Alpenwhisky – Waiting for 10

2021 wird Peter Summer zum ersten Mal einen zehnjährigen Alpenwhisky probieren – selbst gebrannt in Nenzing. Und wenn die Natur mitspielt, verspeist er zuvor ein Nudelgericht – mit eigenen Trüffeln aus Satteins. Feine Weine hat er sowieso im Keller – aus eigenen Trauben in Vorarlberg selbst gekeltert.

FOTOS: TM-HECHENBERGER, INGIMAGE

Nur sehr wenige Menschen haben Zugang zur Brennerei und zum Reifekeller an der Nenzing-Frastanzer Gemeindegrenze. Den Alpenwhisky gibt es ausschließlich bei Wein- und Spirituosen-Fachhändlern – etwa bei Wein Rieder in Bürs, im Zeughaus Götzis oder in der Vinothek Jenny in Schruns.

Peter Summer ist ein Feinspitz. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich intensiv mit jenen Köstlichkeiten, die er selbst besonders gerne genießt. Allerdings nicht nur bei Restaurant-Besuchen. Mit edlen Tropfen – allen voran seinem Alpenwhisky – hat der Autodidakt längst einen wahren Fanclub erobert. 

Begonnen hat aber alles mit Wein. Der gelernte Schriftsetzer suchte eine neue berufliche Herausforderung. Als Ausgleich zum vielen Büffeln in der Krankenpflegeschule pflanzte Peter Summer auf einem Grundstück in Klaus gut 50 Weinstöcke. Bald kamen 300 weitere dazu – und wenige Jahre später betreute er neben seiner Arbeit als Pfleger im Landeskrankenhaus Rankweil 5500 Rebstöcke auf einer Fläche von eineinhalb Hektar – in verschiedenen Lagen in Klaus, Weiler und Satteins. 1990 füllte der Nenzinger die ersten selbst gekelterten Blauburgunder und Müller Thurgau in Flaschen ab. Später wechselte er die Weißwein-Sorte auf Chardonnay. 

Der begeisterte Weinbauer setzte von Anfang an auf beste Qualität. Nur sechs bis maximal acht Traubenrispen ließ er am Rebstock reifen und zu Weinen vergären, die sogar ausgezeichnete Restaurants im Land gerne ausschenkten. „In Vorarlberg ist aber nur alle acht Jahre ein wirklicher Spitzenwein möglich”, erinnert sich Peter Summer an so manches Jahr, in dem er mit falschem Mehltau kämpfte oder der Hagel einen ganzen Weinberg vernichtete. 

Der arbeitsintensive Nebenjob wurde ihm schließlich zu viel. Heute werden die – deutlich reduzierten – Weingärten von Peter Summers Schwager betreut. Das Keltern übernimmt er aber nach wie vor selbst. In Sachen Wein will der Nenzinger wieder durchstarten, wenn er in Pension geht. „Dann aber mit Piwi-Sorten”. Das sind europäische Weinreben, die mit amerikanischen Wildsorten gekreuzt wurden und dadurch widerstandsfähiger gegen Pilzkrankheiten sind. Schließlich will er ohne Spritzmittel auskommen und so gut es geht mit dem Kreislauf der Natur arbeiten. 

Der Weinbau hat ihn aber auch auf die Fährte seiner nächsten Leidenschaft geführt. Denn beim Keltern blieb eine ordentliche Menge an Trester übrig. „Der ist zu schade für den Kompost”, befand der frisch gebackene Weinbauer und sah sich nach anderen Verwertungsmöglichkeiten um. Das nächste Ziel war bald klar: ein edler Grappa. Peter Summer fand einen älteren Frastanzer, der ihn in die Geheimnisse des Schnapsbrennens einwies. Natürlich hat er sich aber auch mit diesem Thema nicht nur oberflächlich befasst. „Der Grappa ist immer aufgegangen”, berichtet er. Es dauerte nicht lange, bis er sein Schnaps-Angebot auf Gin, Zitronenbirnen-, Vogelbeeren- und andere begehrte Edelbrände erweiterte. So hat er etwa hinter dem Haus extra 18 Bäume gepflanzt, von denen er alle zwei Jahre „Wahl‘sche Schnapsbirnen” ernten kann. 2018 wog die Ernte 400 Kilogramm, die er schlussendlich zu zehn Litern hochwertigem Edelbrand verarbeitete. „Die Wahl‘sche Schnapsbirne ist eine Zicke”, erklärt der Feinschmecker. „Man muss warten, bis sie von selbst fällt und dann gleich verarbeiten, weil sie sonst innen faul wird.” Wegen des intensiven Geschmacks stellt sich Peter Summer aber gerne auf die Launen dieser Birnenart ein.

Destillerie mit „Hut”
Peter Summer brennt seit 25 Jahren Hochprozentiges. Seine Brennerei wird mit Holz beheizt, hat aber einen kegelförmigen Hut, der sich speziell für die Whisky-Herstellung eignet.

Bald waren die Ideen aber so mannigfaltig, dass es ihn nervte, dass die fahrbare Genossenschafts-Brennerei nicht immer zur Verfügung stand, wenn er eine davon umsetzen wollte. Außerdem wünschte er sich etwas mehr Komfort. „Ich wollte nicht immer im November/Dezember bei minus zehn Grad draußen in der Kälte an der Brennerei stehen oder gar noch die Trester-Reste meines Vorgängers wegputzen”, nennt er die Gründe, warum eine wunderschöne kupferfarbene Destillerie in seinem Keller Einzug hielt. 

Die unterscheidet sich allerdings von den in Vorarlberg üblichen Verschlussbrennereien. Denn Peter Summer ist ein absoluter Fan feiner Whiskys. Mit Freunden hatte er schon mehrere Male die Isle of Islay und die legendären Destillerien dort erkundet. Wenn er also schon in eine eigene Brennerei investierte, dann sollte es eine sein, die sich auch für die Herstellung von Whisky optimal eignet. Gesagt getan. Er ließ sich für seine Brennerei extra einen kegelförmigen „Hut” anfertigen, der verhindert, dass der Dampf im nach unten geneigten „Lyne-Arm” immer wieder kondensiert und in die Maische zurück tropft. „Der Whisky wird dadurch gehaltvoller. So bleiben die Fette aus dem Getreidekeim erhalten”, erklärt Peter Summer, „im Rohbrand schwimmt ein richtiger Fettfilm, der dann die Aromen transportiert.”

Eigenständiger Vorarlberger Whisky – keine Kopie

Abgesehen von dieser langsamen Brennmethode – ein Feinbrand dauert in der Regel zehn Stunden – will der Nenzinger aber nicht einfach schottischen Whisky kopieren. Ihm ist bewusst, dass dies gar nicht möglich ist, weil zu viele gesetzliche Vorgaben und auch das Klima sich wesentlich auf die Produktionsmethoden auswirken. Peter Summers Ehrgeiz war es immer, einen eigenständigen Vorarlberger Whisky herzustellen. Dafür bezieht er ausschließlich Biogetreide aus einer kleinen Mälzerei in der Nähe von Linz. Er ist nämlich überzeugt davon, dass Bio-Lebensmittel einen größeren inneren Wert haben. „Das merkt man auch bei der Vergärung.” Während eine konventionelle Maische ganz langsam anfange zu gären und dann förmlich explodiere, freut er sich darüber, dass sein Bio-Malz schön gleichmäßig vergärt und dabei viel Geschmack entwickelt. Auf den in Schottland üblichen „Wash” verzichtet er ebenfalls. Die Schotten trennen nämlich die festeren Bestandteile vom Flüssigen, um beim Brennvorgang Energie einzusparen. Peter Summer: „Doch das fällt bei meinen Mengen nicht ins Gewicht.” In Schottland muss der Vor- und Nachlauf aus zolltechnischen Gründen im Destillationskreislauf bleiben. Peter Summer: „Das macht den Whisky sicher komplexer, er braucht aber auch eine längere Lagerzeit, damit sich die feints und foreshots zum Großteil wieder verflüchtigen können.” Der Alpenwhisky schmeckt hingegen bereits nach drei Jahren Reife.

„Praktikum” auf der Isle of Islay

Weil er nichts an Geschmack einbüßen soll, wird er vor der Flaschenabfüllung nicht filtriert. Damit der Nenzinger in Sachen Trübung trotzdem auf der sicheren Seite ist, gibt es seinen Alpenwhisky nicht unter einem Alkoholgehalt von 48 Prozent. Ehrensache ist außerdem, dass Peter Summer die Farbe nicht künstlich intensiviert. Der schöne Braunton kommt ausschließlich vom Fass. „Das Fass-Management ist das Wichtigste. Es macht 70 Prozent des Geschmacks aus”, hat Peter Summer bei Kilchoman auf der Isle of Islay gelernt. Eine Woche lang durfte er in der für schottische Verhältnisse mit einer Jahresproduktion von 100.000 Litern kleinen Destillerie sämtliche Arbeitsschritte genau studieren. Seine Frau Gabi hatte dem begeisterten Brenner zum runden Geburtstag ein solches „Praktikum” vermittelt, bei dem er viele spannende Einblicke erhielt. Von diesem Aufenthalt hat er viel mitgenommen, aber ebenso erkannt: „Die kochen auch nur mit Wasser.”

Peter Summer lässt seinen Whisky in Bourbon Fässern sowie in Fässern reifen, in denen zuvor Spaniens süßester Sherry Pedro Ximénez abgefüllt war. „Die geben dem Whisky einen Anflug von Maggikraut”, schwärmt der Kenner. Seine große Leidenschaft für Whisky hat dazu geführt, dass Peter Summer im Landeskrankenhaus Rankweil nur noch Teilzeit arbeitet. Stattdessen steht er 600 Stunden im Jahr an der Brennerei. Sein Alpenwhisky ist längst ein Renner. Außerdem versucht er sich momentan an Weinbrand und Portwein. 

Périgord-Trüffel aus Satteins

Und auf dem ehemaligen Weinberg in Satteins, dem vor einigen Jahren der Hagel den Garaus gemacht hat, läuft ein weiteres Experiment: Auf dem 800 Quadratmeter großen Grundstück hat er vor acht Jahren insgesamt hundert Hainbuchen, Baumhasel und Schwarzföhren angepflanzt, die allesamt mit Pilzsporen geimpft sind. Peter Summer hofft darauf, dass das Pilzmyzel unter der Erde sich im Laufe der Jahre über das gesamte Grundstück ausgebreitet hat. Dann könnte er heuer nämlich erstmals eigene Périgord-Trüffel ernten. Die haben es ihm nämlich angetan, seit er mit seiner Frau zum ersten Mal in Alba war. Und eigentlich müssten sie auch im Vorarlberger Klima gedeihen…

Trüffelsuche
Der einjährige Rocky soll sich zu einem guten Trüffel-Sucher entwickeln. Peter Summer bereitet ihn spielerisch auf diese Aufgabe vor.

Peter und Gabi Summer besuchten vor einigen Jahren den Schweizer Trüffel-Experten Fredy Balmer. Sie begleiteten ihn auf der Trüffelsuche im Wald in Salvenach in der Nähe des Genfer Sees. „Wir haben damals ohnehin überlegt, einen Hund anzuschaffen”, berichtet Peter Summer. Aufgrund dieser Erfahrung entschieden sie sich für einen Lagotto romagnalo – eine Rasse, die sich bei der Trüffelsuche bewährt. Ob sich der begehrteste aller Speisepilze wirklich auf seinem Grundstück in Satteins entwickelt hat, wird sich diesen Herbst herausstellen, wenn ein professioneller Züchter mit seinem Hund anreist. Denn der einjährige Rocky ist noch nicht erfahren genug für diese Arbeit. Sein älterer Kollege im Hause Summer, Billy, leidet an einer schweren Krankheit, die ihn für die Trüffelsuche unbrauchbar macht.

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