Naturkleinod mitten im Wald

Ein mehrere tausend Jahre altes Moor mitten im Wald. Was Spaziergänger fasziniert die Kamera zücken lässt, ist für Naturschützer und Biologen eine kleine Sensation sowie Anstoß, selbst zur Sense zu greifen. Denn nur dank einer Handvoll Engagierter bieten drei außergewöhnliche Biotope in Schlins Pflanzen und Tieren ganz speziellen Lebensraum.

FOTOS: GERALD SUTTER, VEREIN SCHÖCHA, TM-HECHENBERGER

Nur wenige Menschen können sich noch daran erinnern, dass im Schlinser Turbastall einst Torf gestochen wurde. Der „Turba” (Torf) wurde vor Ort in einem überdachten Unterstand („Stall”) getrocknet und als Brennstoff an die Papierfabrik in Frastanz geliefert. Es hätte nicht viel gefehlt, dann würde nur noch der Name „Turbastall” an die Moor-Inseln im Wald erinnern. Denn wie so viele andere vielfältig besiedelte Naturräume im Walgau brauchen auch die Torfmoore im Eggwald den Einsatz des Menschen, um ihre Vielfalt zu bewahren. Wenn nicht regelmäßig gemäht und das Gebüsch zurückgedrängt wird, erobert sich der Wald die Lichtungen innerhalb weniger Jahre zurück. Diese Entwicklung ist auf Luftbildern eindrücklich dokumentiert. Aufzeichnungen belegen außerdem, dass im Turbastall, im Messnerried und im Oberried vor hundert Jahren noch Wollgräser, Mehlprimeln und Fieberklee gediehen, die nach und nach von Fichten verdrängt wurden. Der Torfabbau und die damit verbundene Entwässerung waren ebenfalls gewaltige Eingriffe, unter denen die Moorbewohner litten.

Doch „Schlins ist ein Nest voller Biologen”, lacht Mag. Georg Amann. Er selbst ist einer davon. Gemeinsam mit Landschafts- und Raumplaner DI Georg Rauch gelang es ihm, nicht nur Kollegen und andere Naturfreunde mit ins Boot zu holen, sondern auch die Schlinser Agrargemeinschaft und die Behörden. Gemeinsam griffen sie eine Anregung des Vorarlberger Botanikers Rochus Schertler auf, der bereits vor mehr als zwanzig Jahren einen Managementplan für die Feuchtgebiete zwischen Bludesch und Schlins empfahl. Seit rund 15 Jahren werden die Moore Oberried und Messnerried von Bewirtschafter Franz Rauch, Hubert Dobler und ihren engagierten Helfern wieder regelmäßig gemäht. Vor allem aber konnte im Winter 2016 der Turbastall im Rahmen eines Interreg-Projektes in Zusammenarbeit mit dem Land, dem Naturschutzbund, der Gemeinde Schlins und der Agrargemeinschaft mit kleinen Tümpeln renaturiert werden, die inzwischen eine Vielzahl an Tieren und Pflanzen anziehen. So zählen etwa Gelbbauchunken, Ringelnattern, Bergmolche und eine Wasserspitzmaus bereits zu den Moorbewohnern, Laichkraut und der fleischfressende Wasserschlauch wuchern an der Wasseroberfläche, und mehr als 30 verschiedene Libellenarten haben sich eingefunden. „Im Messnerried gedeihen sogar Alpenrosen”, freut sich Georg Amann über Siedler, die normalerweise nur in höheren Regionen zu finden sind.

Der Erhalt der Schlinser Moore macht aber nicht nur für Fauna und Flora Sinn. „Moore speichern Wasser und binden CO2”, erklärt der Obmann des im Dezember 2017 zum Schutz der Schlinser Feuchtgebiete gegründeten Vereins Schöcha, DI Georg Rauch. Außerdem ist so ein Moor ein wichtiger Zeuge der Erdgeschichte. Die Torfschicht wächst nur einen Millimeter pro Jahr. Eingelagerte Pollen und andere Pflanzenteile erzählen den Wissenschaftlern nicht nur, wie die Landschaft in der Vergangenheit bewachsen war. Sie geben auch Aufschluss darüber, wann der Mensch sich in seinem Umfeld niederließ und wovon er sich beispielsweise ernährte. Bohrungen im Turbastall haben ergeben, dass die Torfschicht bis zu sechs Meter in die Tiefe reicht und das Moor rund 12.640 Jahre alt ist. Es hat also zu wachsen begonnen, als Vorarlberg noch lange nicht besiedelt war. In den tiefsten Schichten wurden Muscheln und Schnecken entdeckt, die darauf hinweisen, dass sich an dieser Stelle im Eggwald zum Ende der Eiszeit ein kleiner See gebildet hatte. Diese Entdeckungen sind so spektakulär, dass Wissenschaftler der Universitäten Innsbruck und Amsterdam bereits Interesse an weiteren Untersuchungen angemeldet haben.

Mit Infotafeln, Exkursionen und einem begehbaren Steg will der Verein Schöcha aber vor allem möglichst viele Menschen aus der Region für das Naturjuwel begeistern und so langfristig den Erhalt sicherstellen. Wichtig ist den Naturschützern auch zu betonen, dass keineswegs Fische, Schildkröten oder andere Haustiere in den Biotopen „entsorgt” werden dürfen, weil solche nicht standortangepassten Zuzügler das natürliche Gefüge zerstören. Sie laden aber alle Interessierten dazu ein, das Treiben am Weiher im Auge zu behalten. „Es gibt das ganze Jahr über viel zu entdecken”, erklärt der Rönser Biologe Reinold Amann, der die Entwicklung der Riedflächen regelmäßig mit seiner Kamera dokumentiert. Wer ein bisschen Geduld aufbringt, kann etwa eine Wasserspitzmaus und räuberische „Rückenschwimmer” bei der Jagd  beobachten oder Libellen in allen Farben bei der Häutung oder Paarung zusehen. 

Der Vereinsvorstand freut sich auch über neue Mitglieder und Unterstützer. Interessierte können sich jederzeit bei Obmann DI Georg Rauch melden (E-Mail: rauch.g@aon.at, Tel. 05524/2990).

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