Es begann mit „Leichen

„Die meisten Sammler sind nur Horter”, stellte der Direktor des Vorarlberger Landesmuseums, Andreas Rudigier, anlässlich der Eröffnung des Grammophonicums Ende Februar in Frastanz fest. Reinhard Häfele, der Gönner des Museums, gehört zur raren Spezies der echten Sammler. Es geht nicht nur um den Sammelgegenstand an sich – viel mehr interessiert ihn die Geschichte hinter dem Objekt. Über Uhren, die Indianer Nordamerikas, Jazz, Tango und natürlich auch über Grammophone und Phonographen kann Reinhard Häfele viel erzählen: Cirka 14 Tage ohne Punkt und Komma…

FOTOS: CHRISTA ENGSTLER

Reinhard Häfele ist auf mehreren Gebieten ein geschätzter Fachmann und Besitzer von ganz besonderen Sammelgütern: In Vorarlberg gehört er zu den größten Leihgebern für Ausstellungen zu verschiedensten Themen.

Die Sammlerleidenschaft ist dem 1955 in Hohenems geborenen und in Frastanz beheimateten Reinhard Häfele in die Wiege gelegt worden: Sein Vater war – wie auch der Großvater – ein begnadeter Handwerker, der etwa alte Uhren wieder in Stand setzte und eine beträchtliche Anzahl von Zeitmessern aus diversen Epochen sein Eigen nannte. Die Mutter fokussierte sich auf religiöse Volkskunst. Mit dem Sammeln von Grammophonen und Phonographen hat Reinhard Häfele im Jahr 1976 begonnen.

Damals bekam er ein Koffergrammophon geschenkt und war sogleich fasziniert von den Geräten, die – aus dem griechischen übersetzt – „Töne schreiben” konnten. In gut 40 Jahren Sammlertätigkeit hat er zahlreiche Phonographen und Grammophone aus der ganzen Welt zusammengetragen. Es ist eine Sammlung, die man sich nicht einfach kaufen kann – zumal mit dem bescheidenen Honorar als Mittelschullehrer für Deutsch und Bildnerische Erziehung. Aber Häfele hatte etwas, das viel wichtiger ist als Bargeld.

Handwerkliches Talent

Das handwerkliche Geschick wurde Reinhard Häfele in die Wiege gelegt: Sein Vater war ein geschätzter Uhren-Restaurator. Ihm durfte er schon als kleiner Bub über die Schulter schauen und bald auch bei Reparaturen zum Beispiel von Wanduhren mithelfen.

Er war schon als Kind unzählige  Stunden mit dem Vater in der Werkstatt, schaute ihm genau über die Schulter und durfte bald mithelfen. So schulte der Vater früh das handwerkliche Geschick seines Sohnes und gab ihm damit die letztlich wichtigste Eigenschaft für den Aufbau seiner Sammlungen mit: „Wenn man nicht die Geldmittel hat, um sich wertvolle Apparate zu kaufen, dann muss man zwangsläufig die kaputten Geräte nehmen und sie herrichten”, erläutert Häfele das einfache Prinzip.

 

einhard Häfele in seinem Mercedes 170 DS, Baujahr1952: Den hat er als schrottreifes Vehikel erstanden und in vielen Stunden Arbeit wieder hergerichtet. Mit derselben Methode hat er auch die Sammlung von Grammophonen und Phonographen aufgebaut.

So ist er auch zu seinen beiden Autos gekommen: Den Mercedes 170 DS, Baujahr 1952, und das Adler – Trumpf Cabrio aus dem Jahr 1936 hat er seinerzeit als schrottreife „Kübel” erstanden und sie in unzähligen Arbeitsstunden zu viel­ bestaunten Oldtimern hergerichtet. Mit diesem „Verfahren” war er auch in anderen Sammelgebieten erfolgreich und so hat er im Wesentlichen auch das Grammophonicum in der Museumswelt Frastanz aufgebaut.

 

Ein „Graphophone” der amerikanischen Firma Columbia mit Münzeinwurf und „Luftschlauch-Kopfhörer”.

„Das Sammeln von Gegenständen hat für mich erst dann einen Sinn, wenn die Objekte auch gesellschaftspolitisch und kulturhistorisch interessant sind und ich sie entsprechend einordnen kann”, erläutert Häfele. Nach dem Koffergrammophon-Geschenk folgte also das intensive Befassen mit dem Thema: Alles, was es über Grammophone und Phonographen zu lesen gab, wurde „verschlungen”: Wer hat sie wann erfunden, wie funktionieren sie, wer konnte sich seinerzeit solche Geräte leisten… diesen und vielen weiteren Fragen ging der Frastanzer auf den Grund. Internet gab es damals übrigens noch keines – vielmehr mussten alte Zeitschriften, Fachliteratur, Kataloge, Bedienungsanleitungen usw. aus allen möglichen Quellen zusammengetragen werden. 

Eines der Schmuckstücke aus der Sammlung von Reinhard Häfele: Das Phonodiff von 1930.
Das Konzept für das Grammophonicum stammt von Reinhard Häfele. Nach einer Idee von Heike Schlauch wurden die Schaustücke in einem Rondell angeordnet.

„Versteigerungen sind immer besonders interessant”, verrät Häfele. Bevor Auktionen nämlich starten, werden die potentiellen Bieter umfassend über die jeweiligen Gegenstände informiert und dürfen sie auch ausgiebig unter die Lupe nehmen. Auch wenn Häfele also bei den teuersten Objekten nie mitbieten konnte (oder wollte) – bei Versteigerungen gab es immer eine Fülle an Informationen – auch über kleinste Details, die für die originalgetreue Instandsetzung seiner „Leichen” erforderlich waren. So wuchs die Sammlung nach und nach – wobei mehrfach vorhandene Apparate bestimmter Modelle oder gut erhaltene Einzelteile als Tauschobjekte eingesetzt werden konnten. Auch seine Fähigkeiten als Res­taurator setzte er ein, um an bestimmte Objekte zu gelangen: Im Gegenzug für mehrere Tauschobjekte und zahlreiche Wochenenden Arbeit bei einem schwerreichen Sammler am deutschen Bodenseeufer erhielt er beispielsweise ein seltenes „Auto-Grammophon” – das in der Museumswelt zu sehen ist.

Bei einem Abendspaziergang in Buenos Aires – so schilderte es der Direktor des Vorarlberger Landesmuseums, Andreas Rudigier, anlässlich der feierlichen Museumseröffnung – erlebte Reinhard Häfele ein besonderes Highlight: Im Schaufenster eines Antiquitätenhändlers erblickte er einen echten „Edison Opera” – „der Traum eines jeden Phonographen-Sammlers”, wie Häfele bestätigt. Ihn zu erstehen und heil nach Europa zu bekommen war mit einer wahren Odyssee verbunden.

Der „Opera” hatte in der streng chronologisch geordneten Ausstellung übrigens keinen Platz. Aber Häfele kann zu jedem einzelnen der ausgestellten 75 Objekte eine Geschichte erzählen: Wahre Sammler kaufen ja nicht einfach Gegenstände zusammen, um mit ihnen Geld zu verdienen oder um sie einfach zu besitzen: Sammler teilen ihre Leidenschaft am liebsten mit Menschen, die sich ebenfalls für die Geschichte und Geschichten interessieren, die sich hinter den Objekten verbergen. 

Dass er mit dem besten Teil seiner Tonschreiber-Sammlung in der Vorarlberger Museumswelt in Frastanz ein eigenes Museum aufbauen durfte, das begreift Häfele deswegen als sein „größtes Glück”. Denn nicht wenige Sammlungen – egal, zu welchem Thema – „landen irgendwann auf dem Sperrmüll oder werden möglichst rasch zu Geld gemacht, weil die Erben damit einfach nichts anfangen können”, weiß Häfele.

Während der Ragtime-Ära, etwa zwischen 1900 und 1914, kamen verschiedene „Talking Machine Toys” auf den Markt.
Bei der gestalterischen Umsetzung des Grammophonicums halfen Architektin Ursula Ender (Nüziders) und Grafiker Martin Caldonazzi (Frastanz) mit.

 

 

 

Öffnungszeiten:

Das Grammophonicum in der Vorarlberger Museumswelt in Frastanz kann jeden Mittwoch und Samstag von 13.00 bis 17.00 Uhr besichtigt werden. Weitere Besichtigungstermine z.B. für Gruppen, Schulen, Vereine, usw. sind nach telefonischer Voranmeldung unter Tel. 0676/5440970 möglich. Die Vorarlberger Museumswelt wäre froh um ehrenamtliche Mitarbeiter, welche – nach gründlicher Einschulung – Besucher durch die Museen führen.

In Kooperation mit dem allerhand! bringt RTV Vorarlberg einen Filmbeitrag über Reinhard Häfele und sein Grammophonicum: Ab 29. Mai täglich mehrfach im RTV oder jederzeit im Internet unter www.rtv-vorarlberg.at

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