Mit „Dramagalerie” und „Uhuismus” in eine neue Zeit

Die Firma Primus Immobilien will die „Lorünser Villa” an der Alten Landstraße (heute Obdorfweg 1) in Bludenz zu neuem Leben erwecken. Doch zuvor erhalten die Geschichtsinteressierten der Region Gelegenheit, das Architektur-Juwel und seine Vergangenheit zu erkunden – unter anderem aus der Perspektive zweier spannender Künstler. 

FOTOS: MARCEL HAGEN/STUDIO 22, ILLUSTRATION: INGIMAGE

Obwohl es heute durch ein viel später entstandenes Nebengebäude etwas in den Hintergrund gedrängt wird – das imposante Gebäude an der Alten Landstraße strahlt eine besondere Aura aus. „Allein das Treppenhaus ist überwältigend”, schwärmt Mag. Beatus Fleisch, Geschäftsführer der Firma Primus Immobilien. Nach dem Tod der letzten Bewohnerin, Ilse Lorünser, hat das Unternehmen die geschichtsträchtige Villa erworben. 

Die soll nun wieder aus ihrem Dornrös­chenschlaf erwachen. Das denkmalgeschützte Gemäuer macht zwar ganz Besonderes möglich, stellt die Bauherren aber auch vor besondere Herausforderungen. „Für dieses Gebäude braucht es ein ganz sensibles Konzept”, sind sich Beatus Fleisch und Architekt DI Markus Mitiska einig. „Deshalb lassen wir uns viel Zeit.” 

Dies kommt nun all jenen zugute, die sich immer schon einmal in dem Baudenkmal umsehen, die steinernen Treppen hochsteigen, die hohen Räume durchschreiten, die hölzernen Säulen ertasten, zu den Stuckdecken aufsehen und die prunkvollen Malereien in Augenschein nehmen wollten. Denn in den nächsten Wochen hat die leerstehende Villa ihren großen Auftritt als Kulturraum der besonderen Art: 

Unter dem Motto „unablässiges fragen zur dichte” präsentieren Marco Spitzar und Alexander Waltner aktuelle Werke im geschichtsträchtigen Ambiente. 

Marco Spitzar hat selbst einen engen Bezug zum Gebäude, ist er doch in Bludenz und später in Nüziders aufgewachsen. Sein Vater war Prokurist bei der Firma Getzner, die in der Geschichte des Gebäudes eine Rolle spielte.

Emil Stephan Gassner und Fabrikantentochter Hilde Hämmerle heirateten 1883. Sechs Jahre später ließen sie die Villa nach den Plänen des Bludenzer Architekten Johann Wachter errichten.
Foto/Infos: Manfred A. Getzner: „Getzner, Mutter, Gassner – Die Gründer der Firma Getzner, Mutter & Cie und ihre Nachfolger”

Denn erbaut wurde die heutige Lorünser Villa 1889 von Emil Gassner, einem Gesellschafter des Bludenzer Textilunternehmens Getzner, Mutter & Cie, und dessen Frau Hilde. Als Emil Gassner 1902 im Alter von erst 45 Jahren einem Magenleiden erlag, war dies nur einer von mehreren Schicksalsschlägen, welche die Großfamilie in dieser Zeit zu verkraften hatte. Denn im selben Jahr verstarben zwei, innerhalb der darauffolgenden fünf Jahre weitere drei seiner Brüder. Dass nun zahlreiche unmündige Kinder zu versorgen waren, brachte die Familie Gassner in ordentliche finanzielle Schwierigkeiten und besiegelte langfristig auch den Ausstieg aus der Firma Getzner. Trotzdem blieb die Villa noch eine Weile in Familienbesitz. Sie wurde von Tochter Hilde (verheiratete Polaczek) übernommen. Während des 2. Weltkrieges nahm dort allerdings das Wehrmeldeamt nobles Quartier. 1945 zog dann der französische Lagerkommandant Clement in das Haus an der Alten Landstraße ein, bevor es an die Christian Lorünsers Erben GmbH verkauft wurde und damit den heutigen Namen erhielt. Dieses Unternehmen erbaute auch den besagten Zubau, in dem heute Fitness-Begeisterte eifrig trainieren. Ab 1960 wurden der Versand und der Detail-Verkauf der Firma in der Lorünser Villa abgewickelt. 

„Dass wir diesen besonderen Raum für eine Ausstellung nutzen dürfen, freut uns ungemein”, erklärt Marco Spitzar auch im Namen seines Künstler-Kollegen Alexander Waltner. Er selbst ist für seine Vorliebe für „Uhu” bekannt, überzieht er doch seit mehr als 35 Jahren viele seiner Werke mit dem klebrigen Werkstoff, der diesen eine besondere Tiefe verleiht. Weil er zudem auf alten Untergründen und Geschäftspapieren arbeitet, muten die Werke historisch an. „Sie schauen fast aus wie aus Bernstein”, steht Spitzar humorvoll zu seinem „Uhuismus”. 

Sein Künstler-Kollege aus Lustenau stellt dem (in der von Peter Niedermair kuratierten Schau) eine „Dramagalerie” gegenüber – farbenfrohe, collageartige Acrylbilder, die sich sehr direkt mit dem Leben auseinandersetzen. Mit ihren Werken gestalten die beiden sämtliche Zimmer im ersten und zweiten Geschoss der Villa. Sie nutzen die Nischen und spielen mit den räumlichen Gegebenheiten. 

Die Ausstellung „unablässiges fragen zur dichte” von Alexander Waltner und Marco Spitzar ist von 12. September bis 5. Oktober jeweils von Mittwoch bis Freitag von 17 bis 21 Uhr, am Samstag von 10 bis 14 Uhr sowie am Sonntag von 12 bis 16 Uhr frei zugänglich.

Die beiden Künstler fürchten sich nicht davor, dass das prunkvolle Ambiente ihren Werken möglicherweise den Rang ablaufen könnte. Im Gegenteil: Sie freuen sich darüber, dass die Villa Lorünser durch ihre Ausstellung und die Begleitveranstaltungen (siehe oben) für alle und jeden unkompliziert erlebbar wird. „Das ist die Kunst hoher Projektentwicklung: Dem Ort Zeit zu geben, Ruhe, Wünsche und Begierden auszuhalten”, ist Marco Spitzar voll des Lobes für die Projektbetreiber. 

 

Wer sich ganz auf die Ausstellung und das besondere Ambiente einlassen möchte, ist zu diesen Terminen herzlich willkommen: 

Mittwoch, 11. September, 19 Uhr
Vernissage

Mittwoch, 18. September, 19 Uhr
Jazzapero mit Peter Madson (New York) und Yolanda Vera (Spanien) 

Mittwoch, 25. September, 19 Uhr
Künstlerführung mit Kurator Peter Niedermair, Alexander Waltner und Marco Spitzar

Mittwoch, 2. Oktober, 19 Uhr
Lesung mit Alexander Waltner

Samstag, 5. Oktober, 18 bis 20 Uhr
Finissage

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