Frauenpower im Roten Zelt

Hildegund Engstler aus Bludenz, Cassandra Frener aus Bregenz, Birgit Häusle aus Nenzing und Klara Büchele-Ujunwa aus Höchst verbindet ein gemeinsames Ziel: Sie möchten ihre Geschlechtsgenossinnen ermutigen und dabei begleiten, wieder mehr zu sich selbst, zu ihrer inneren Natur zurückzufinden, anstatt ständig zu „funktionieren”. Dafür haben sie kürzlich in Nenzing einen Verein gegründet. Mitte Mai wollen sie das Frau-Sein außerdem mit einem Festival der Weiblichkeit feiern. 

FOTOS: VEREIN SALON 13

Wichtigstes Symbol für ihre Aktivitäten ist das Rote Zelt. Dabei handelt es sich um einen traditionellen Rückzugsort, in dem die Frauen verschiedenster indigener Völker während ihrer Menstruation die Gemeinschaft anderer Frauen suchen. Sie sind in dieser Zeit von allen Pflichten entbunden, sollen dort loslassen, regenerieren und neue Kraft schöpfen für den Alltag. Diese Praxis haben sich inzwischen auch eine Handvoll europäischer Firmen – vor allem in Skandinavien – zu eigen gemacht, indem sie es Frauen mit Menstruationsbeschwerden freistellen, an diesen Tagen „blau” zu machen oder im Homeoffice zu arbeiten. „Untersuchungen haben gezeigt, dass die Frauen dann über den Monat gesehen umso produktiver waren”, sehen sich die vier Gründerinnen des Vereins „Salon 13 – Weiblichkeit in Mann und Frau” in ihrer Mission bestätigt. Klara Büchele-Ujunwa hat das „Rote Zelt” erstmals vor ein paar Jahren erlebt, welches damals im Schlosserhus in Rankweil aufgestellt war. „Es war wie ein Riesen-Heimkommen”, schildert sie den darauffolgenden Austausch mit zehn Frauen verschiedenster Generationen – ohne Konkurrenzdenken und auf Augenhöhe. „Ich wusste, da gehöre ich hin.” Im Verein „Salon 13 – Weiblichkeit in Mann  und Frau” möchte sie dieses Gefühl mit möglichst vielen ihrer Geschlechtsgenossinnen teilen.

Für sie fand im Roten Zelt eine „zehnjährige Leidensgeschichte” ihr Ende. Denn in unserer Kultur werden Frauen dazu angehalten, sich zu verstecken, wenn sie „unpässlich” sind. Sie schlucken eine Pille gegen die Beschwerden und „funktionieren” ganz selbstverständlich weiter. Dies erlebt Klara Büchele-Ujunwa immer noch laufend, wenn sie als Schulärztin von jungen Mädchen um Schmerztabletten für ihre Tage gebeten wird. Sie empfiehlt den Schülerinnen dann stattdessen, es ein bisschen langsamer angehen zu lassen, auf ihren Körper zu hören und auf das eine oder andere „Frauenkraut” zu vertrauen, das die Natur bereithält. Sie möchte den Mädchen klarmachen, dass sie sich für ihren Zyklus nicht zu schämen brauchen. Schließlich sind es genau diese Vorgänge in ihrem Körper, die es erst ermöglichen, dass sie später Kinder gebären können. „Wir sollten die erste Periode als Übergang vom Mädchen zur Frau feiern, wie dies in naturverbundeneren Kulturen geschieht”, finden die vier Vereinsgründerinnen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Dies hat auch Birgit Häusle erst kürzlich bei einem Seminar zum Thema „Alles rund um den weiblichen Zyklus” erfahren, als sie mit zwölfjährigen Schülerinnen darüber sprach. „Nur wenige hatten ihre erste Blutung positiv erlebt”, berichtet sie. Diesen Anteil möchte sie deutlich heben. Den Übergang vom Mädchen zur Frau möchte sie als wertvolles „Wunder der Natur” geschätzt sehen.

Vorreiterin in dieser Hinsicht ist die Bludenzerin Hildegund Engstler. „Ich beschäftige mich schon seit sechzig Jahren mit Frauenthemen und brenne immer noch dafür.” Die 77-Jährige war viele Jahre in der Erwachsenenbildung aktiv. Als Kräuterexpertin stellt sie eine Vielzahl an Tinkturen und Salben für jede Art von Wehwehchen selbst her. Vor allem aber geht es ihr darum, Frauen in ihrem Tun zu stärken, sie dabei zu unterstützen, ganz sie selbst zu sein. Entsprechend glücklich ist Hildegund Engstler darüber, dass sie und ihre langjährige Wegbegleiterin Cassandra Frener nun mit Gleichgesinnten ein Podium aufbauen können, bei dem es um nichts weniger als einen gesellschaftlichen Wandel geht. 

Männer sollen von diesen Veränderungen keineswegs ausgeschlossen sein. „Es geht um einen Ausgleich”, erklären die vier Frauen. „Wir müssen die männlichen Anteile unserer Persönlichkeit möglicherweise mehr leben und Männer ihre weiblichen Anteile mehr zulassen.” Die Vereinsgründerinnen  wünschen sich, dass jeder Mensch sein volles Potenzial ausschöpfen kann. Weil Frauenidentitäten sich momentan aber großteils in patriarchal geprägten Strukturen entwickeln, sehen sie vor allem beim weiblichen Geschlecht Handlungsbedarf. Im Roten Zelt soll jede Frau ganz sie selbst sein dürfen und ihre ureigensten Bedürfnisse erforschen. 

Der Vereinsname wurde mit Bedacht gewählt. „Salon ist das französische Wort für einen großen, auch intimen Raum. Unser Verein soll so ein Raum für Männer und Frauen sein, um sich mit Weiblichkeit auseinanderzusetzen”, erklären die vier Frauen. Die Zahl 13 leitet sich von den 13 Mondzyklen im Laufe eines Jahres ab, die auch für den Zyklus der Frau den Takt schlagen. 

Die Vereinsgründerinnen und Vorstandsmitglieder Birgit Häusle, Caroline Häusle, Hildegund Engstler, Cassandra Frener und Klara Büchele-Ujunwa.

Der „Salon 13” kennt keine Hierarchien. Im „Inneren Kreis” der vier Gründerinnen zählt jedes Wort gleich viel. Machtworte und Abstimmungen, bei denen die Mehrheit entscheidet, sind tabu. Der Verein ist soziokratisch aufgebaut und wird in dieser Hinsicht von Lisa Praeg vom Büro für Kollaborationskultur begleitet. Stehen Entscheidungen an, werden alle Einwände gehört und in den Vorschlag integriert. Eine coronabedingte Videokonferenz kann schon einmal ein paar Stunden dauern – dafür stehen dann aber alle hundertprozentig hinter den getroffenen Beschlüssen. „Wir sind inzwischen extrem effizient”, freuen sich die Vereinsgründerinnen, dass sie sich für diesen anderen Weg entschieden haben, auf dem die einzelnen Mitglieder Verantwortung übernehmen und Gestaltungsspielraum wahrnehmen können. 

Festival der Weiblichkeit 

In den sieben Monaten seit der Vereinsgründung standen unzählige Entscheidungen an. Momentan kreisen die Gedanken der vier Frauen und der ersten unterstützenden Mitglieder des Vereins aber rund um das „Festival der Weiblichkeit”, welches vom 12. bis 16. Mai in Nenzing stattfinden soll. Was in den letzten Jahren schon mehrfach unter dem „Schutzmantel” der Volkshochschule Rankweil und des Schlosserhus erfolgreich organisiert wurde, schultert der „Salon 13” heuer ganz autonom. 

Sofern Corona dies zulässt, wird das „Rote Zelt” im Garten der „d`Villa” mitten in Nenzing aufgebaut. Dort sollen Frauen jeden Alters und in den verschiedensten Lebensphasen auftanken, sich weiterbilden und sich für die Herausforderungen des Lebens gegenseitig stärken. 16 Seminarleiterinnen bieten Input zu unterschiedlichsten Schwerpunkten. Es gibt Angebote speziell für Mädchen, in denen sie etwa ihre Grenzen ausloten oder sich selbst zu behaupten lernen, eine Mutter-Tochter-Abenteuerreise, bei der es darum geht, das „heilige Symbol der Weiblichkeit” zu finden, Bauchtanz, altes (Kräuter-)Wissen und vieles mehr. Selbstfürsorge-Expertin Susanne Flatz leitet in ihrem Seminar dazu an, liebevoller mit sich selbst umzugehen. Sexueller Bildung und Anregungen, wie die eigene Sexualität positiv erlebt und ausgelebt werden kann, räumt das Programm ebenfalls breiten Raum ein, steht das Festival doch unter dem Motto „Viva la Vulva”. Interessierte finden alle Programmpunkte unter www.salon13.at.

„Jede Frau kann sich im geschützten Rahmen das herauspicken, was sie persönlich gerade braucht”, hoffen die Organisatorinnen auf einen möglichst vielfältigen Besucherstrom und damit breiten Austausch. Ihr langfristiges Ziel wäre ein fixes Rotes Zelt, in das sich Frauen das ganze Jahr über jederzeit zurückziehen können, wenn sie sich für ihr Leben neue Impulse wünschen oder Kraft schöpfen möchten. 

 

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