Akkubohrer im Monsterformat

Für internationales Aufsehen sorgte Liebherr vor vier Jahren bei der „bauma” in München, der weltweit größten Messe für Bau­­maschinen. Das „LB 16 unplugged” war das weltweit erste Bohrgerät mit Elektroantrieb. Entwickelt  und gebaut wurde es innerhalb von nur einem Jahr  bei Liebherr in Nenzing. Das war nicht nur eine technische Meisterleistung, sondern auch ein Statement für den Umweltschutz, der im Familienbetrieb mit seinen mehr als 50.000 Mitarbeitern eine zentrale Bedeutung hat.

FOTOS: TM-HECHENBERGER, LIEBHERR

„Das sind meine kleinen Glücksmomente!”, strahlt Tatjana Grissemann. Während des Interviews mit dem allerhand!-Magazin wurde sie von einer Mitarbeiterin telefonisch darüber informiert, dass 200 gebrauchte Aktenordner gegen neue ausgetauscht werden sollen. Die alten Ordner könne man aber doch nicht einfach entsorgen, meinte die Anruferin –und schon wurden spontan Ideen für die Weiterverwendung diskutiert. Grissemann freut sich ehrlich über dieses Engagement der Mitarbeiterin zur Verhinderung von Ordnermüll: Dabei ist die 36-jährige Brazerin als „CSR Managerin” für Liebherr auch für die wirklich „großen” Belange des Umweltschutzes zuständig. Sie ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass die „Liebherr-MCCtec GmbH”, zu der neben Nenzing unter anderen auch die Werke in Rostock (D), Killarney (IRL) und Sunderland (UK) gehören, im international beachteten EcoVadis Rating den Gold-Standard erreichte – was bisher nur fünf Prozent der weltweit über 100.000 Kandidaten schafften.

Die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin Mag. Tatjana Grissemann hat vor elf Jahren bei Liebherr in Nenzing angeheuert, nachdem sie den Betrieb schon während der Studienzeit bei Praktika kennengelernt hatte. In der Abteilung Qualitätsmanagement kümmerte sie sich vorzugsweise und sehr engagiert um das Thema Nachhaltigkeit. 

„Von Kunden gab es dazu immer wieder einmal Anfragen. Sie wollten nicht nur wissen, was unsere Raupenkrane alles können, sondern auch konkrete Informationen über den Treibstoffverbrauch der Geräte, über die verwendeten Materialien oder auch deren Herkunft”, berichtet Grissemann. Nachdem solchen Themen bei Liebherr weltweit und speziell auch in Nenzing „schon immer” und über den ganzen Herstellungsprozess große Bedeutung zugemessen worden ist, konnte sie die entsprechenden Auskünfte recherchieren und weitergeben – und Liebherr damit bei den Käufern und Nutzern der Maschinen und Geräte punkten.

Waren es vor elf Jahren noch einzelne Anfragen, so wurde das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger und spielt heute bei Kaufentscheidungen bereits eine mitentscheidende Rolle.

Gold-Standard in Sachen Umweltschutz 

CSR-Managerin Mag. Tatjana Grissemann und der technische Geschäftsführer DI Holger Streitz, MA: Gemeinsam für umfassenden Umweltschutz.

Diese Entwicklung frühzeitig erkannt hat DI Holger Streitz, der technische Geschäftsführer (für die Produktreihen Hydroseilbagger, Raupenkrane sowie Ramm- und Bohrgeräte) bei Liebherr in Nenzing. Er hat Grissemann entsprechend in die Prozesse eingebunden und den Umweltschutz insgesamt strategisch aufgewertet. Vor zwei Jahren wurde dafür in Nenzing sogar eine eigene „Stabsstelle Nachhaltigkeit” geschaffen. Im engen Austausch mit der Sparte MCC – der aus Umweltschutzgründen fast täglich online, regelmäßig über Videokonferenzen und nur einmal jährlich bei „klassischen” Treffen  stattfindet – werden ‚an allen Ecken und Enden´ der Firmengruppe Optimierungspotenziale aufgespürt und immer wieder neue Ziele definiert. 

„Bei allen Entscheidungen geht es um einen umfassenden Blick auf die Nachhaltigkeit”, betont Grissemann und erläutert das anhand des Leuchtturmprojektes LB 16 unplugged. Bevor man die Entwicklung des Akku-Bohrgerätes in Angriff nahm, wurde der mögliche CO2-Abdruck des Gerätes über seinen ganzen Lebenszyklus eingeschätzt. Wie viel der seltenen Erden verwenden die einzelnen Akku-Hersteller und unter welchen Arbeitsbedingungen werden sie gewonnen? Welche Lebensdauer ist zu erwarten und wie schaut es mit dem Recycling aus? Mitentscheidend für die Umweltbilanz ist bei elektrisch betriebenen Geräten auch die Frage, woher der benötigte Strom überhaupt kommt. 

Nicht nur auf eine Technik beschränken

„Es ist einfach ein gewaltiger Unterschied, ob Strom wie bei uns aus Wasserkraft, oder aber wie in vielen anderen Erdteilen aus Kohlekraftwerken stammt.” Dahingehend berate man auch die Kunden, deren Interesse an der Liebherr-Batterietechnologie enorm ist. Seit der Präsentation des LB16 unplugged vor vier Jahren gibt es bereits für neun der 28 bei Liebherr in Nenzing produzierten Gerätetypen Batterie-elektrische Alternativen, bis 2025 folgen weitere fünf Modelle. Das hohe Interesse ist natürlich auch der Konkurrenz nicht verborgen geblieben. Schon bei der nächsten „bauma” Messe 2022 (sie findet alle drei Jahre statt) waren andere Baumaschinenproduzenten mit Elektroversionen an ihren Ständen präsent. Die rund 500.000 Fachbesucher und tausende Journalisten nahmen das mit Wohlwollen zur Kenntnis. Die großen Menschentrauben bildeten sich allerdings wieder im Liebherr-Areal: Hier wurde der erste mit Wasserstoff betriebene Liebherr-Raupenbagger R 9XX H2 präsentiert.

Digitale Lösungen sparen Zeit und Energie

Man setze aber nicht nur auf Elektro und Wasserstoff, sondern will sich technologieoffen auch mit E-Fuels und anderen Treibstoffen befassen. Und selbstverständlich werden (bis auf Weiteres) auch weiterhin herkömmliche, mit Diesel betriebene Maschinen produziert. Einen ganz wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Umweltbilanz leistet – auch in Dieselgeräten – die permanente Weiterentwicklung, für die im Liebherr-Werk Nenzing mehr als 230 Spezialisten arbeiten und forschen. Vor allem im Bereich digitaler Lösungen für energieeffiziente und ressourcenschonende Maschinen. Innovative IT-Lösungen und Assistenzsysteme ermöglichen es dem Anwender, Arbeitsprozesse auf der Baustelle zu optimieren. „Kraneinsätze werden über eine entsprechende Software virtuell geplant und geübt und sparen damit Zeit, Kosten und Energie”, zeigt Holger Streitz auf.

Tatjana Grissemann ist immer wieder beeindruckt von den Ideen der Forschungs- und Entwicklungsingenieure, welche sie natürlich genau mitverfolgt. Sie freut sich aber eben auch über die kleinen Beiträge zur Ressourcenschonung. „Ich habe als Umweltbeauftragte schon sehr viele Möglichkeiten und auch Gestaltungsspielraum. Eine ‚Befehlsgewalt´ habe ich aber natürlich nicht”, stellt Grissemann klar. Umfassender Umweltschutz könne in einem Betrieb letztlich ohnedies nur auf freiwilliger Basis funktionieren, und dafür engagiert sie sich seit 2014 täglich mit gutem Vorbild und Überzeugungsarbeit. Dass sie damit schon weit durchgedrungen ist, zeigen ihr Aktivitäten wie jene zur Vermeidung von Ordnermüll. Auch das gehört zum „Gold-Standard” in Sachen Nachhaltigkeit.

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