Ein Händchen für Stoffe und Stil

Alexandra Kegele begeistert sich von Kindesbeinen an für hochwertige Stoffe, ausgefallene Schnitte und modische Details. Ihre Leidenschaft für das Schneiderhandwerk lebt sie tagtäglich in ihrem Atelier in Bürs und vermittelt diese jungen Menschen, indem sie ihr Wissen an der Textil-HTL in Dornbirn weitergibt.

FOTOS: TM-HECHENBERGER, ATELIER ALEXANDRA KEGELE, PRIVAT

„Meine erste Modenschau habe ich 1986 organisiert”, lacht Alexandra Kegele. „Das war vielleicht ein Spektakel. Meine Eltern haben sich gar nicht getraut, hinzugehen.” Alexandra Kegele war damals Schülerin an der Polytechnischen Schule in Bludenz und träumte von einer Zukunft als Modedesignerin. Um ihre selbst geschneiderten Kleidungsstücke einem breiteren Publikum vorstellen zu können, setzte sie alle Hebel in Bewegung. 

Die damals 15-Jährige kontaktierte die Bludenzer Geschäftsleute, suchte Unterstützer und Sponsoren, begeisterte Freunde und Bekannte. Bei der Schulleitung und der Pfarre wurde sie anfangs gar nicht ernst genommen, als sie darum bat, den Turn- beziehungsweise den Pfarrsaal für Proben nutzen zu dürfen. 

Schlussendlich schaffte sie es aber, ein 45-köpfiges Team – allesamt im Alter zwischen 15 und 18 Jahren – zusammenzu­trommeln, das sich voller Begeisterung in die Vorbereitungen stürzte. Jede und jeder wurde nach seinen Fähigkeiten eingesetzt. Freundin Sandra Engstler, die gerade das Friseurhandwerk erlernte, erreichte etwa, dass die Mitarbeiter ihres Lehrbetriebs Henn den Models modische Frisuren verpassten. Ein angehender Zimmermann wurde damit beauftragt, einen Laufsteg aus Holz zu konstruieren, die Firma Tschabrun unterstützte beim Bühnenbau, Rene Engstler – damals Lehrling bei der Firma Lampert – übernahm Licht und Ton. Die Plakate wurden selbst gemalt, die Choreografie entstand in Teamwork. „Verpflegt wurden die jungen Models von der Metzgerei Pfleghar, und weil ich ja noch gar nicht so viele Modelle genäht hatte, haben wir in einem eigenen Durchgang auch Mode der Bludenzer Boutiquen vorgeführt”, blickt Alexandra Kegele heute noch gerne auf dieses Ereignis zurück, das von so vielen Menschen mitgetragen wurde. Sogar die Werbeabteilung der Firma Getzner Textil unterstützte sie tatkräftig. 

Heillos überbuchte Modeschau

In ihrer Begeisterung lockten die jungen Leute so viele Modebegeisterte in den damaligen Fohrensaal, dass dieser heillos überbucht war. Die Betreiber der Braugaststätte erklärten deshalb, dass sie so viele Menschen nicht mehr bewirten können und 4000 Schilling Saalmiete verlangen müssten, um die fehlenden Einnahmen wettzumachen. „Wir konnten aber nur auf freiwillige Spenden der Besucher hoffen”, erinnert sich Alexandra Kegele noch sehr gut an die anschließende Krisensitzung, bei der sich das Team schlussendlich darauf einigte, dass alle Beteiligten jeweils einen Beitrag von hundert Schilling leisten würden – zusätzlich zu der ganzen Arbeit. 

Die vielen kritischen Fragen, die ihr der damalige Chef des Bludenzer Schuhhauses, Kurt Reutterer, stellte, bevor er ihr passendes Schuhwerk für die Models zur Verfügung stellte, hat Alexandra Kegele ebenfalls noch gut im Kopf – und auch das Kompliment, das er der ganzen Truppe nach der Veranstaltung machte. „Er meinte nämlich, es sei die disziplinierteste Modenschau gewesen, die er bis dahin erlebt hatte.” Familie Tschol als Betreiber der Braugaststätte war schlussendlich vom Engagement der jungen Leute ebenfalls derart beeindruckt, dass sie auf die vereinbarte Saalmiete verzichtete. In der Folge wurden Alexandra Kegele und ihr Team sogar von mehreren Firmen und Organisationen für die Durchführung weiterer Modeschauen gebucht.

Das Handwerk von der Pike auf gelernt

 Den Schwung dieser Erfahrung nahm Alexandra Kegele später nach Salzburg an die Fachschule für Mode und Bekleidungstechnik mit, wo sie das Schneiderhandwerk von der Pike auf erlernen konnte. Sie war damals keine Anfängerin mehr, weil sie von Klein auf von Stoffen umgeben gewesen war. Schließlich hatte bereits die Oma geschneidert und auch die Mama war ausgebildete Schneiderin. 

Bei einem Speziallehrgang für Bühnenschneiderei in Wien genoss die gebürtige Brandnerin später die Freiheit, ihre Kreativität so richtig ausleben zu können. „Ich wollte damals Kostüme für Theater und Film entwerfen und habe mir vorgestellt, dass ich mit der Crew durch die Welt reise”, erzählt die Modebegeisterte. 

Es kam dann etwas anders. Denn erstens hatte die junge Frau schon in Salzburg und Wien unter Heimweh gelitten – und dann machte ihr eine Freundin das Angebot, ihr Geschäft in der Bludenzer Sturnengasse zu übernehmen. Alexandra Kegele griff spontan zu und war mit 24 Jahren die jüngste selbstständige Schneiderin der Zunft in ganz Österreich. 

„Das war wahrscheinlich ein Fehler”, sieht sie diese Entscheidung heute kritisch. Denn es reicht nicht, kreativ zu sein und gut nähen zu können, um einen Betrieb erfolgreich zu führen. Alexandra Kegele wurde mehrfach für ihre kreativen Entwürfe mit Design-Preisen geehrt. Dennoch blickt sie auf harte Zeiten als Unternehmerin zurück: „Ich hatte ja noch relativ wenig Praxis und musste sehr viel Neues lernen.” Trotz einiger schwieriger Phasen und einem kurzen Schwenk in die Gastronomie ist sie heute froh und dankbar, ihre Leidenschaft über so viele Jahre hinweg leben zu dürfen. „Es ist ein Geschenk, Leute glücklich zu machen und umsetzen zu dürfen, was man im Kopf hat.”

Die Vielseitigkeit des Schneiderhandwerks möchte Alexandra Kegele auch ihren Schülerinnen und Schülern an der HTL für Modedesign und Grafik in Dornbirn schmackhaft machen. „Wenn man jung ist, denkt man nur daran, Modedesigner zu werden”, weiß die Kreative aus eigener Erfahrung. „Dabei gibt es so viele spannende Möglichkeiten.” In ihrem Unterricht plaudert sie deshalb gerne aus dem Nähkästchen und lässt die Schülerinnen und Schüler an ihrem reichen Erfahrungsschatz teilhaben. Die jungen Leute sollen aus ihren Fehlern lernen dürfen. Doch auch die erfahrene Designerin profitiert vom Austausch mit den jungen Leuten und ihren Ideen. „Es macht mir unglaublich viel Spaß”, fährt sie auch nach 13 Jahren „Lehrerinnen-Alltag” immer gerne nach Dornbirn. Aktuell begleitet sie eine äußerst motivierte Abschlussklasse auf dem Weg zur Matura. 

Für eine Modeschau in Teneriffa entstand dieses extravagante Modell. (Foto: Imiak Khan)

Alexandra Kegele genießt es, tagtäglich mit so vielen unterschiedlichen Menschen zu tun zu haben, die sie mit verschiedensten Wünschen herausfordern. In ihrem eigenen kreativen Reich steckt sie natürlich besonders viel Herzblut in das Design und die perfekte Umsetzung großer Roben. Maßgeschneiderte Ball- und Hochzeitskleider aus hochwertigen Stoffen sowie aufwendige Kostüme mit kreativen Details lassen ihr viel künstlerische Freiheit.

So präsentierte sich etwa im letzten Fasching das Bregenzer Prinzenpaar von Kopf bis Fuß in Mode à la Alexandra Kegele. In den vergangenen Jahren hat die Kreative zudem ihr eigenes Label aufgebaut, das aktuell unter dem Motto „Kirschblüte küsst Edelweiß” auf eine spannende Mischung aus japanisch anmutenden Schnitten und Stoffen aus heimischer Erzeugung setzt. 

Vorarlberger Spitze hat es Alexandra Kegele besonders angetan. Sie gerät förmlich ins Schwärmen, wenn sie über die hochwertigen Stoffe streicht, die sie etwa für den Vorarlberger Stickerball zu extravaganten Kleidungsstücken verarbeitet hat. Stolz ist sie auch auf das figurbetonte Kleid mit langer Spitzenschleppe, das sie Schönheitskönigin Eva Zellhofer aus Lochau auf den Leib schneiderte, als diese sich vor gut zwei Jahren auf ihren großen Auftritt bei der „Mrs. World-Wahl” in Las Vegas vorbereitete.

Fashion-Recycling

Für ihre Stammkunden ändert die Kreative aber gerne auch mal ein Lieblingsstück, um es wieder passend zu machen oder etwas aufzupeppen. Dieses „Fashion-Recycling” – wie sie es damals nannte – praktiziert sie schon seit ihrem Start in die Selbstständigkeit vor 26 Jahren, und es ist heute unter dem Begriff „Upcycling” aktueller denn je. Alexandra Kegele freut sich, dass der Trend zur Fast Fashion wieder etwas abebbt und viele Menschen mehr Wert auf eine gute Qualität ihrer Kleidungsstücke legen. Sie ist überzeugt: 

„Corona hat unserer Branche gut getan.” 

Sie beobachtet mit Genugtuung, dass das Handwerk generell wieder an Wertschätzung zugelegt hat und sich auch junge Menschen gerne mal selbst an die Nähmaschine setzen, um ihre kreativen Ideen umzusetzen. 

Deshalb begrüßt sie es, dass die Wirtschaftskammer auf diesen Trend reagiert hat. Es gibt jetzt ein Ausbildungsangebot für Menschen, die gut nähen können, aber keine Schneiderlehre absolviert haben, damit sie Kinderkleidung ganz offiziell herstellen und verkaufen können.

Alexandra Kegeles eigene Kunden sind höchst unterschiedlich – vom 16-jährigen Mädchen, das das perfekte Kleid für einen besonderen Anlass sucht, bis zur betagten Dame von Welt, vom Faschingsprinzen bis hin zum akkurat gestylten Hotelier. Sie alle finden in erster Linie durch Mundpropaganda in ihr Atelier an der Bürser Hauptstraße, und viele halten ihr über Jahre und mehrere Ortswechsel die Treue. 

„Manche kommen mit sehr konkreten Vorstellungen”, erzählt die Designerin. Sie haben einen Rock für einen Ball gekauft und wollen eine passende Korsage, bringen ein Foto von einem Modell mit, das sie im Urlaub oder im Internet entdeckt haben, wollen das Kleid, den Mantel oder die Lieblingshose in einer anderen Farbe oder aus einem anderen Material. 

Nicht immer sind diese Wünsche realistisch, weil jeder Stoff anders fällt, nicht jeder Schnitt mit jeder Figur kompatibel ist, nicht jede Farbe zu jedem Typ passt. Dank ihrer langjährigen Erfahrung kann Alexandra Kegele jedoch meist eine Lösung anbieten. 

Und für jene, die noch nicht so genau wissen, wie ihr neues, maßgeschneidertes Lieblingsstück aussehen soll, hält sie jede Menge Fotos, Stoffmuster und Materialkarten bereit, mit denen sie ihre professionelle Beratung unterstützt. Denn natürlich möchte sie als Designerin ihre eigenen Ideen einbringen, oberstes Ziel sind jedoch Kunden, die sich in ihren neuen Kleidern rundherum wohlfühlen. Sie sollen authentisch und nicht verkleidet wirken. 

Designer Catwalk in Singen

Aktuell steckt die Kreative zudem mitten in den Vorbereitungen für eine große Verkaufsshow in der knapp zwei Autostunden entfernten Gemeinde Singen im südlichen Baden-Württemberg. Anlässlich der Internationalen Fashion Week geben sich dort renommierte und Nachwuchs-Designer am Samstag, 15. März in der Skylounge des MAC Art & Cars Museums am Fuße des Berges Hohentwiel ein Stelldichein. Nach dem Designer Catwalk werden die modeinteressierten Besucher dort unter anderem die Gelegenheit haben, ausgewählte Stücke aus der Kollektion „Kirschblüte küsst Edelweiß” von Alexandra Kegele zu erstehen. Wer den Weg scheut, besucht sie einfach im Atelier in Bürs. 

Ex-Miss Austria, Marion Tomasi-Amann, ist das Gesicht der aktuellen Kollektion „Kirschblüte küsst Edelweiß“ (Foto: Marcel A. Mayer)
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