Handwerkliches Geschick, Liebe zur Natur und einen ausgeprägten Sinn für Schönes – Petra Senti und Gerhard Latzer wissen diese Talente zu nutzen. Im ehemaligen Pferdestall gleich neben ihrem Wohnhaus in Nenzing haben die beiden einen Ort geschaffen, an dem tagtäglich Dinge entstehen, die dem Paar selbst und anderen Menschen gut tun.
FOTOS: TM-HECHENBERGER, PRIVAT
„Jede Menge Platz, Hügel, ein Bach – es ist alles da“, schwärmt Petra Senti von dem „bsundriga Plätzle“, an dem sie mit ihrer Familie lebt. Bärlauch, Giersch und andere wilde Kräuter, die sie sehr schätzt, wachsen direkt vor der Haustür. Eine Linde, ein großer Nussbaum und verschiedenste Beerensträucher prägen den Garten schon seit vielen Jahren. Als die Kinder der Patchwork-Familie mit dem Älterwerden das Interesse an ihren vierbeinigen Freunden verloren, wurde außerdem der ehemalige Pferdestall frei. Petra Senti und Gerhard Latzer erkannten das Potenzial und investierten fünf Jahre lang viel Arbeit, um sich ihren Traum von einem Leben ganz im Rhythmus der Jahreszeiten zu erfüllen, der zudem zum Lebensunterhalt beitragen sollte.
Die Verwandlung des Pferdestalles in einen gemütlichen Kreativ- und Verkaufsraum haben sie bis ins Detail selbst geplant und umgesetzt. Schließlich ist Gerhard Latzer gelernter Zimmermann und kann auf vielfältige praktische Erfahrungen am Bau zurückgreifen. Sogar die massive Küchen-Arbeitsplatte aus schwarzem Beton hat er selbst gegossen, die Türfronten aus altem Holz gestaltet. Parallel dazu absolvierte Petra Senti eine Ausbildung zur Kräuterpädagogin, beschäftigte sich mit den Rezepturen „grüner Kosmetik“ sowie ritueller Räucherkunde und stürzte sich mit großem Eifer in ihre textilen Hobbys. Schon seit vielen Jahren näht, filzt, spinnt und strickt sie leidenschaftlich gerne. Und es ist ihr ein Anliegen, dass altes Wissen – von der Wirkkraft verschiedenster Kräuter bis hin zur Arbeit am Spinnrad – nicht verloren geht. Diese Mission verfolgt sie mit großem Eifer und viel Gespür.
„Meine Schwägerin zieht mich immer auf, bei mir sei ‚Schöner Wohnen‘ angesagt“, lacht sie. Jede Ecke ihres Zuhauses – und natürlich ihres Arbeitszimmers – ist liebevoll mit Naturmaterialien und Textilem dekoriert. In diesem gemütlichen Ambiente weiht sie auf Anfrage Interessierte im Rahmen von verschiedensten Kursen in ihr Wissen ein. Die Nenzinger Volksschüler sind regelmäßig zu Gast, und auch andere Schul- und Kindergartengruppen sowie Erwachsene werkeln gerne unter ihrer Anleitung. Seit letztem Jahr engagiert sich Petra Senti außerdem bei LandHand International – einer Arbeitsgemeinschaft, die sich zusammengefunden hat, um alte Handwerkstechniken zu fördern.
Werkstall – der Name ist Programm
„Es war gar nicht so leicht, einen passenden Namen für unser Vorhaben zu finden“, berichten Petra Senti und Gerhard Latzer. Doch als an Weihnachten 2019 der Umbau gut gelungen und eine attraktive Produktpalette aufgebaut war, kam der Geistesblitz ganz von allein. „Werkstall“ ist seither nicht nur der Name des heimeligen Häuschens, sondern auch das Label, unter dem Petra Senti und Gerhard Latzer Handgefertigtes anbieten und ihren Traum leben.
Während Petra Senti ursprünglich aus Viktorsberg kommt und nach dem Besuch der HLW lange Zeit beruflich eher ein „Büromensch“ war, ist Gerhard Latzer in einer Bauernfamilie in Nenzing aufgewachsen. Wohl auch deshalb hat er von jeher einen besonderen Draht zu Tieren. Seit einem Ausflug auf eine Lama- und Alpakafarm sind ihm aber diese zutraulichen Kamelarten ganz besonders ans Herz gewachsen. „Lamas sind ein Spiegel der Seele“, ist er überzeugt. „Wenn du nervös bist, wird sich das Tier ebenfalls nervös verhalten, wenn du mit dir im Reinen bist, ist es die Ruhe selbst.“ Auch ihr Verhalten in der Gruppe – „sie schauen aufeinander wie die Mitglieder einer Familie“ – beeindruckte den Nenzinger nachhaltig, sodass er bald stolzer Besitzer einer Lama-Herde wurde.
Die Wolle der Tiere verarbeitet Petra Senti unter anderem zu hochwertiger Seife. Sie schätzt die pflegende Wirkung des Keratins, welches frei wird, wenn sie die Tierhaare in der Lauge auflöst. Außerdem befüllt sie selbst genähte Kissenbezüge mit Lamawolle und mischt – abgestimmt auf die künftigen Besitzer – ausgesuchte Kräuter bei. Um den Schlaf der Allerkleinsten zu unterstützen, empfiehlt die dreifache Großmutter beispielsweise Gänseblümchen, Lavendel und Holunderblüten.
Ursprünglich wollte Gerhard Latzer mit den Tieren außerdem Trekking-Touren anbieten. Eine schwere Krankheit hat dieses Vorhaben allerdings ziemlich ausgebremst. Denn für eine so verantwortungsvolle Aufgabe müssen die Tiere gut ausgebildet sein. Lange Zeit fehlte Gerhard Latzer dafür die Kraft. Trotzdem ist er froh, dass er sich jeden Tag um seine aktuell neun Lamas kümmern darf. „Das hilft mir gesund zu werden“, ist er sich sicher. Und natürlich zieht auch seine Partnerin alle Register, um ihn dabei zu unterstützen, schleppt Kräutertees, Salben, Tinkturen, aber auch selbstgemachte Liköre zum „Aufpäppeln“ herbei.
Die Kräuter, die sie verarbeitet, erntet Petra Senti im riesigen Garten, der Haus und Werkstall umgibt, trocknet sie sorgfältig und lagert sie dann in gut verschlossenen Glasbehältern 24 Stunden lang im Gefrierschrank. Auf diese Weise kann sie ausschließen, dass sich möglicherweise eine Motte einnistet. Eine einwandfreie Qualität ihrer Produkte hat bei Petra Senti nämlich oberste Priorität.
„Ich will einfach alles ausprobieren“, weist sie lachend auf die Regale im Werkstall, wo sie je nach Jahreszeit unterschiedlichste Produkte präsentiert – allesamt fein säuberlich etikettiert und liebevoll verpackt. Die Palette reicht von Kulinarischem über Pflegeprodukte bis hin zu Dekorativem für Zuhause. Die Menschen, die vor allem über Mundpropaganda in den etwas versteckt liegenden Werkstall finden, zeigen Verständnis dafür, wenn nicht immer alle Produkte vorrätig sind. „Was aus ist, ist aus“, erklärt Petra Senti, „alles hat seine Zeit.“ Es ist ihr wichtig, bei sich zu bleiben, sich nicht in Stress zu bringen und sich immer wieder darauf zu besinnen, was ihr wirklich wichtig ist.
Gesundheitskick aus der Natur
So sehr sie die Ruhephasen im Winter genießt, freut sie sich bereits darauf, wenn bald die ersten Gänseblümchen und Brennnesseln sprießen. Beide mischt sie im Frühling gerne in den Salat. Werden die Brennnesseln gründlich mit dem Nudelholz „gewalkt“, verlieren die feinen Nesselhärchen ihre schmerzhafte Wirkung. Doch auch wie Spinat zubereitet kommt dieses „Unkraut“ bei Petra Senti auf den Tisch, zur Entschlackung trinkt sie den Tee. „Zwei Brennnesselspitzen pro Tasse genügen“, rät sie. Gänseblümchen und Brennnessel sind auch wichtige Zutaten der traditionellen „9-Kräuter-Suppe“, mit der vielerorts die Fastenzeit eingeläutet wird. Aus den ersten Gänseblümchen stellt Petra Senti außerdem ein natürliches Mittel gegen Husten her. „Gänseblümchen enthalten Saponine. Diese wirken schleimlösend und auswurffördernd“, weiß die Kräuterpädagogin. Deshalb schichtet sie diese Frühlingsboten mit Honig in ein Glas, lässt die Mischung zirka drei Wochen lang im Dunkeln stehen und wendet das Glas in dieser Zeit immer wieder. Danach wird der Honig im Wasserbad leicht erwärmt, um ihn zu verflüssigen, die Pflanzenteile werden mit einem Sieb abgeseiht. Wen der Husten plagt, nimmt von diesem Sirup immer wieder einen Teelöffel ein.
Mit den steigenden Temperaturen beginnt für Petra Senti und Gerhard Latzer eine anstrengende Erntezeit im Garten – und damit eine neue Saison für unterschiedlichste Produkte – je nachdem, was das Jahr hergibt. Man darf also gespannt sein, was im „Werkstall“ in den nächsten Monaten so alles „gewerkelt“ wird. Auf eines kann man sich laut Petra Senti und Gerhard Latzer aber auf jeden Fall verlassen:
„Alles was wir anbieten, hat eine gute Energie”
