Blaumeise

Sie sind klein, flink und ihr leuchtend blauer Haarschopf ist unverkennbar – Blaumeisen sehen zwar putzig aus, erweisen sich in der Not jedoch als unerbittliche Kämpfer. 

FOTOS: GERALD SUTTER

Erwachsene Blaumeisen sind – vom Schwanz bis zur Schnabelspitze – nur knapp zwölf Zentimeter lang, und sie wiegen in etwa so viel wie eine kleine Cocktailtomate oder eineinhalb Teelöffel Zucker. Wer nun glaubt, der Winzling eigne sich für nette Streichel­einheiten, der irrt sich gewaltig. „Wenn man einem größeren Trupp Blaumeisen in die Quere kommt, sieht man danach äußerst mitgenommen aus”, weiß Johanna Kronberger. 

Unter Vogelkundlern ist es gängige Praxis, an Zugvogel-Routen Netze zu spannen, um dann die einzelnen Tiere zu beringen. So erfahren sie mehr darüber, wo sich die Vögel im Jahresverlauf aufhalten. Die meisten Arten lassen diese Prozedur problemlos über sich ergehen, stellen sich oft sogar tot, bis sie nach wenigen Minuten wieder freigelassen werden. 

JOHANNA KRONBERGER aus Sulz engagiert sich seit vielen Jahren als Obfrau von BirdLife Vorarlberg für den Schutz der Vogelwelt. Die begeisterte Ornithologin hat in Innsbruck und Wien Naturschutz und Biodiversität studiert.

Nicht so die Blaumeise. Die kleinen Vögel schlagen mit den Flügeln, kreischen, picken und hacken unermüdlich nach ihren „Feinden”, werden nicht müde, in jede Hand zu beißen, die nach ihnen greift. „Man blutet dann nicht einmal, weil ihre Schnäbel so fein sind”, weiß Johanna Kronberger. Weil die Vögel bei diesem Kampf aber kleine Fetzen aus den unteren Hautschichten ihrer Gegner ziehen, tragen diese viele kleine offene Stellen davon. „Und das tut höllisch weh.” Die Ornithologin erlebt Blaumeisen als geradezu „bewundernswert kämpferisch, ihr Durchhaltevermögen ist beeindruckend”. 

Dieses rabiate Verhalten mag sich entwickelt haben, weil Blaumeisen ihr ganzes, meist nur ein bis zwei Jahre kurzes Leben lang gegen Konkurrenz antreten müssen – bei der Nahrungssuche, um ihre Jungen zu beschützen, im Kampf um ein geeignetes Nest. Vor allem während der Brutzeit sorgt ein hoher Testosteronspiegel dafür, dass die Männchen ihr Revier erbittert verteidigen. 

Konkurrenz aus der Verwandtschaft

Allerdings sind sie nicht immer siegreich. Denn Kohlmeisen vertreiben die deutlich kleineren Verwandten gerne aus ihren Quartieren. Beide Arten haben eine Vorliebe für kleine Höhlen im Stamm älterer Bäume, und ziehen mit Vorliebe in verlassene Spechthöhlen ein. Wer der Blaumeise im Garten ein geeignetes Brutquartier anbieten möchte, sollte deshalb darauf achten, dass der Durchmesser des Einfluglochs nur 26 bis 28 Millimeter groß ist. Sonst quetscht sich die Kohlmeise mit Sicherheit ebenfalls rein. Dieser Konkurrent sorgt auch dafür, dass Blaumeisen in unseren Gärten weitaus seltener zu beobachten sind als die größere Art. 

Denn eigentlich ist die Blaumeise weit verbreitet. Sie besiedelt in erster Linie Laub- und Mischwälder – bevorzugt mit hohen Eichen – sowie Parks. Nadelwälder sind weniger nach ihrem Geschmack. Das Leichtgewicht erweist sich als besonders geschickt, wenn es darum geht, auch noch an den äußersten Enden dünner Zweige Nahrung zu ergattern, klettert behände von einem Ast zum anderen und hangelt sich auch mal kopfüber an besondere Leckerbissen heran. 

Tierische Nahrung wird dabei eindeutig bevorzugt. Die heimischen Gärtner wird es bestimmt freuen, dass Schild- und Blattläuse bei Blaumeisen bevorzugt auf der Speisekarte stehen. Spinnen, Larven, kleine Käfer, Fliegen und Mücken werden ebenfalls mit Genuss verspeist. In der kalten Jahreszeit wird der kleine Vogel zunehmend zum Vegetarier, sucht nach Nüssen und Samen verschiedenster Pflanzen, aber auch nach Äpfeln und Beeren. Den kleinen, spitzen Schnabel nutzt der Vogel geschickt als Werkzeug, um harte Schalen zu knacken oder winziges Getier aus Rindenspalten zu fischen.  

Unter UV-Licht färbt sich der Scheitel pink

Bei der Partnerwahl spielt das blaue Gefieder am Kopf eine große Rolle. Äußerlich unterscheiden sich die männlichen Tiere kaum von ihren weiblichen Artgenossen. Je kräftiger die Scheitelpartie des Männchens gefärbt ist, umso besser stehen seine Chancen bei der Damenwelt. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die blauen Federn am Kopf der männlichen Tiere durch Reflektionen intensiv pink leuchten und so starke Signale aussenden. Für das menschliche Auge ist dieser Effekt jedoch erst unter UV-Licht sichtbar.

Sobald sie sich einig sind, sucht sich das Vogelpärchen eine passende Unterkunft. Blaumeisen ziehen bevorzugt in bestehende Quartiere – eine Baum- oder eine verlassene Spechthöhle, gerne auch in einen vom Menschen bereitgestellten Nistkasten – ein. „Blaumeisen sind äußerst flexibel”, weiß Johanna Kronberger, „Im Internet kursieren sogar Bilder von Blaumeisen, die ihr Nest in einem Aschenbecher eingerichtet haben.”  

Für die Ausstattung wenden die weiblichen Tiere viel Sorgfalt auf. Sie lassen sich je nach Wetter bis zu 14 Tage Zeit, um das neue Heim mit Tierhaaren, Federn und Moos wohlig weich auszupolstern und betten darin im April sechs bis zwölf – in Ausnahmefällen sogar bis zu 17 – nur rund 15 Millimeter große Eier. Diese werden vom Weibchen zwölf bis 17 Tage lang bebrütet. Das Männchen ist in dieser Zeit für die Nahrungsbeschaffung verantwortlich. Die beim Schlüpfen völlig federlosen Küken werden von der Mutter noch einige Tage „gehudert” – sie verbringen also den Großteil der Zeit unter ihren wärmenden Flügeln. Die Fütterung übernimmt anfangs das Männchen, später helfen beide Elternteile mit. Nach rund drei Wochen ist der Nachwuchs bereits flügge. 

Die Überlebensrate junger Blaumeisen ist relativ gering. Ohnehin können Kälteeinbrüche, aber auch zu warmes Wetter die Entwicklung der Jungtiere stören. Außerdem bedienen sich Marder, Wiesel und auch der Buntspecht am Gelege. Sie holen sich die Eier, die Küken und manchmal sogar deren Mutter aus dem Nest. „Man geht davon aus, dass nur etwa ein Drittel der Jungvögel sich später ebenfalls fortpflanzt”, erklärt Johanna Kronberger. Der größte Feind erwachsener Tiere ist der Sperber. 

Blaumeise (Cyanistes caeruleus)

Die Blaumeise zählt zu unseren häufigsten Brutvogelarten und ist in Europa, Nordafrika und Asien weit verbreitet. Sie besiedelt vor allem Laub- und Mischwälder sowie Parkanlagen, in Höhenlagen über der Baumgrenze kommt dieser Vogel nicht vor. Ausgewachsene Tiere sind elf bis zwölf Zentimeter groß und wiegen zwischen neun und zwölf Gramm. Die Flügelspannweite liegt zwischen 18 und zwanzig Zentimetern. In der Regel werden Blaumeisen nur ein bis zwei Jahre alt. Es wurden aber auch schon 17 Jahre alte Exemplare beobachtet. Blaumeisen sind Teilzieher. Es hängt von der Witterung ab, ob sich die in unseren Breiten siedelnden Vögel dazu entschließen, den gefährlichen Flug nach Südeuropa in Angriff zu nehmen, um dort den Winter zu verbringen. 

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