„Use what you have!” – Die Aufforderung, Vorhandenes zu nutzen, Ressourcen zu schonen und möglichst wenig Müll zu produzieren, funktioniert im Grafikgewerbe in den seltensten Fällen. Für die Bewerbung des ersten „Use what you have-Festivals” in Bludenz sind die Initiatorinnen diesen Weg aber konsequent gegangen. Fehlerhaftes, das in der Druckerei im Papiercontainer gelandet wäre, wurde mit neuen Botschaften überdruckt und zu coolen und professionell wirkenden Werbemitteln umfunktioniert. Der Kopf hinter dieser Idee: Die Mitinitiatorin des Festivals, Magdalena Türtscher. Die zweifache Gewinnerin des Vorarlberger Werbepreises „Adwin” bemüht sich beruflich und privat um einen guten Umgang mit ihrer Umwelt.
FOTOS: TM-HECHENBERGER, MAGDALENA TÜRTSCHER
„Magdalena ist zurück.” – Diese Nachricht hat inzwischen die Runde gemacht. Die junge Frau aus dem Großen Walsertal freut sich, dass so mancher ihrer Kunden mit seinen Werbeaktivitäten auf das Ende ihrer Babypause gewartet hat. Schließlich ist dies in unserer schnelllebigen Zeit keine Selbstverständlichkeit. Was also ist ihr Geheimnis?
Magdalena Türtscher: „Grafiker bekommen oft den Stempel aufgedrückt, dass sie etwas einfach nur hübsch machen.” Ihr ging es aber immer um mehr. Sie wollte „Geschichten erzählen”, nicht mit Supermodels arbeiten, sondern Menschlichkeit und Emotionen zeigen, „die Leute dort abholen, wo sie sind.” Dank einer Teilzeit-Anstellung bei der Stadt Feldkirch, die ihr den Lebensunterhalt sicherte, konnte sie diese Philosophie in ihrem eigenen Büro „Magma” voll ausleben und sich die Kunden aussuchen, die zu ihr passten, mit denen sie auf Augenhöhe kommunizieren kann. Und solche Menschen sind dann eben auch bereit zu warten.
Die Zwillinge Frieda und Anton sind schließlich ein guter Grund für eine Pause. Nun hat Magdalena Türtscher – neben ihrem Büro in Feldkirch – einen Schreibtisch in der Bludenzer Klarenbrunn-Fabrik bezogen, um ohne Ablenkung wieder kreative Ideen für ihre Kunden zu spinnen. Zuhause hat ihr Lebensgefährte die Betreuung der Zwillinge übernommen. Der Landschaftsarchitekt und Baumgutachter nimmt derzeit für seine Kinder eine Auszeit vom Job.
Kein Windel-Müll
Magdalena Türtscher und ihr Lebensgefährte Martin haben vor eineinhalb Jahren bewusst beschlossen, dass sie sich die Verantwortung für ihre Kinder partnerschaftlich teilen – und die Kinder mit Stoffwindeln wickeln. Die beiden sind stolz darauf, dass sie den Müllberg dieser Welt nicht mit Wegwerfwindeln belasten, die geschätzte 200 bis 400 Jahre brauchen, bis sie verrotten. Und ein einzelnes Kind verbraucht in den ersten Lebensjahren mehr als eine Tonne solcher Windeln!
„Das ist unser Beitrag.” Magdalena Türtscher will aber niemanden bekehren und sieht sich nicht als Vorbild für andere Mütter. Es sei ohnehin schwer genug geworden, jedem und allem gerecht zu werden. „Ich fahre dafür sehr viel mit dem Auto”, gibt sie zu, „aber das muss eben sein.” Sie findet, dass jeder selbst entscheiden muss, wie er am besten dazu beiträgt, dass diese Welt ein bisschen besser wird. Nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre ihr das Pendeln von Sonntag-Buchboden nach Bludenz zu stressig. „Aber es gibt mir ein gutes Gefühl, wenn ich mal auf das Auto verzichte, kein Plastik verwende und beim Einkaufen meine Stoffbeutel dabei habe.” Nachhaltig zu leben ist für sie eine Grundeinstellung und kein Zwang. „Es soll nichts sein, das ich nach außen kehren muss, sondern etwas, das mitschwingt und mich beeinflusst in meinem Denken und Tun.” Diese Gelassenheit ist der Grafikerin und Fotografin auch im Umgang mit ihren Kunden wichtig. „Ich will niemanden überreden, sondern jeden so nehmen, wie er ist.”
„Die Arbeit gibt mir Energie.”
Den Spagat zwischen Beruf und Familie empfindet die 28-Jährige als Herausforderung. „Es gibt Tage, an denen es nicht so gut läuft”, gibt sie zu. Ihre Arbeit macht sie aber sehr gerne. „Deshalb gibt sie mir auch viel Energie.” Während ihrer Schwangerschaft sei ihr klar geworden, dass das Leben heute voller Optionen ist, aber „oft werden diese nicht gelebt, weil man sich nichts verbauen will.” Sie hat sich deshalb einmal mehr dafür entschieden, ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen.
„Ich habe mir in der Schule schwer getan”, erinnert sich Magdalena Türtscher an ihre Jugend. Als Zwölfjährige durfte sie einen Tag lang bei einer Fotografin mitarbeiten. „Das hat mich damals fasziniert.” Sie fragte sich aber auch, wozu das fertige Bild denn nun verwendet werde. Die Jugendliche recherchierte daraufhin, was für Berufe es gibt, bei denen sie mit Fotografie arbeiten, aber über verschiedene Anwendungen zusätzlich auch eine Botschaft transportieren könnte, und stieß so auf das Grafikdesign. „Zuhause konnte mir da keiner helfen. Ich komme aus einer Landwirtschaft”, erklärt sie. Ein Praktikum beim Frastanzer Grafiker Martin Caldonazzi festigte den Berufswunsch aber endgültig, obwohl sich Magdalena Türtscher damals nicht sicher war, „ob das nicht ein bisschen zu groß für mich ist.”
Berufung gefunden
Als 17-Jährige machte sie trotzdem die Aufnahmeprüfung an der Werbeakademie in Innsbruck. „Das war cool, aber ich war auch ziemlich verunsichert”, erinnert sich Magdalena Türtscher an die ersten Wochen. Sie war beeindruckt von den Möglichkeiten an den modernen Computern, die so viel größer waren als am lahmen PC zuhause. Trotzdem hat sie vor allem das erste Jahr ihrer Ausbildung als ziemlich hart in Erinnerung. Sie fuhr täglich mit dem Fahrrad von der kleinen Wohnung in Kranebitten in die Stadt. Ihre Mitstudenten waren alle – zum Teil wesentlich – älter, hatten bereits eigene Familien und einen entsprechenden Freundeskreis. Trotzdem wusste Magdalena Türtscher bald, dass sie ihre Berufung gefunden hatte. Das nächste Ziel lautete: Selbstständigkeit.
Voller Tatendrang eröffnete sie ihr Büro Magma, sobald sie ihr Abschlusszeugnis in der Hand und bei weiteren Praktikas Erfahrungen gesammelt hatte. Zwei Jahre später hatte sie bereits den ersten „Adwin” in der Tasche. Der Vorarlberger Werbepreis wird alle zwei Jahre ausgeschrieben. 2015 wurde sie in der Kategorie Printkommunikation und 2017 in der „Königsklasse” Corporate Design ausgezeichnet. Bei der zweiten Adwin-Gala war sie damals gar nicht selbst anwesend. Sie betreute stattdessen zuhause ihre Neugeborenen.
Beim „Use what you have-Festival” möchte sie nicht nur gestalterisch Akzente setzen, sondern vor allem auch von ihrem Alltag als berufstätige Mutter berichten. „Denn obwohl ich vier Jahre zuvor die Werbelinie von „Windlkind” umgesetzt hatte, war ich in der Praxis dann doch überrascht, dass es wirklich umsetzbar ist, auch zwei Kinder konsequent mit Stoffwindeln zu wickeln.” – Und damit zwei Tonnen Müll einzusparen!