Knapp zwölf Meter lang und elf Tonnen schwer ist die Segelyacht, die Peter Küng eigenhändig gebaut hat. Im vergangenen Winter hat der 71-Jährige mit seiner „Angie” knapp 3.000 Seemeilen – also eine Distanz von rund 5.500 Kilometern – quer über den Atlantik bestens gemeistert.
FOTOS: PRIVAT
Peter Küng hat das Segeln erst relativ spät für sich entdeckt. Der gebürtige Großwalsertaler hatte sich beim Surfen auf den norditalienischen Seen für das Spiel mit Wind und Wellen begeistert. Nach zwanzig Jahren Familienurlaub am Idrosee fehlte jedoch die Herausforderung. So büffelte er fürs Bodensee-, fürs Küsten- und das Hochseepatent. Eine Bavaria 38, mit der er die europäischen Küsten erkundete, war bald sein ganzer Stolz.
Weil der gelernte Spenglermeister Kunststoffbooten aber nicht so ganz vertraut, entschied er sich 2003 dafür, selbst ein Schiff zu bauen – und zwar aus Stahl. Zehn Jahre lang tüftelte er an seinem Schmuckstück – immer im Winter, wenn im Spenglereigeschäft Flaute herrschte.
Nach sorgfältiger Recherche hatte er sich für den Bau einer Maupiti 38 entschieden. Die Pläne für diesen Schiffstyp erwarb er von einem deutschen Konstrukteur. „Ich habe vorab ein Modell im Maßstab 1:10 gebaut, um Gewicht und Tiefgang zu kontrollieren”, erzählt der Ludescher von den aufwendigen Vorbereitungen. Erst als er wirklich überzeugt war, dass dieses Schiff seinen Vorstellungen entsprechen würde, begann er damit, viereinhalb Tonnen Stahlblech genau zuzuschneiden und perfekt zu verschweißen. Peter Küng erledigte sämtliche Arbeiten eigenhändig. Zur Abnahme der Elektroinstallationen holte der engagierte Schiffsbauer seinen Sohn Martin ins Boot. Der gelernte Elektriker überprüfte alle Anschlüsse und Geräte ganz genau. Denn Peter Küng war sich immer bewusst: „Auf einem Boot befindet sich derart viel Technik auf kleinem Raum, die zudem Wind und Wetter ausgesetzt ist. Ein Fehler bei der Installation kann tödlich sein.”
Den Innenausbau erledigte er ebenfalls in Eigenregie. Die in den einzelnen Bauphasen benötigten Fachkenntnisse eignete er sich nach und nach an. Nur die Lackierung des Schiffes vergab Peter Küng an einen Fachbetrieb, und auch die Polsterungen in der Kabine wurden von einem kundigen Raumausstatter übernommen. Das genaue Austarieren des Mastes und der Wanten, die ihn in einem genau berechneten Winkel in Stellung halten, stellte eine besondere Herausforderung dar. Die Länge dieser Stahlseile musste vorab exakt berechnet werden. Als der Mast dann stand und alles passte, wusste Peter Küng, dass er es geschafft hatte.
„2000 Arbeitsstunden reichen nicht”, zieht der Schiffsbauer heute Bilanz. „Glücklicherweise hatte ich immer nur im Winter Zeit.” Der Unternehmer war jedes Jahr wieder froh über die erzwungene Pause. „Ansonsten weiß ich nicht, ob ich das Projekt zu Ende gebracht hätte.”
Jungfernfahrt mit Pannen
Die Jungfernfahrt im Herbst 2014 wurde von der ganzen Familie ungeduldig erwartet – und endete in einer Enttäuschung. Denn der Motor der Yacht, der zuhause einwandfrei funktioniert hatte, wollte einfach nicht starten. Kaum zu Wasser gelassen, musste „Angie” also wieder an Land geholt werden. Nach mehreren Versuchen, den Fehler zu orten, konnte ein Mechaniker aufklären: „Jeder neue Schiffsmotor ist konserviert. Man muss ihn mindestens zwei Stunden lang unter Last einlaufen lassen”, erklärte er dem enttäuschten Bootseigner. Es dauerte drei Wochen, bis die „Angie” mit repariertem Motor wieder Fahrt aufnehmen konnte.
Doch auch beim zweiten Versuch gab es Probleme – aus dem einfachen Grund, dass besagter Mechaniker eine Schelle am Schlauch des Kühlsystems nicht genügend angezogen hatte. „Danach hatten wir glücklicherweise keine größeren Probleme mehr”, erfreute sich Peter Küng zehn Jahre lang an seiner schmucken Yacht – „bis zum letzten Jahr.”
Von Spanien in die „neue Welt”
Dabei wäre es im Herbst 2024 wichtiger gewesen denn je, dass sich der Schiffseigner voll und ganz auf seine Ausrüstung verlassen kann. Peter Küng hatte nämlich mit seinem Schwiegersohn Martin Burtscher und dem Bludescher Skipper Roland Köfler vereinbart, dass sie gemeinsam eine Atlantiküberquerung in Angriff nehmen würden. Inspiriert von Berichten über die Atlantic Rally for Cruisers (ARC-Rally), zu der alljährlich rund hundert Segelboote aufbrechen, wollten die drei von Spanien aus in die Karibik segeln.
Anfangs stand dieses Vorhaben aber alles andere als unter einem guten Stern. Weil die jüngeren Crew-Kollegen nicht so lange Urlaub nehmen konnten, hatte man sich darauf geeinigt, dass Peter Küng sein Boot vorab vom Heimathafen Marina Aprilia bei Lignano in Italien nach Gibraltar segeln sollte.
Am 20. September 2024 wurde dieser Teil des Unternehmens in Angriff genommen. Doch schon bei der Hafenausfahrt blieb die „Angie” im Schlamm stecken, Gewitter, starker Wind und ungewöhnlich hoher Seegang forderten die Mannschaft – Peter Küng wurde auf der ersten Etappe von seinem Bruder Othmar und dessen Lebensgefährtin Gerlinde begleitet – ebenfalls. Eines Nachts bemerkte der Schiffseigner, dass die Yacht in Richtung Hafenmauer trieb. Es stellte sich heraus, dass sich der Anker in einem Rohr mit innenliegendem Stahlseil verfangen hatte, das schlussendlich mit einer „Flex” durchtrennt werden musste, um das Boot wieder steuern zu können. Während einer anderen Nacht zerstörte ein Blitzschlag das Funkgerät, und auch der Motor machte Probleme. Der hochmoderne Starlink-Receiver, mit dem die Crew jederzeit ins Internet einsteigen und so Kontakt mit den Lieben daheim halten konnte, gab kurz vor Sizilien ebenfalls den Geist auf. „Der Spiegel hat dem Salzwasser wohl nicht standgehalten”, vermutet Peter Küng.
Zu viel Motoröl
Als dann in Palermo seine Frau Angelika die Schwägerin ablöste, wurde es nicht besser. Auf dem Weg nach Mallorca bemerkten die Segler Motoröl im Kielraum des Schiffs, der sogenannten Bilge. Nach eineinhalb Tagen auf See musste die „Angie” also unter Segeln wieder nach Sizilien zurückkehren. „Dort kamen wir in der Nacht an, konnten ohne Motor nicht in den Hafen einfahren und mussten in der Einfahrt ankern”, erzählt Peter Küng von einem weiteren Malheur. Am darauffolgenden Morgen wurde die Crew von den Warnsignalen der Fähren aus dem Schlaf gerissen, die Küstenwache rückte mit Blaulicht an, sorgte schlussendlich aber dafür, dass die Vorarlberger in den Hafen geschleppt wurden. Es stellte sich heraus, dass der Mechaniker nach der vorherigen Instandsetzung des Motors viel zu viel Öl eingefüllt hatte.
„Am Boot muss man sich zu helfen wissen.”
„Ein Segelboot, an dem nichts zu reparieren ist, gibt es nicht”, weiß Peter Küng, „man muss sich zu helfen wissen.” Trotzdem setzte diese Serie an Missgeschicken den Nerven aller Mannschafts-Mitglieder zu. Angelika Küng hatte ursprünglich bis Gibraltar an Bord bleiben wollen. In Mallorca angekommen, nahm sie dann aber den nächsten Flieger nach Hause. An ihrer Stelle heuerten Freunde aus Bludesch, Monika und Alexander Rüdisser, auf der „Angie” an.
Auf Gran Canaria nahm dann die „Atlantik-Crew” das Ruder in die Hand. Peter Küng, Martin Burtscher und Roland Köfler waren bald wieder ordentlich gefordert. Zwischen Al Maria und Gibraltar herrschte reger Schiffsverkehr. Außerdem liegen dort viele große Schiffe vor Anker. „Deshalb wird diese Meerenge tagsüber bei guten Sichtverhältnissen durchquert”, erklärt Peter Küng. „Aufgrund des hohen Wellengangs konnten wir die großen Boote aber nur auf dem Bildschirm rechtzeitig sehen”, kann er sich noch gut an die Anspannung erinnern. Es erforderte einiges Geschick, den deutlich schwerer zu manövrierenden Schiffen nicht in die Quere zu kommen.
„Es gab schon ein paar Nervenkitzel. Aber die Crew wurde nie nervös.”
Die Fahrt über den Atlantik verlief im Vergleich dazu geradezu gemütlich. Fünf Meter hohe Wellen, Sturm und Regen steckten die Seebären locker weg. „Auf dem offenen Meer ist der Wind sogar ziemlich stabil”, berichtet Peter Küng. „Da hatten wir in Küstennähe viel größere Probleme.”
Das neue Starlink-Gerät wurde jeden Tag nur jeweils eine Stunde lang an Deck aufgebaut, um Kontakt zu halten, man kam zügig voran. Sogar die Begegnung mit einem Wal verlief relativ unspektakulär, weil das Tier nicht völlig aus dem Wasser auftauchte und sich rasch wieder verzog.
Nach einem kurzen Aufenthalt auf Kap Verde, der genutzt wurde, um die Vorräte an Trinkwasser, Diesel und Lebensmitteln aufzufüllen, steuerte die Crew der „Angie” geradewegs Martinique an. Diese Route wählen Segelbegeisterte bevorzugt von November bis April, weil in dieser Zeit keine Hurrikans zu erwarten sind. Nach 18 Tagen durchgehend auf See tauchte die karibische Insel am Horizont auf.
„Man sieht erst relativ spät Land – aus einer Entfernung von etwa 15 bis zwanzig Seemeilen”, erklärt Peter Küng. „Hier macht sich die Erdkrümmung bemerkbar.” Glücklich und stolz ging die Crew der „Angie” am 17. Dezember 2024 von Bord.

Zweite Atlantiküberquerung im Frühjahr ist bereits in Vorbereitung
„Eigentlich wollte ich ja mal um die Welt segeln”, schmunzelt Peter Küng. Dieses Vorhaben hat der 71-Jährige inzwischen aufgegeben. Bereits im April wird er jedoch wieder nach Martinique fliegen, um seine „Angie” nach Hause zu holen. Denn diese liegt aktuell auf der Karibikinsel im Trockendock. Die Crew für den Trip in Richtung Heimat ist bereits angeheuert. Sein Bruder Othmar und Alexander Rüdisser werden ihn auf der etwas nördlicheren Route über die Azoren wieder begleiten. Obwohl der Weg zurück in die „Alte Welt” als seglerisch noch anspruchsvoller gilt, ist der Ludescher guter Dinge.
Nach diesem Abenteuer will sich Peter Küng aus heutiger Sicht aber mit Segeltörns im europäischen Raum zufriedengeben. Kreta, Korfu, die albanische, kroatische und italienische Küste bieten schließlich ebenfalls jede Menge attraktiver Ziele für spannende Erkundungen auf dem Seeweg.