Drei Generationen im Transportfieber

Wenn Holz an besonders unzugänglichen Stellen abgeholt werden soll, melden sich Insider bei der Firma Erhart Transporte in Schnifis. Mit viel Einsatz und Zusammenhalt nimmt Familie Erhart bereits seit 78 Jahren alle Herausforderungen an. Jakob Erhart war gerade einmal 14 Jahre alt, als er ins Transportgewerbe einstieg.

FOTOS: PRIVAT, FA. ERHART, TM-HECHENBERGER

„Mein Vater hat sich damals große Sorgen um die Zukunft von uns Buben gemacht”, erinnert sich Jakob Erhart. Während des 2. Weltkrieges hatten seine Brüder und er selbst keine Gelegenheit, eine Lehre oder eine andere Ausbildung zu machen. Er war gerade einmal 13 Jahre alt, als der Vater deshalb einen Traktor erstand – den ersten im Ort. Es handelte sich um einen Holzvergaser. Bei dieser Technik werden Holzscheite in einem speziellen Kessel so stark erhitzt, dass ein brennbares Gas frei wird, welches den Motor antreibt. Diese Technik war damals weit verbreitet, weil andere Treibstoffe an der Front gebraucht wurden.

Doch die Freude über das Gefährt, mit dem der Vater den Lebensunterhalt sichern wollte, währte nicht lange. Denn 1943 wurden Fahrzeuge für den Krieg gebraucht und waren entsprechend Mangelware. Die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch erwirkte deshalb, dass der Stolz der Erharts für den Bau der zweiten Hochspannungsleitung von Bürs nach Götzis an die Elektrofirma Brown Boveri ausgeliehen werden musste. 

Als das Fahrzeug ein Jahr später zurückgegeben wurde, sah Jakob, der als Jüngster der fünf Erhart-Brüder das Glück hatte, noch zu jung für den Kriegsdienst zu sein, seine Stunde gekommen. Schließlich war er gerade stolzer Besitzer eines Führerscheins geworden. „Ich musste mir nur ein kleines Buch mit Vorrangregeln ansehen, dann bin ich an einem Nachmittag in den Sommerferien nach Lustenau zur Prüfung gefahren”, erinnert sich der rüstige Pensionist noch ganz genau an diesen Tag. Bereits zwei Tage später hielt er das Dokument in der Hand, das es ihm – trotz seines jungen Alters von 14 Jahren – erlaubte, einen PKW, Traktor oder ein Motorrad auf öffentlichen Straßen zu lenken. 

Mit dem Traktor ging er nun den Landwirten im Ort zur Hand, brachte den Mist auf die Felder, transportierte alle Arten von Gerätschaften und Waren von Ort zu Ort. Jakob Erhart erkannte rasch, dass vor allem für den Transport der schweren Holzstämme, die im Schnifner Wald geschlagen wurden, die Kraft von ein paar zusätzlichen PS gefragt wären. Das Holz wurde damals noch von Pferden aus dem Wald gezogen. Als sein „Holzvergaser” nach drei Jahren nicht mehr wollte, erstand er zwei gebrauchte Traktoren, mit denen er nun auch die „Holzer” bei ihrer beschwerlichen Arbeit unterstützen konnte. 

Der junge Frächter scheute sich nicht davor, seine Zugmaschine schmale Waldwege mit einer Steigung von bis zu 19 Prozent hochzujagen. Er war den Waldarbeitern dort behilflich, wenn sie das Holz mit Seilwinden und viel Muskeleinsatz aufluden. Diese Einsätze waren oft ziemlich gefährlich. Der 1800 Kilogramm schwere Traktor zog schließlich eine Fracht, die bis zu zwölf Tonnen auf die Waage brachte. Und die damals üblichen Spindelbremsen an den Achsen sind mit heutiger Technik nicht zu vergleichen. „Ich hatte einen guten Schutzengel”, ist sich Jakob Erhart bewusst. „Wir hatten nur Beinahe-Unfälle, es ist nie etwas wirklich Schlimmes passiert.” 

Die harte Arbeit lohnte sich – vor allem als nach dem Krieg der Holzhandel boomte. 1952 stellte sich Jakob Erhart deshalb noch einmal der Fahrprüfung – diesmal ging es um die Fahrerlaubnis für LKW mit Anhänger. Die Gewerbeberechtigung lautete damals immer noch auf seine Mutter. Erst drei Jahre später – nach dem Kauf des ersten LKW – wurde das Gewerbe an Jakob Erhart übertragen. Die Eltern hatten ihn in seinem Tatendrang immer bestärkt.

Harte Arbeit in schwierigen Zeiten

Jakob Erhart ist sichtlich stolz auf das Unternehmen, das er mit viel persönlichem Einsatz aufgebaut hat. Er berichtet von unzähligen Fuhren, wenn er Material und Schotter für Bauprojekte lieferte, wagemutigen Einsätzen im Wald, dem Ankauf von Spezial-Ausrüstung und von schwierigen Zeiten, als die Konkurrenz in der Wiederaufbauphase nach dem Krieg plötzlich wie Pilze aus dem Boden schoss. Er habe sich dem Preiskampf aber immer verweigert, erzählt Jakob Erhart. Stattdessen setzte der Transport-Unternehmer auf verlässlichen Service und top ausgerüstete Fahrzeuge. „Sie sind dann alle zurückgekommen”, freut sich der Schnifner, dass er auch die abtrünnigen Kunden langfristig überzeugen konnte. So mancher Kunde der ersten Stunde ist dem Betrieb bis heute treu geblieben. In den 1970er-Jahren konnte Jakob Erhart den Betrieb nach und nach erweitern. Als er eine Million Euro (knapp 73.000 Euro) in neue Fahrzeuge investieren wollte, winkte das örtliche Kreditinstitut allerdings ab. Jakob Erhart ließ sich jedoch nicht entmutigen. Er fand eine andere Bank, welche die Pläne des jungen Unternehmers, der in seiner Freizeit auch noch Tanzmusik machte, unterstützte. 

Für die vier Kinder gehörten die Firma und deren Angestellte immer zur Familie. Die Erharts wohnten damals direkt über der Garage, das Büro befand sich im Wohnbereich. „Von fünf bis sieben Uhr früh und zwischen 20 und 22 Uhr herrschte bei uns reger Betrieb”, erinnert sich Tochter Judith Mäser. Das Telefon läutete, und viele Kunden kamen persönlich vorbei, um die Einsätze zu besprechen. „Jeder wusste, dass der Chef und die Fahrer nur zu dieser Zeit erreichbar waren.”

Wenn ein Mitarbeiter gegen Mitternacht noch nicht zurück war, beunruhigte dies die ganze Familie. Die Fahrer waren schließlich oft irgendwo abseits in einem Wald unterwegs. Als die Fahrzeuge 1975 mit Funkgeräten ausgerüstet wurden, war dies deshalb für alle ein Grund zur Freude. Doch: „Mit der ständigen Erreichbarkeit hat dann auch der Stress begonnen”, hat die jüngere Generation erkannt.

1991 übergab Jakob Erhart den Betrieb an die beiden Söhne Karl-Josef und Claus sowie Tochter Judith. Nur die vierte im Bunde, Irene, zog es beruflich in eine andere Richtung. „Unser Vater hat keinen Druck ausgeübt, dass wir das Unternehmen übernehmen”, sind sich die Geschwister mit einem Schmunzeln einig, „er hat es aber gut verstanden, uns in diese Richtung zu lenken.” Jakob Erhart wies die Söhne dezent auf gute Ausbildungsplätze zum Mechaniker und Karosseriebauer hin und erklärte Tochter Judith, dass man eine kaufmännische Ausbildung in der Firma gut brauchen könnte. Gemeinsam nahmen die drei die Herausforderung an, und auch Jakobs Enkel Constantin ist bereits seit Jahren fix im Team. 

Der Arbeitsablauf hat sich in den fast 80 Jahren seit der Gründung stark verändert. Seit 2005 befindet sich das Unternehmen am neuen Standort am Rande des Siedlungsgebietes direkt an einem Knotenpunkt zum Walgau, ins Vorderland und in das Große Walsertal. Der Fuhrpark umfasst Fahrzeuge für unterschiedlichste Anwendungen, noch immer bildet aber der Holztransport den Schwerpunkt der Aktivitäten. Rund 100.000 Festmeter bewegt das Schnifner Unternehmen pro Jahr. „Unsere Fahrer sind absolute Spezialisten”, sind die drei Geschäftsführer voll des Lobes. Nach dem Vorbild ihres Vaters setzen sie großes Vertrauen in ihr Team. Die Chauffeure denken aktiv mit, bringen ihre Ideen ein und stellen sich zum Teil ihre Fuhren selbst zusammen, um unwirtschaftliche Leerfahrten zu vermeiden. „Unsere Kunden erwarten von uns, dass wir flexibel parat stehen”, erklärt Disponentin Judith Mäser. Wenn etwa ein Lagerplatz im Wald zu Beginn des Frühlings ausapert, startet das Wettrennen mit dem Borkenkäfer. Das Holz muss dann schnellstmöglich abtransportiert werden. Spezialtransporte sind aber auch kein Problem. Eine besondere Herausforderung hat das Team bewältigt, als etwa Ende der 1990er-Jahre für den Bau des Kunsthauses 4,5 x 30 Meter lange Stahlelemente nach Bregenz angeliefert werden sollten.

Seine Frau Frieda war Jakob Erhart eine wichtige Stütze beim Aufbau der Firma. Sie erledigte Büroarbeiten, besorgte LKW-Bestandteile, bestellte Verbrauchsmaterialien wie Diesel und Öle, erledigte den Haushalt und den großen Garten für die sechsköpfige Familie, beherbergte zum Teil LKW-Fahrer und vermietete Fremdenzimmer und trug so zum Familieneinkommen bei. Immer wieder verwöhnte sie das gesamte Team mit selbstgebackenen Leckereien.

Die Transportbranche kämpft heutzutage mit einem schlechten Image und strengen, behördlichen Vorschriften zum Umwelt- und Arbeitnehmerschutz. „Wir achten sehr darauf, dass unser Fuhrpark auf dem neuesten und somit umweltfreundlichsten Stand ist”, erklären die Geschwister Erhart. Digitale Tachos übertragen alle Daten über WLAN direkt aus der Fahrerkabine in die Firmenzentrale. Als eine der wenigen Frauen in der Fachgruppe setzt sich Judith Mäser in der Wirtschaftskammer für die Interessen der Branche ein. Sie ist überzeugt davon, dass die meisten LKW, die auf unseren Straßen unterwegs sind, die Umwelt bei weitem weniger verpesten, als die Öffentlichkeit annimmt. „Mit einem alten LKW bist du heute gar nicht mehr konkurrenzfähig”, erklärt sie. Die Mautgebühren sind schließlich umso niedrieger, je weniger Schadstoffe ein Fahrzeug produziert. „Dank hochentwickelter Filter und dem Zusatz von Ad Blue haben moderne LKW keinen nennenswerten Einfluss mehr auf die Umwelt”, verweist sie auf einen Aufsehen erregenden Versuch von Emis­sionsforschern der TU Graz.

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