Schönes aus alten Schläuchen

Brigitte Ranacher-Payer schmeißt nicht gerne Dinge weg. Wachsreste gießt sie zu neuen, perfekt aussehenden Kerzen, jeder Wollrest wird für Strick- oder Häkelarbeiten genutzt. Ganz besonders gerne verhilft die Göfnerin aber alten LKW-Planen, Lederjacken, Fahrrad- oder Feuerwehrschläuchen zu einer schicken Zweit-Karriere.

FOTOS: TM-HECHENBERGER

Brigitte Ranacher-Payer hat in ihrem Leben schon einiges ausprobiert. Sie hat bereits in der Industrie, einer Metzgerei und in einer Schuhfabrik gearbeitet, war beruflich als Bus- oder LKW-Fahrerin unterwegs. „Das waren tolle Jobs”, erzählt sie. Ihre große Leidenschaft galt aber immer schon der Schneiderei. Als junge Mutter nähte sie für die ganze Familie die Kleider selbst – bis hin zum Schianzug. Die handwerklichen Kniffe dafür hatte die gebürtige Kärntnerin in der Textilschule Villach gelernt. Und eigentlich hätte sich Brigitte Ranacher-Payer gerne noch intensiver mit der Schneiderei beschäftigt. In der Region nahe Heiligenblut, in der sie aufgewachsen ist, gab es allerdings keine Möglichkeit, eine entsprechende Lehre oder weiterführende Schule zu besuchen.
Dort wurde Brigitte Ranacher-Payer aber ohnehin bald alles zu eng. Als ihr erster Mann eine Stelle in Vorarlberg annehmen wollte, war ihr dies nur allzu recht. Mit 21 Jahren verließ sie ihre Heimat, um sich ganz im Westen Österreichs eine neue Existenz aufzubauen.

„Ich hatte immer lässige Jobs”, erzählt sie aus dieser Zeit – und in ihrer Freizeit griff sie natürlich zu Nadel und Faden. Aber auch beruflich ergaben sich öfters Gelegenheiten, ihre Nähkenntnisse einzusetzen. So übernahm Brigitte Ranacher-Payer etwa während ihrer Karenzzeit Änderungsarbeiten für Mode-Boutiquen oder nähte im Auftrag der Firma Vonblon Gurtzeug für Paragleiter.

„Da habe ich viel für meine jetzige Tätigkeit gelernt”, erzählt sie. Denn vor rund zehn Jahren entschloss sie sich, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Unter dem Label „Brana Taschnerei” kreiert sie seither vor allem Taschen – von der Mini-Geldbörse über verschiedenste Stifte-, Kosmetik- oder Sporttaschen bis hin zum extragroßen Shopper oder der edel verarbeiteten Handtasche mit Extrafach für den Laptop. „Ich mache aus jedem kleinen Schnipsel noch etwas Brauchbares und Schönes”, strahlt Brigitte Ranacher-Payer. Billig-Mode, die nach zweimaligem Waschen weggeworfen wird, kann sie absolut nichts abgewinnen. Mit ihren Produkten will sie die Menschen wieder für den Wert von Dingen sensibilisieren. Aus kleinen Stofffitzelchen entstehen bei ihr eben Mini-mini-Täschchen oder Schlüsselanhänger.

Kreativ-Werkstatt im Keller

Eine Zeit lang werkte Brigitte Ranacher-Payer in Feldkirch-Gisingen, bevor sie sich im Untergeschoss ihres Eigenheims in Göfis eine Werkstatt mit professioneller Sattlermaschine, Industrienähmaschine und allem, was man sonst noch in einer Taschenmanufaktur benötigt, eingerichtet hat. Ihr Material – ausgediente Fahrrad- oder Feuerwehrschläuche, LKW-Planen, abgetragene Jeans, Lederjacken und vieles mehr erhält sie von den Florianijüngern, Industriebetrieben und Fahrradhändlern in der Region oder direkt von ihren Kunden. Sogar aus einem alten Taucheranzug hat Brigitte Ranacher-Payer schon coole Taschen geschneidert. Außerdem sieht sie sich gerne auf Flohmärkten nach Brauchbarem um. „Wenn ich dann ein Stück besonderen Stoff entdecke, kann ich einfach nicht widerstehen”, bekennt die Kreative. Ihr Lager ist stets gut gefüllt, sodass sie alles Nötige zur Hand hat, wenn ihr danach ist, loszulegen.

Es ist allerdings nicht ganz einfach, die unhandlichen Feuerwehrschläuche und Planen für die Weiterverarbeitung vorzubereiten. Brigitte Ranacher-Payer hat dafür eigens eine zweite Waschmaschine angeschafft, mit der sie das Material erst einmal gründlich reinigt. Dann werden die Schläuche getrocknet, längs aufgeschnitten und aufgerollt. Jedes einzelne Stück verschwindet so lange in den Regalen, bis die begeisterte Recyclerin eine Vorstellung für genau dieses Material im Kopf hat.

Ein zeitloser Raum

Brigitte Ranacher-Payer genießt die Zeit in ihrer Werkstatt. „Das ist ein zeitloser Raum, die Arbeit dort hat etwas Meditatives”, erzählt sie. Sie hat plötzlich eine Vorstellung von einer besonderen Kombination oder einem speziellen Detail, eilt in den Keller „und schon sind drei Stunden um. Glücklicherweise hat mein Mann Verständnis”, schmunzelt sie. „Werkstatt-Hund” Ilvy ist meist stille Zeugin des kreativen Schaffens.

Gleich neben ihrer Werkstatt lädt Brigitte Ranacher-Payer in einen kleinen Schauraum, in dem die kreativen Taschen nach Herzenslust probiert werden können.

Gerne greift Brigitte Ranacher-Payer auch die Anregungen ihrer meist weiblichen Kundschaft auf, passt das Innenleben der Taschen an deren individuelle Bedürfnisse an, bringt ein passendes Reißverschlussfach für Krimskrams genau dort an, wo es der künftigen Trägerin praktisch erscheint. Sogar Taschen mit speziellen Tätowierungen hat sie auf Kundenwunsch schon hergestellt. Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass Brigitte Ranachers Taschen nicht nur praktisch, nachhaltig und schick, sondern auch hochwertig verarbeitet sind. Die Firma Omicron stattet ihre neuen Mitarbeiter regelmäßig mit Rucksäcken aus der Brana Taschnerei aus, und auch andere Betriebe sowie Vereine lassen aus ausgedienten LKW-Planen und Veranstaltungs-Transparenten Taschen schneidern. Viele Stammkundinnen melden sich immer wieder in der Taschnerei in Göfis, wenn sie ein besonderes Geschenk oder das perfekte Accessoire zu einem speziellen Outfit suchen.

Außerdem bietet Brigitte Ranacher-Payer ihre kreativen Produkte gerne auf Märkten in der Region zum Verkauf an. Sie schätzt den direkten Kontakt zu anderen Kreativen und interessierten Kunden. Und dies ist auch der Grund, warum die vielbeschäftigte Zwillings-Oma jeden Donnerstag Nachmittag am Ketschelenhof in Gisingen Dienst tut. Brigitte Ranacher-Payer ist nämlich aktives Mitglied beim Verein KUNSchT inna – einer inspirierten und handwerklich versierten Damenrunde, die am Ketschelenhof einen kleinen Laden betreibt, in dem all jene, die Handgemachtes und Besonderes suchen, fündig werden. „Es macht großen Spaß, sich mit anderen auszutauschen”, freut sich Brigitte Ranacher-Payer auf ihren wöchentlichen Einsatz.

Der Laden im Ketschelenhof (Ketschelenstraße 1 in Feldkirch-Gisingen) ist am Montag und Donnerstag jeweils von 14.30 bis 18 Uhr, am Freitag von 8.30 bis 12 und von 14.30 bis 18 Uhr sowie am Samstag von 9 bis 12 Uhr geöffnet.

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