Haute Couture made in Bludesch

Tamara Wiesner-Bujac wollte als Jugendliche Modedesign studieren. Aber eine gute Schule kostete damals 500 bis 700 D-Mark im Monat. „Das war einfach nicht drin.” Über Umwege hat sie dennoch zur Haute Couture gefunden. Die Ludescherin ist seit zwanzig Jahren unter dem Label Tara.B als Modedesignerin und Maßschneiderin selbstständig und lieferte heuer das Titelmodell für das Lookbook des Haute Couture Awards Austria. 

FOTOS: Tara B./Marcel Hagen, TM-HECHENBERGER


Für diese Abendrobe hat Tamara Wiesner-Bujac mehr als 500 Kreissegmente aus dünnem Seidenchiffon zugeschnitten, einrolliert und die Rüschen einzeln am Rock angenäht. Obwohl der Saum einen Umfang von insgesamt 9,7 Metern hat, ist die Robe selbst federleicht. „So ein Kleid ist nicht nur eine  kreative, sondern auch eine körperliche Herausforderung”, denkt die Designerin an die fast 200 Stunden zurück, die sie in gebückter Haltung über einem riesigen Berg Seide verbracht hat. Trotzdem liebt sie die Arbeit an solch aufwendigen Einzelstücken. Haute Couture soll schließlich zeigen, was machbar ist. Der Designer kann sich so richtig austoben, weil das Resultat nicht unbedingt tragbar sein muss. Sie persönlich legt allerdings schon Wert darauf, dass ihre Entwürfe nicht nur am Kleiderständer hängen.

Im Gegensatz zu den Abgängern von Modeschulen konzentriert sich Tamara Wiesner-Bujac aber nicht auf das Zeichnen von detaillierten Entwürfen. Sie probiert gern verschiedene Techniken aus, macht viel von Hand und betreibt ungeheuren Aufwand. Jedes Stück, welches ihr Atelier verlässt, hat sie von Anfang bis Ende selbst gefertigt. 

Als Kind schon Kleider für die Barbie genäht
Schon als Kind nähte Tamara Wiesner-Bujac Abendroben für ihre Barbiepuppen.

Diese Leidenschaft fürs Nähen hat Tamara Wiesner-Bujac schon früh gepackt. Bevor sie lesen und schreiben konnte, zeigte ihr die Oma, wie man mit einer Nähmaschine umgeht. Die Barbie hat daraufhin viele individuelle Kleider erhalten. Weil die Modeschule zu teuer war, wandte sich Tamara Wiesner-Bujac nach der Matura der Lohnverrechnung und der Finanzbuchhaltung zu. Als sie im Alter von 26 Jahren schwer erkrankte, gab ihr der behandelnde Arzt einen wichtigen Impuls. Er meinte nämlich, „du kannst schon ein Leben lang gegen den Strom schwimmen, aber gesund wirst du so nicht.” Tamara Wiesner-Bujac wurde erst in diesem Augenblick bewusst, dass sie an Arbeitstagen nur darauf wartete, bis es endlich fünf Uhr war und sie wieder an die Nähmaschine konnte. Als der Krebs besiegt war, änderte sie ihr Leben radikal. Sie löste bei der Wirtschaftskammer einen Gewerbeschein und  eröffnete ihr Atelier im Gewerbepark Pool 50 in Bludesch. Ihr Credo damals wie heute: „Wenn es nicht funktioniert, ist nichts kaputt. Dann habe ich halt viele gute Kleider übrig.” Allerdings dürfe man nicht nur davon reden, sondern müsse eben auch mal 200 Stunden in ein Kleid investieren, damit der Kunde es ansehen kann. „Ein Maler muss auch zuerst viele Bilder malen und überlegt sich nicht im Vorfeld, wie das Publikum reagiert.” So gelingt es ihr, das umzusetzen, was sie vor ihrem inneren Auge sieht. 

Parallel zum Mode-Atelier gründete Tamara Wiesner-Bujac die Firma Nelu Sonnenschutz, die ihr Mann seit 2010 als Geschäftsführer leitet. Dieses zweite Standbein lief von Anfang an gut. „Das gibt mir viel kreative Freiheit”, freut sich die Designerin, dass sie nicht unter Umsatz-Zwängen steht. 

Autodidaktin gewann den Design-Preis
Im Atelier in Bludesch entstehen vor allem Braut- und Ballkleider. Auch das untenstehende Modell wurde mit viel Handarbeit gefertigt.

Einen gewissen Auftrieb brachte ihr allerdings auch der Sieg beim Haute Couture Award Austria vor rund 18 Jahren. „Ich war schon eineinhalb Jahre lang selbstständig, als ich von der Wirtschaftskammer eingeladen wurde, teilzunehmen.” Zu dieser Leistungsschau der österreichischen Kleidermacher sind normalerweise nur Maßschneider zugelassen, die mit einem Meisterbrief aufwarten können. Die Autodidaktin rechnete sich deshalb keinerlei Chancen aus und reiste auch nicht zur Preisverteilung nach Wien. Umso überraschter war sie, als sie hörte, dass ihre Robe die Kreationen von 46 Maßschneidern ausgestochen hatte. Auf dieser Erfolgswelle schwimmend waren dann die Lehrabschlussprüfung und gleich anschließend die Meisterprüfung ein Kinderspiel. Dank Ausnahmeregelung durfte das Modetalent ohne große Vorbereitungen antreten. Seither kreiert sie vor allem ganz besondere Braut- und Abendkleider nach Maß. 

Inspiration für ihre Entwürfe findet die Modedesignerin, indem sie auf die Berge ihrer Heimat steigt. Außerdem ist sie sehr gläubig und sieht ihre Kreativität als Geschenk des Himmels. Im Ländle würden die paar Designer, die es gibt, sich zudem gegenseitig unterstützen und sich austauschen. Edle Stoffe und Stickereien findet sie ebenfalls im Land sowie im benachbarten Ausland. Deshalb ist Vorarlberg für sie der beste Ort auf der Welt. 

In Zeiten des Internets kann ein Designer zudem auf der ganzen Welt verkaufen. „Elie Saab, dessen Kleid Halle Berry bei der Oscar-Verleihung getragen hat, ist aus dem Libanon”, war Tamara Wiesner-Bujac noch nie versucht, in eine der Modemetropolen zu übersiedeln. „Die sind doch dort alle ex­trem unter Druck”, erlebt sie die Fashion-Week gerne aus der Perspektive der Zuschauer. Ihr würde es gefallen, wenn die Vorarlberger Designer im Land ein solches Podium hätten, um sich und ihre Kreationen einem breiteren Publikum zu präsentieren. 

Junge Leute schätzen wieder Qualität

Denn es gibt auch hierzulande Menschen, die Qualität und Individualität sehr schätzen. Zunehmend sind dies sogar junge Leute, die auf ein Auto verzichten, aber fürs iPhone oder besondere Kleidung durchaus bereit sind, Geld auszugeben. „Die kommen dann mit allem, was sie zusammengespart haben, zu mir, um sich ein ganz einzigartiges Kleid für den Maturaball schneidern zu lassen.”

Solche Aufträge machen Tamara Wiesner-Bujac besonders viel Freude. Sie entwickelt dann gemeinsam mit der Kundin ein Design, das deren Figur schmeichelt und ihr ein Maximum an Ausstrahlung verleiht. 

Obwohl sie nicht glaubt, dass die Maßschneiderei generell zurückkommen wird, ist sie überzeugt, dass es immer Menschen geben wird, die das Besondere suchen. Entsprechend schade findet sie es, dass es in ihrer Branche kaum Nachwuchs gibt. An der Modeschule werde der Fokus ganz auf kreative Entwürfe gelegt, die handwerklichen Fertigkeiten kommen ihrer Meinung nach dabei oft zu kurz. 

„Viele junge Leute wären handwerklich sehr begabt, aber jeder muss heute unbedingt etwas studieren”, sieht sie die Entwicklung der letzten Jahre kritisch. „Die Erwachsenen unterschätzen, dass man mit Handwerk Geld verdienen kann, wenn man gut ist. Dadurch gehen uns viele Talente verloren.” 

Tamara Wiesner-Bujac würde ihr Wissen gerne weitergeben. Aber es müsste schon jemand sein, der ihre Leidenschaft teilt, jemand, der von klein auf gerne mit den Händen schöne Dinge gefertigt hat. 

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