Im fremden Land… auf eigenen Beinen

Als Charles Onyebouchi Chubuzor Unternehmer wurde, ging diese Meldung durch die Medien. Knapp zwei Jahre später kann er von seiner Arbeit leben. Ob er in Österreich bleiben darf, weiß er immer noch nicht.

FOTOS: TM-HECHENBERGER

Charles Onyebuchi Chubuzor kommt aus Nigeria. Er spricht nicht gerne über sein früheres Leben. Weil er sich bedroht fühlte, sei er über Lampedusa nach Europa geflüchtet. In Meidling wurde er aufgegriffen und nach Vorarlberg verschickt. Seither lebt er in einem Land, von dessen Existenz er früher kaum wusste. Ob er bleiben darf, ist immer noch nicht entschieden. Doch inzwischen hat der Nigerianer wenigstens jeden Tag etwas zu tun. Er putzt Stiegenhäuser, schippt Schnee, packt in Haus und Garten an, wo immer es etwas zu tun gibt. Denn zur Untätigkeit verpflichtet zu sein, war für ihn das Schlimmste. „Man hat zuviel Zeit zum Nachdenken.”

Besuch im Flüchtlingsquartier

Das hat er vor drei Jahren auch Stefan Bitschnau erzählt. Der Bludenzer Unternehmer war gerade auf dem Heimweg von einem Geschäftstermin, als er spontan beschloss, sich das Flüchtlingsquartier in der Tennishalle Götzis anzusehen. „Das war damals eine der größten Unterkünfte in Vorarlberg”, erklärt der Bludenzer. Angesichts der heißen Diskussionen wollte er sich über die Situation der mehr als hundert Flüchtlinge, die im „Mösle” untergebracht waren, selbst ein Bild machen. Gedacht, getan. Stefan Bitschnau packte zwei Kisten Bier in den Kofferraum und klopfte an. Während sich einige der Heimbewohner ungeduldig über das Bier hermachten, fiel ihm ein Mann besonders auf – weil er zurückhaltend und sehr höflich war. Charles Onyebuchi Chubuzor war zudem einer der wenigen, die englisch sprachen. Stefan Bitschnau lud ihn auf ein Bier in eine nahegelegene Bar ein. Dort unterhielten sich die beiden ausgiebig. Und Charles Onyebuchi Chubuzor erzählte ihm von den langen Tagen des Herumsitzens.

„Viele Menschen haben uns unterstützt.”
Stefan Bitschnau, Chef des Maschinenbau-Unternehmens Kaplina, und Asylwerber Charles Onyebuchi Chubuzor haben im Frühjahr 2016 gemeinsam die Firma Bergzebras gegründet.

„Es war offensichtlich, dass es ihm nicht gut geht”, erzählt Stefan Bitschnau. In den nächsten Wochen informierte er sich über die Möglichkeiten  – und hat dann „irgendwo gelesen, dass Asylwerber zwar nicht als Angestellte arbeiten, sich aber selbstständig machen dürfen. „Als ich Charles davon erzählte, ging ein Smile über sein Gesicht”, erinnert er sich. Die Idee einer „Charles Company” ließ den Nigerianer sichtlich Hoffnung schöpfen. Es dauerte ein halbes Jahr von der ersten Anfrage im Amt bis zur Firmengründung – ein unglaublicher Spießroutenlauf durch Behörden, die selbst kaum über diese Möglichkeit informiert waren. „Heute weiß ich, dass wir viel Glück hatten”, sieht Stefan Bitschnau auf die Anfangsphase zurück.

Nach Bekanntwerden der Geschichte von Charles Onyebuchi Cubuzor hatten sich Leute aus ganz Österreich bei ihm gemeldet, die es ihm gleich tun wollten. Obwohl Bitschnau sein Wissen bestmöglich weitergab, hat es von den vielen Anfragen noch niemand bis zu einer Firmengründung in ähnlicher Form gebracht. „Es war wirklich überraschend, wieviele Leute uns geholfen haben”, berichtet der Bludenzer Unternehmer. Steuerberatung, Pressearbeit, Homepage, Logo – keine der beteiligten Firmen hat bei der Unternehmensgründung von Charles Onyebuchi Chubuzor eine Rechnung gestellt, und auch die Mitarbeiter in den Behörden standen der Idee prizipiell positiv gegenüber. Weil der Nigerianer kein Leumundszeugnis bringen konnte, ist Stefan Bitschnau heute sein Kompagnon. Die Firma der beiden heißt allerdings nicht Charles Company. In Anspielung auf die Hautfarbe der beiden Unternehmer wollte Bitschnau „etwas mit schwarz-weiß”. In Österreich ist es allerdings nicht erlaubt, im Firmennamen einen Begriff zu verwenden, den es auch als Nachnamen gibt – es sei denn, der Unternehmer heißt selbst so. Deshalb wurde ein schwarzweiß gestreiftes Tier, das im Gebirge Ostafrikas lebt, zum Namenspaten.

„Bergzebras” ist gut gebucht
Auch in diesem Ferienhaus in Braz
kümmert sich Charles Onyebuchi Chubuzor gewissenhaft darum, dass alles tipptopp ist,
wenn die Besitzerin anreist.

„Bergzebras ist ein richtiges kleines Unternehmen, das Steuern und Sozialversicherung zahlt”, freut sich Stefan Bitschnau. Charles Onyebuchi Chubuzor betreut fix ein Mehrparteienhaus und eine Wohnanlage, dazu kommen gelegentliche weitere Einsätze als Hausmeister, außerdem trägt er Zeitungen aus. Er hat gelernt, Arbeitsberichte auszufüllen. Beim Schreiben der Rechnungen unterstützt ihn Stefan Bitschnau noch.

Charles Onyebuchi Chubuzor steht inzwischen auf eigenen Beinen, hat ein Zimmer in einer Privatunterkunft in Hard angemietet. Mit Zug und Bus fährt er zu seinen Kunden im ganzen Land. Die sind durch Mundpropaganda, über Medienberichte und Facebook auf ihn aufmerksam geworden. Zwar gibt es manchmal noch sprachliche Missverständnisse, doch die Kunden sind meist geduldig mit dem Nigerianer, der sich sichtlich Mühe gibt, seine Deutschkenntnisse zu verbessern und die Arbeit zur Zufriedenheit zu erledigen.

Als nächstes würde Charles Onyebuchi Chubuzor gerne den Führerschein machen, damit er noch schneller bei seinen Kunden ist. Obwohl er sich in seiner Heimat Nigeria unter anderem auch als Privatchauffeur verdingte – weil er keine Papiere hat, ist ihm dies in Österreich zur Zeit verwehrt. Charles Onyebuchi Chubuzor hofft sehr auf einen positiven Abschluss seines Asylverfahrens. Nach Hause will er nicht mehr. „Das ist jetzt meine Familie”, zeigt er auf seinen Kompagnon Stefan.

Die Bergzebras Dienstleistungen OG hat ihren Sitz in der Herrengasse 41 in Bludenz. Dort ist auch Stefan Bitschnaus Unternehmen, die Kaplina Engineering GmbH & Co KG, beheimatet. Interessierte finden weitere Informationen unter www.bergzebras.at beziehungsweise www.kaplina.at.

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