„Sticken hat etwas Verstaubtes”, lacht Annelies Mautner-Huber. Denn sie ist diesem Stadium längst entwachsen. Wenn die Nenzingerin zu Nadel und Faden greift, entsteht Textilkunst, die sich mit zeitgenössischen Themen auseinandersetzt.
FOTOS: TM-HECHENBERGER
„Ich habe immer schon gestickt. Doch irgendwann ist mir das zu eng geworden”, erzählt Annelies Mautner-Huber. Die ausgebildete Werklehrerin schätzt die uralte Kulturtechnik sehr. Doch für die Kreative „ging eine Welt auf”, als sie sich von Kreuzstich und Co löste, um sich dem experimentellen Sticken zu widmen. Ein Kurs bei Textilkünstlerin Eveline Bischof, die viele Jahre lang an der Akademie der bildenden Künste in Wien unterrichtete, brachte weitere wichtige Impulse. Die Nenzingerin lernte durch sie neue Techniken, Untergründe und Materialien kennen. Leder, Metall, Plexiglas und auch grüne Blätter – „es gibt fast nichts, das nicht bestickt werden kann”, hat sie aus diesem Kurs mitgenommen. Überrascht stellte sie außerdem fest, dass auch die Rückseite einer Handarbeit einen ganz eigenen Reiz hat. Mehr als 15 Jahre später hält Annelies Mautner-Huber immer noch Kontakt zu der Wiener Kunst-Professorin und anderen Kursteilnehmerinnen. „Wir inspirieren uns gegenseitig”, schwärmt sie von dieser Gruppe, die sich alle sechs Monate einmal trifft und gemeinsam einem Thema widmet.
Sie selbst ist von starren Untergründen allerdings weniger begeistert. Sie mag es, wenn die Stickarbeit gut in der Hand liegt. Aktuell stickt die Kreative am liebsten auf Papier, das sie mit den Händen bearbeitet, um es geschmeidig zu machen, und anschließend mit Vlies verstärkt. Diese Technik erlaubt allerdings keine Fehler, weil beim Auftrennen immer ein Loch sichtbar bleibt. Doch Geduld und Konzentrationsfähigkeit sind ohnehin Eigenschaften, die man zum Sticken mitbringen sollte beziehungsweise bis zu einem gewissen Grad bei dieser Beschäftigung auch lernt. Denn es sind unendlich viele kleine Stiche, mit denen Annelies Mautner-Huber ihre Motive in Szene setzt, ihnen Kraft und Struktur verleiht. „Es ist wie beim Malen”, erklärt sie. „Wenn eine Idee kommt, muss man sofort anfangen. Manchmal gelingt es auf Anhieb, manchmal muss man auftrennen.”
Ein Motiv begleitet sie bereits seit Jahren – ein schwarzer und ein roter Rabe, die sie auf ihren Stickbildern in Beziehung zueinander stellt. In vier verschiedenen Varianten zieren die beiden Vögel die Wand im modern eingerichtetenWohnzimmer. Es gibt sie aber noch in vielen anderen Spielarten. Mal stehen sie sichtlich in Konflikt zueinander, während die Raben ein anderes Mal ein Herz und eine Seele zu sein scheinen. Beziehungen, Frauen, Mode, Erotik – es sind Themen, die schlussendlich alle Menschen beschäftigen, welche Annelies Mautner-Huber mit Nadel und Faden bearbeitet. Sie möchte sich mit ihrer Stickkunst selbst ausdrücken, mag nicht mehr beim bloßen „Verhübschen” verweilen.
Tolle Begegnungen
Über viele Jahre ging die Unermüdliche am Familienesstisch ihrer Leidenschaft nach. Doch als sie immer mehr Platz benötigte, um die vielen kreativen Ideen umzusetzen, wurde ein kleines Atelier im Obergeschoss eingerichtet. Besucher werden dort nur in Ausnahmefällen vorgelassen. Annelies Mautner-Huber verbringt viele Stunden in diesem inspirierenden Ambiente. Arbeiten in unterschiedlichsten Fertigungs-Stadien zeugen von ihrem unermüdlichen Schaffen. Stoffe, Baumwolle, Leinengarne, aber auch Glitzerfäden und Ausschnitte aus Illustrierten hält sie immer vorrätig. So ist die Kreative immer gewappnet, wenn eine Idee auf Umsetzung drängt.
Seit 2007 hat die Nenzingerin ihre Werke bereits bei zwölf Ausstellungen etwa in Stuttgart, Innsbruck und Bregenz gezeigt. Ihr Mann Robert hat sie dazu ermuntert, immer wieder neue „Locations” aufgetan. Experimentierfreude bewies die Textilkünstlerin, als sie über Vermittlung eines Kollegen zustimmte, ihre Werke im Anhaltezentrum Bludenz auszustellen. „Das war ziemlich schräg”, erinnert sie sich an das Gefühl von Beklemmung, das die hohen Gefängnismauern bei der Vernissage im Hof auslösten. Ihre Werke sind aber auch in diesem Ambiente angekommen. Annelies Mautner-Huber freut sich sehr, dass sich unterschiedlichste Menschen für ihre Textilkunst begeistern. „Es sind immer wieder tolle Begegnungen.”