Für die einen ist es ein überdimensioniertes Betonmonster – andere loben das Projekt als besonders weitsichtig geplant. In jedem Fall ist der seit März in Bau befindliche neue Autobahnanschluss Bürs samt vier Brücken und drei neuen Kreisverkehren eine technische und logistische Herausforderung.
FOTOS: TM-HECHENBERGER
Die Zu- und Abfahrten von der Autobahn können das steigende Verkehrsaufkommen nicht mehr bewältigen, die Brücke über die Autobahn ist sanierungsbedürftig, der Kreisverkehr zum Einkaufszentrum ein nur mäßig taugliches Provisorium. Diese knappe Analyse der Verkehrssituation ist wohl ziemlich treffend. Und: Sie ist fast 20 Jahre alt.
Dass an der Autobahnabfahrt in Bürs Handlungsbedarf besteht, ist schon lange klar. Wie man die verzwickte Situation entschärfen kann, darüber zerbrach man sich bei der Abteilung Straßenbau des Landes seit der Jahrtausendwende die Köpfe: Im Auftrag der ASFINAG wurden dort bis zum Jahr 2008 über zwanzig verschiedene Varianten auf Machbarkeit, Kosten und Wirksamkeit geprüft.
Weil die für die Autobahn zuständige ASFINAG den Großteil der Kosten des Projektes zu berappen hat, übernahm sie im Jahr 2008 wie vorgesehen die Unterlagen vom Land, um sich an die Detailplanung und Umsetzung zu machen.
Geduld ist der Vater der Verkehrsplanung
Schon damals hatten sich Bund, Land und Gemeinde Bürs als Projektbeteiligte im Großen und Ganzen auf die jetzt im Bau befindliche Variante geeinigt. Aus dem Baustart im darauffolgenden Jahr 2009, wie ihn der damalige Verkehrslandesrat Manfred Rein angepeilt hatte, wurde bekanntlich nichts: Es dauerte „ewig”, bis alle Behördenverfahren positiv erledigt und alle 40 betroffenen Grundeigentümer zum Verkauf der von ihnen benötigten Flächen bereit waren.
Im Frühjahr 2018 konnte endlich mit den Ausschreibungen für die Arbeiten begonnen werden. Zum Start dieser Realisierungsphase wurde von der ASFINAG Ing. Walter Nußbaumer mit der Gesamtprojektleitung für das 28 Millionen Euro teure Vorhaben betraut. „Die Verantwortung ist natürlich sehr groß” erklärt der gelernte Baumeister aus Nüziders, der bereits 25 Jahre Erfahrung als Bauleiter vorweisen kann. Für ein Gelingen des Projektes, das im Herbst 2021 abgeschlossen sein soll, unternimmt er alles, damit alle Beteiligten an einem Strang ziehen.
Bauvorhaben ist bis ins Detail vorgeplant
Zunächst müssen die in den vergangenen Jahren bis ins Detail ausgearbeiteten Bauzeitpläne akribisch eingehalten werden, damit etwa während der starken Feiertage oder mit Beginn der Wintersaison der Verkehr beidseitig über zwei Fahrspuren abgewickelt werden kann und großräumige Staus bestmöglich vermieden werden.
Damit das funktioniert, muss auch die Kommunikation mit den beteiligten Baufirmen und ihren Subunternehmen sowie mit den Projektbeteiligten der Gemeinde Bürs und dem Land bestens funktionieren. Dafür gibt es tägliche Rapporte und wöchentliche Jours fixes etwa mit DI Johann Siemayr aus Ludesch, der das Projekt für die Straßenbauabteilung des Landes federführend betreut.
„Bis jetzt läuft alles wie am Schnürchen”, waren sich die beiden beim Lokalaugenschein mit dem Magazin „allerhand!” Ende Oktober einig. Zu diesem Zeitpunkt waren seit dem Baubeginn am 11. März bereits 350 Bohrpfähle mit jeweils 90 Zentimeter Durchmesser und durchschnittlich zehn Meter Länge in die Erde betoniert worden. Sie verleihen dem ganzen Bauwerk und den Böschungen die erforderliche Stabilität. Aktuell wurde Mitte Oktober gerade das zweite Teilstück des neuen Kreisverkehrs über der Autobahn betoniert. Etwa 500 Kubikmeter Beton mussten dafür über die Autobahn hertransportiert und zur Baustelle hochgepumpt werden. Dort sorgte eine erfahrene Partie für das reibungslose Einbringen des Betons in die mit tonnenweise Stahl armierte Brückenschalung. Dieser Vorgang muss auch „in einem Stück” und innerhalb eines bestimmten Zeitfensters durchgeführt werden, damit der Beton gleichmäßig hart wird. „Würde etwa durch ein Gebrechen im Betonwerk die Lieferkette unterbrochen, dann müsste im schlimmsten Fall alles wieder abgerissen werden”, erklärt Polier Michael Gritsch von der Baufirma Porr, die das Bauwerk in Arbeitsgemeinschaft mit dem Bludenzer Bauunternehmen Jäger realisiert.
Zweites Betonwerk auf Abruf bereit
Um diesen „worst case” zu vermeiden, wird bei solchen Arbeiten ein zweites Betonwerk dafür bezahlt, dass es im Ernstfall blitzschnell einspringen und den Beton in der genau definierten Konsistenz liefern kann.
Es herrschte also viel Betriebsamkeit und jede Menge Stress an diesem „Betoniertag”. Die fast sommerlichen Temperaturen taten ein Übriges, damit die beteiligten Arbeiter auf Temperatur kamen. Unter besonderer Spannung stehen an solchen Tagen insbesondere auch Hubert Goll und Daniel Laich: Sie sind für die Bauaufsicht und damit für die Sicherheit auf der Megabaustelle verantwortlich. Permanent sind etwa 70 Arbeiter an den verschiedenen Stellen im Einsatz. Jeder einzelne von ihnen wurde entsprechend eingewiesen und musste auch schriftlich bestätigen, dass er die Vorschriften kennt und sie tunlichst befolgt.
„Die Leute an der Baustelle vor Ort wissen eh, um was es geht”, lobt Goll, der natürlich auch permanent dazuschaut, dass sich kein Schlendrian breitmacht oder die Aufmerksamkeit nachlässt: Die Arbeiter sind schließlich oft zehn Stunden täglich am Werk. Goll muss aber auch dazuschauen, dass jeder einzelne LKW-Fahrer, der Asphalt oder Baumaterial zu den Baustellen an der Autobahn schafft, ebenso über die Sicherheitsvorschriften aufgeklärt ist.
Eine besondere Bedeutung im Interesse der Sicherheit kommt auch jenen Fachkräften zu, die für die Kennzeichnung der Fahrspuren auf der Autobahn verantwortlich sind. Immer wieder müssen ja die täglich bis zu 20.000 Fahrzeuge von der einen zur anderen Spur umgelenkt werden, wenn das die entsprechenden Arbeitsschritte erforderlich machen. Auch kleine Fehler könnten hier fatale Folgen haben.
„Der Aufwand ist schon groß. Aber die Sicherheit der Menschen steht über allem anderen und ist jeden Aufwand wert”, betont Projektleiter Nußbaumer.
Vom Baubeginn im März bis zu unserer Visite Mitte Oktober ist man bei der größten Infrastruktur-Baustelle des Landes planmäßig und unfallfrei vorangekommen. „Wir werden alles daran setzen, dass es auch bis zur offiziellen Eröffnung zum Jahresende 2021 so bleibt”, versichert der Projektleiter.
Diese Vorteile sehen die Planer:
- Durch die Verkehrsentlastung von Bludenz und Bürs insbesondere vom Schwerverkehr werden Wartezeiten und Staus reduziert – für ein rascheres Vorankommen und weniger Zeitverlust.
- Die neue Anschlussstelle sorgt für weniger Rückstaus auf die Autobahn. So werden Auffahrunfälle vermieden.
- Durch die wesentliche Verbesserung der Anbindung der Gewerbegebiete von Bludenz und Bürs werden die Verbindungsstraßen zwischen den Gemeinden Bludenz und Bürs entlastet.
- Durch den Umbau verbessert die ASFINAG auch die Situation im Winter. Mit dem Ausbau kommen die Winterdienst-Fahrzeuge noch besser voran und sorgen so für optimale Fahrbahnverhältnisse.
- Die leistungsfähigeren Zu- und Abfahrtsmöglichkeiten verbessern die Situation für bestehende und neue Betriebe in Bludenz und Bürs.
(Diese und weitere Informationen zum Projekt sind auf der offiziellen Homepage der ASFINAG unter www.asfinag.at veröffentlicht)
Eckdaten zum Autobahnanschluss Bürs
Baubeginn: 11. März 2019
Gesamtkosten: 28,8 Millionen Euro
Davon ASFINAG 65 %, Land 20%, Bürs 15 %
Geplante Fertigstellung Ende 2021
Bis dahin werden 51.000 Quadratmeter Asphalt neu aufgetragen
11.000 Kubikmeter Beton verbaut
3.670 Meter Bohrpfähle (Foto) in den Boden betoniert
50.000 Kubikmeter Aushub sind wegzuführen
Drei Brücken werden abgebrochen, vier neue errichtet