„Es isch a bsundrige Tätigkeit, do brucht‘s bsundrige Lüt.” Während Bestatter früher ihrer Arbeit möglichst unauffällig nachkamen, sind Christoph Feuerstein und sein Team sichtlich stolz auf das, was sie tun.
Bestatter – dieses Wort hat nicht unbedingt den besten Klang. Dies wurde Christoph Feuerstein vor Jahren bei einem Seminar so richtig bewusst. Die Referentin hatte gefragt, mit welchem Beruf sich die Kursteilnehmer – sie waren allesamt Bestatter – im Hotel eingetragen hätten. Kein einziger hatte sich „geoutet”, sie waren stattdessen Schreiner, Kaufmann oder Geschäftsmann. Diese Episode brachte Christoph Feuerstein zum Nachdenken. Denn eigentlich liebt er seinen Beruf. Warum sich also verstecken?
„Kein Todesfall ist wie ein anderer”
„Du musst nicht groß nachfragen, sondern nur deine Sensoren ausfahren, dann bekommst du genügend Informationen”, freut er sich, wenn er für die Angehörigen zum einfühlsamen Begleiter in schwierigen Tagen wird. „Es ist eine Befriedigung, wenn sie dann sagen, genau so haben wir uns die Verabschiedung gewünscht, oder genau so wollte es der Verstorbene.”
Deshalb hat er auch in ein eigenes Bestattungshaus investiert, das viel mehr ist als nur ein neues Firmengebäude. Denn hier ist alles darauf ausgerichtet, dass sich die Angehörigen in einem stilvollen Rahmen verabschieden können, damit auch die Trauerarbeit gelingen kann.
Warme Lehmwände, geschmackvolle Möbel und Blumenschmuck, eine Musikanlage, die alle Wünsche erfüllen kann – im Bestattungshaus Feuerstein ist keine Verabschiedungsfeier wie die andere. „Denn kein Todesfall ist wie ein anderer.” Das Team stellt sich zeitlich und gestalterisch ganz auf die Trauernden ein. Mal läuft eben Rockmusik, mal ein Orgelchoral.
Früher durften nur Gemeinden und Kirchen Tote aufbahren
Als Christoph Feuerstein vor drei Jahrzehnten erstmals in Deutschland ein Haus dieser Art betrat, war er fasziniert. „Vorarlberg hat schöne Friedhöfe, aber oft fehlt eine Möglichkeit zur Aufbahrung, ein schöner Ort zum Abschiednehmen.” Doch im Land war an ein Bestattungshaus, in dem auch Verabschiedungen durchgeführt werden, nicht zu denken. Der Gesetzgeber erlaubte es nur Gemeinden und Kirchen, Tote aufzubahren. Eine Novelle der Gewerbeordnung brachte 2004 dann die entscheidende Veränderung.
Für Christoph Feuerstein hat sich der Beruf des Bestatters in den letzten Jahrzehnten wesentlich gewandelt. Früher war in erster Linie handwerkliches Geschick gefragt. Auch Christoph Feuerstein hat nach der Handelsschule – auf Wunsch des Vaters – die Schreinerlehre absolviert und dann die Prüfung für den Befähigungsnachweis als Bestatter bestanden. Damals musste man noch eine Konzession haben, heute ist dieses Gewerbe frei. Trotz anfänglicher Zweifel hat sich Christoph Feuerstein entschieden, in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Gemeinsam mit seinem Bruder Thomas führte er das Bestattungsunternehmen und die Tischlerei. Als klar wurde, dass jeder der Brüder sich in seinem Bereich spezialisieren wollte, wurde das Unternehmen 2008 geteilt. Und Christoph Feuerstein ging an die Realisierung seines ganz besonderen Traumes.
Abschied nehmen – ganz individuell
Vor fünf Jahren wurde das neue Bestattungshaus in der Pulverturmstraße in Betrieb genommen – und das gesamte Team ist in neue Aufgaben hineingewachsen. So hatte Christoph Feuerstein etwa niemals vor, Verabschiedungsfeiern und Jahresgedächtnisse selbst zu leiten. „Wir waren den vorletzten Tag beim Putzen”, erinnert er sich an die letzten „Baustellen-Tage”. Eine junge Witwe kam vorbei. Der Mann hatte ihr genau aufgetragen, wie er sich seine Trauerfeier wünschte. Zeit, Blumen, der Personenkreis, die Musik, und ein persönlicher Text – alles war vorab genau festgelegt. Was der Frau fehlte, war eine geeignete Räumlichkeit. Es wurde die erste Verabschiedung im neuen Bestattungshaus – und genau so wie der Verstorbene es sich gewünscht hatte. Und Christoph Feuerstein entschied aus dem Bauch heraus, dem Wunsch der jungen Witwe zu entsprechen, und die Feier zu leiten. Seither hat er schon viele Trauerreden gehalten und den Ablauf moderiert. „Eine schöne und total faszinierende Aufgabe.”
Denn viele Menschen gehören keiner Glaubensgemeinschaft an und brauchen anderen Beistand. Zudem ist die Familie oft über den ganzen Erdball verteilt. Während die Angehörigen früher rasch um das Totenbett versammelt waren, kommt es heute oft vor, dass mit der Verabschiedung auf einen Sohn, eine Tochter gewartet werden muss, die von weit her erst anreisen muss. Oder der Verstorbene selbst muss nach Übersee verschifft werden, weil er an einem anderen Ort bestattet werden möchte.
Mit modernen Kühlfächern und dem nötigen logistischen Wissen ist das Bestattungshaus Feuerstein auch für solche Fälle gerüstet. Einer der Mitarbeiter, Gotthard Loretz, hat sogar einen zweijährigen berufsbegleitenden Uni-Lehrgang absolviert. Als ausgebildeter Thanatopraktiker weiß er genau, was zu tun ist, damit die Angehörigen sich in aller Ruhe von dem Verstorbenen verabschieden können. Seine besondere Sorge gilt Unfallopfern. Wenn sich dann aber auch kleine Kinder am Sarg verabschieden können, ohne zu erschrecken, hat er seine Sache gut gemacht.
Trotzdem – es gibt Dinge, die gehen tiefer. Deshalb sind die Mitarbeiter der Firma Feuerstein selten allein unterwegs, wenn sie zu einem Todesfall gerufen werden. „Jeder muss da seine eigene Strategie entwickeln, um eine gewisse Distanz zu wahren”, erklärt Rainer Batlogg. Für ihn ist der gemeinsame Kaffee am Morgen in der Firma ein wichtiges Hilfsmittel, um schwierige Fälle aufzuarbeiten.
Vom Marketing-Büro ins Bestattungshaus
Rainer Batlogg hat sich vor zweieinhalb Jahren entschieden, Bestatter zu werden. Nach 15 Jahren im Marketing suchte er eine neue Herausforderung. Von seinem Schwager, einem Personalvermittler, hatte er erfahren, dass bei der Firma Feuerstein eine Stelle offen sei. Doch obwohl sich – zur allgemeinen Überraschung – 35 Bewerber gemeldet hatten, zeigte sich beim Hearing rasch, dass diese Bewerber alle etwas anderes tun wollten, dass ihnen aber „der Zugang fehlt”. Bezirksfeuerwehrinspektor Feuerstein wunderte sich jedenfalls, dass er beim Nasswettbewerb vom Bingser Feuerwehrkommandanten Rainer Batlogg immer wieder kritisch beäugt wurde. Die beiden vereinbarten dann, dass Rainer Batlogg ein halbes Jahr lang an den Wochenenden und abends mitarbeiten sollte, um zu sehen, ob das Bestattungswesen wirklich seine Berufung war. Er war begeistert, doch seine Frau und seine Freunde anfangs ziemlich skeptisch. „Das Bild, das alle vom Bestatter haben, entspricht nicht”, musste auch er erfahren – und ist trotzdem seinen Weg gegangen. „Wir wissen nicht, was uns erwartet, wenn wir um acht Uhr ins Büro kommen, aber wir tun es gern”, erklären die Mitarbeiter des Bestattungshauses unisono.