Acht von zehn Eichhörnchen überleben ihren ersten Winter nicht. Trotzdem muss man sich um den Bestand der putzigen Gesellen keine Sorgen machen. Ihre Strategie zur Arterhaltung: Ein Weibchen bringt jährlich bis zu zwölf Junge zur Welt!
FOTOS: GERALD SUTTER, HOBBY-NATURFOTOGRAF, BLUDENZ
„Eichhörnchen werden bisweilen sehr zutraulich. In China werden sie deshalb auch als Haustiere gehalten”, erklärt die Geschäftsführerin der WalgauWiesenWunderWelt, Mag. Karin Moser. Dies ist allerdings nicht unbedingt zu empfehlen. Denn – wie andere Wildtiere auch – ist das Eichhörnchen oft von Parasiten befallen. Es kann gefährliche Krankheiten übertragen. So wurde etwa der Erreger der Lepra im Fell von Eichhörnchen gefunden.
Die putzigen Nagetiere sind in großen Teilen Europas und Asiens bis auf eine Seehöhe von deutlich über 2000 Metern anzutreffen. Sie sind nicht wählerisch, fressen Nüsse und Samen ebenso wie Insekten, Würmer oder sogar kleine Vogeleier – je nach Jahreszeit und Angebot. Das ist eine gute Überlebensstrategie. Obwohl sich ein amerikanischer Verwandter – das Grauhörnchen – zunehmend auch in heimischen Gebieten ausbreitet, gilt das Eichhörnchen nicht als gefährdet. „Genaue Bestandsaufnahmen für unsere Region gibt es allerdings nicht”, erklärt Mag. Karin Moser. „Solange von einer Tierart genügend da sind, wird kaum einmal geforscht.” Durch die Fenster ihrer Wohnung in Satteins beobachtet sie regelmäßig zwei Tiere, die sich nahe ans Siedlungsgebiet heranwagen. Eichhörnchen sind Kulturfolger, werden auf der Suche nach Leckerbissen oft in Parks und Hausgärten fündig. Sie begeben sich dadurch allerdings in Gefahr – nicht durch den Menschen, der dem zutraulichen Tier meist sehr gewogen ist, sondern durch Katzen. „Die müssen allerdings auf Zack sein”, erklärt Biologin Moser. Denn das Eichhörnchen ist sehr flink, kann mit einem Sprung bis zu fünf Meter zurücklegen. Dank langer gebogener Krallen an den Vorderpfoten findet es beim Klettern auch an glatten Oberflächen guten Halt. Scheinbar mühelos ist es in der Lage, sogar kopfüber senkrecht nach unten zu laufen.
Kuscheliges Heim
Sommer wie Winter zieht sich das Eichhörnchen gern in sein kuscheliges Nest, den Kobel, zurück. Es baut sich mehrere Zuhause, nutzt diese auch gleichzeitig. In drei bis fünf Tagen ist so ein kugelförmiges Nest fertig, das meist in einer Höhe von sechs Metern in einer Astgabel liegt. Ein Eichhörnchen betritt sein Heim immer von unten. Der Kobel hat aber immer noch mindestens eine weitere Öffnung, die als Fluchtweg genutzt wird. Obwohl ein Kobel einen Durchmesser von bis zu einem halben Meter haben kann, ist das Platzangebot innen beschränkt. Denn hinter der Fassade aus Ästen und Zweigen liegt eine dicke Dämmschicht aus Moos, Fichtennadeln, Blättern und Gras. Der Innendurchmesser verringert sich dadurch auf zirka 15 bis 20 Zentimeter. Obwohl das Eichhörnchen keinen echten Winterschlaf hält, gibt es in der kalten Jahreszeit Phasen, in denen es sein warmes Nest kaum verlässt. In dieser Zeit wird der Herzschlag langsamer, der Stoffkreislauf heruntergeschraubt, um Energie zu sparen. Doch auch an heißen Sommertagen hält das Eichhörnchen im Kobel gern ausgiebige Mittagsruhe – modernes „Cocooning” eben.
Jungtiere müssen rasch lernen
Eichhörnchen sind meist Einzelgänger, treffen sich nur zur Paarung mit ihren Artgenossen. Männchen und Weibchen gleichen einander aufs Haar. Karin Moser: „Man müsste sie fangen, um ihr Geschlecht zu bestimmen.” Fest steht, dass das Männchen gleich wieder das Weite sucht, während das Weibchen nach einer Tragezeit von 38 Tagen – meist im April und im Spätsommer noch einmal – jeweils eines bis sechs Junge zur Welt bringt. Diese sind inklusive Schwanz keine zehn Zentimeter lang, nackt, taub und blind. Nach zirka drei Wochen ist ihr Körper vom ersten Fell bedeckt, erst im Alter von ungefähr einem Monat öffnen die Jungtiere ihre Augen. Dann geht es Schlag auf Schlag. Bereits mit sechs Wochen verlassen sie erstmals das Nest, mit acht bis zehn Wochen werden sie nicht mehr gesäugt und gehen selbstständig auf Nahrungssuche. Auch wenn sie bald ausziehen, bleiben die Jungtiere doch einige Monate in der Nähe ihrer Mutter. Die zeigt ihnen auch, wie Nüsse geknackt werden. „Und wenn sie nicht schnell genug lernen, wird der Winter hart”, erklärt Mag. Karin Moser. Vor allem wenn eine dichte Schneedecke den Zugang zu den im Herbst vergrabenen Vorräten versperrt, verendet ein Großteil der Jungen.
Der Feind kommt in der Nacht
Der größte Fressfeind des Eichhörnchens ist der Baummarder. Das nachtaktive Raubtier überrascht den Nager meist im Schlaf. Aber auch der Uhu oder der Mäusebussard machen gerne Jagd auf Eichhörnchen. Mag. Karin Moser warnt deshalb davor, das Eichhörnchen zu füttern. „Sie werden dadurch abhängig vom Menschen.” So habe man etwa in Parks in Amerika beobachtet, dass die dort lebenden Grauhörnchen zu fett wurden. Ihre Fressfeinde hatten dadurch ein leichtes Spiel.
Apropos Grauhörnchen: Dieses wurde Ende des 19. Jahrhunderts vom Menschen nach England gebracht. Es hat dort das Eichhörnchen inzwischen großteils verdrängt, weil es im Winter die Vorräte im Boden treffsicherer findet. „Das Grauhörnchen hat offensichtlich einen besseren Geruchssinn”, erklärt Karin Moser. „Andererseits ist das Eichhörnchen flinker, kann sich schneller vor Feinden in Sicherheit bringen.” Obwohl das Grauhörnchen auch in unserer Region bereits Fuß gefasst hat, scheint das Eichhörnchen im Moment noch genügend Lebensräume zu finden. Hoffen wir, dass das so bleibt.
Die putzigen Nager (lat.: Sciurus vulgaris) halten sich am liebsten in luftigen Höhen auf. Sie kommen nur zum Fressen auf den Boden. Ein erwachsenes Eichhörnchen ist von der Schnauze bis zum Schwanzansatz 20 bis 25 Zentimeter groß, der buschige Schwanz 15 bis 20 Zentimeter lang. Es wiegt zwischen 200 und 400 Gramm. Es hat ein starkes Gebiss mit 22 Zähnen. Damit kann es harte Nussschalen mühelos sprengen. Sein Fell ist im Winter deutlich dunkler als im Sommer, es kann je nach Jahreszeit zwischen Rotbraun und Grau variieren. Die Farbe des Fells passt sich generell ein wenig der Umgebung an. Lebt das Eichhörnchen in eher steinigem Gebiet, ist das Fell grauer, im Laubwald ist es heller. Die in der kalten Jahreszeit typischen Ohrpinsel verliert es, sobald es wieder wärmer wird. Am Bauch ist das Fell immer weiß bis cremefarben. Jene Tiere, die den ersten Winter überleben, werden im Durchschnitt drei Jahre alt. In Gefangenschaft haben Eichhörnchen auch schon ein Alter von zehn Jahren erreicht.