminio Rothstein – der Mann, der ihn seit Kindertagen begleitet. Als Clown Habakuk hat Rothstein ganze Generationen vor den Fernseher gelockt. Er war nicht nur der Star, sondern auch der kreative Kopf hinter der Kindersendung „AmDamDes“ in den 1970er- und 1980er-Jahren. „Kasperl“, der böse Zauberer „Tintifax“, „Helmi“ und viele andere Figuren, welche den heute nicht mehr ganz so jungen Menschen ein Begriff sind, hat Arminio Rothstein ersonnen und in seiner Werkstatt in Wien mit viel Fantasie und Können umgesetzt. Als „Clown Habakuk“ 1994 verstarb, hinterließ er rund 600 handgefertigte Handpuppen und Marionetten. Die hat dessen Witwe 2020 an Christian Mair übergeben, sodass der Puppenspieler heute über einen Schatz von rund 1700 Puppen wacht. – Christine Rothsteins Geschenk war mit einem klaren Auftrag verbunden: In Vorarlberg sollten die Puppen wieder zum Leben erweckt werden. Sie ist seit einem ersten Treffen in den Studios des ORF eine langjährige Freundin Mairs und war sich sicher: „Christian, du hast die nötige Liebe dazu.“
Wer heute das „Haus Habakuk“ betritt, kann dies nur bestätigen. Im ersten Stock in der Bludenzer Rathausgasse 1 erwartet die Besucher eine Zauberwelt, die nicht nur Kinderherzen höher schlagen lässt. Vor schlichtem Hintergrund sind die Stars aus den Anfängen des Kinderfernsehens so in Szene gesetzt, als würden sie sich gerade auf ihren Auftritt vorbereiten. Und dies ist tatsächlich so. Denn im „Haus Habakuk“ gibt es keine Glasvitrinen, an denen man sich die Nase platt drücken muss, um einen Blick zu erhaschen. Groß und Klein sind vielmehr zum Mitspielen und Staunen eingeladen. Dafür gibt es sogar eine kleine Bühne und einen langen Tisch, an dem man – je nach Alter – in Nostalgie schwelgen, sich austauschen und gemeinsam lachen kann. Erste Kindergeburtstage, Seniorennachmittage und Stammtische wurden dort schon gefeiert.
Für Christian Mair ist damit ein Traum in Erfüllung gegangen. Dank der Unterstützung von Gleichgesinnten, die sich mit ihm im Verein Haus Habakuk engagieren, finanzieller Zuschüsse der Stadt Bludenz und des Landes Vorarlberg sowie mit Hilfe von Mitteln aus dem LEADER-Fonds der EU konnte er die Räumlichkeiten anmieten, umbauen und sich voll und ganz auf seine Berufung zum Puppenspieler und Märchenerzähler konzentrieren. Die Arbeit geht ihm dabei nicht aus. Das „Haus Habakuk“ wurde zwar im Oktober eröffnet, doch es gibt noch jede Menge Pläne, um den Erlebniswert dort zu steigern. Viele der Puppen sind in einem schlechten Zustand und müssen wieder „aufgepäppelt“ werden, andere harren noch in Kisten verpackt darauf, entdeckt zu werden. Die Ausstellung im „Haus Habakuk“ wird sich dadurch laufend verändern.
„Das Puppenspiel ist der erste Kontakt zum Theater“, erklärt Christian Mair seine Mission. Den will er für die Kinder möglichst eindrücklich gestalten und ihre Fantasie anregen. Märchenerzählungen und Kasperltheater stehen im Haus Habakuk deshalb regelmäßig auf dem Programm. Außerdem steckt der Rastlose bereits in den Planungen für einen Workshop, bei dem er gemeinsam mit Kindern ein eigenes Stück schreiben und dann für ein junges Publikum inszenieren will. Lesungen, Vernissagen und andere Events sollen außerdem das „Haus Habakuk“ beleben und Menschen vielseitige Einblicke ermöglichen.
Christian Mair geht es nicht darum, „hohe Kunst“ zu machen. „Die ist natürlich auch wichtig“, präzisiert er, „ich möchte aber in erster Linie die Fantasie entzünden und Empathie wecken.“ Auch wenn das böse Krokodil vom Kasperl einmal eingesperrt werden muss – in Mairs Stücken gibt es keine Gewalt, und sie haben immer ein gutes Ende. Er will sein Publikum berühren und verzaubern. Momente, in denen man eine Stecknadel fallen hören könnte, weil der Kasperl die Kinder aufgefordert hat, jetzt ganz still zu sein, beseelen ihn.
„Kinder sind das ehrlichste Publikum,“ erlebt Christian Mair laufend. „Doch eines hat sich verändert“, beobachtet er, „sie waren früher fröhlicher.“ Das spüre er ganz deutlich, schließlich habe er im Laufe der letzten dreißig Jahre in zigtausende Kinderaugen blicken dürfen. „Es hat vielleicht damit zu tun, was momentan in der Welt passiert“, mutmaßt der Puppenspieler. Umso wichtiger findet er, dass die Zweieinhalb- bis Achtjährigen auch mal in eine Fantasiewelt abtauchen können, die nicht von aufwendigen elektronischen Effekten befeuert wird. Er selbst setzt ganz „altmodisch“ auf Nebelmaschine, Toneffekte und Musik, um dem Erzählten Nachdruck zu verleihen, alles andere erledigen die bunten Figuren sowie Mairs Stimme und Intuition. „Ich bin dann wie in Trance“, nimmt er von all seinen Auftritten auch persönlich viel mit. „Es ist so schön, wenn man Menschen begeistern kann.“
Die Ausstellung im Haus Habakuk in der Rathausgasse 1 in Bludenz kann jeden Freitag von 18 bis 20 Uhr und am Samstag von 10 bis 13 Uhr sowie auf Anfrage besucht werden. Interessierte finden weitere Informationen und aktuelle Veranstaltungstermine unter habakuk.at