Kunstrausch im Sennhüsle

Wenn Kunstfreunde aus dem ganzen Land an den Sonntagen nach Göfis pilgern, hat dies meist nur wenig mit der schönen Aussicht zu tun. Ihr Ziel ist vielmehr das fünf mal acht Meter große, ehemalige Sennereigebäude. Vor allem im Advent hat dort der „Kunstrausch” Saison.

FOTOS: TM-HECHENBERGER, MILK-RESSORT

Wo einst die Göfner Bauern ihre Milch anlieferten, ist vor sechs Jahren ein kleiner, aber feiner Kunstraum entstanden – das M(itten) i(m) L(and) K(unst)-Ressort. 

Ein Sennereigebäude im „goldenen Schnitt”
Für Harald Gfader ist Kunst ein unverrückbarer und unbeeinflussbarer Ort der Freiheit, während Christine Lingg in ihren Werken das
sichtbar machen möchte, was man nicht sieht, die „inneren Gärten, die man hegen und pflegen sollte”. Gemeinsam mit Rudi Malin und Günther Ammann haben die beiden Künstler das milk-Ressort ins Leben gerufen.

„Wir sind ohne Erwartungen gestartet, haben einfach gemacht”, erzählen Harald Gfader und Christine Lingg von den Anfängen. Die beiden sind in der Vorarlberger Kunstszene fest verankert, haben schon bei Kunst Vorarlberg zusammengearbeitet und erkannt, dass die Dornbirnerin und der Göfner – obwohl sie künstlerisch unterschiedliche Wege gehen – „ähnlich ticken”.

Als die Gemeinde Göfis einen neuen Bauhof errichtete, wurde das ehemalige Sennereigebäude nicht mehr als Lagerplatz für Streusalz benötigt. Harald Gfader meldete damals sofort sein Interesse an – und einige Zeit später kamen die Gemeindeverantwortlichen auch tatsächlich auf ihn zu. „Der Raum ist ideal für Ausstellungen”, ist Gfader heute noch begeistert, dass in dem im goldenen Schnitt errichteten Gebäude kein Bezug zum Außenraum die Betrachter von den Kunstwerken ablenkt. Denn die Fenster-Türen an der Längsseite, durch welche die schweren Milch-Kannen über die Rampe ins Innere gereicht wurden, sind inzwischen zugemauert. Nur eine kleine Tür an der Stirnseite gibt heute den Zugang frei. „Dort sieht man des öfteren  die Abdrücke von neugierigen Nasen”, freut sich Harald Gfader, dass Spaziergänger gerne von außen einen Blick auf die Ausstellungsstücke werfen. Deshalb hat er auch dafür gesorgt, dass der Ausstellungsraum über einen Lichtschalter neben der Tür jederzeit erleuchtet werden kann. Schließlich soll der Zugang zur Kunst möglichst einfach und ohne Hürden sein. 

Dreimal im Jahr organisieren Harald Gfader und Christine Lingg mit tatkräftiger Unterstützung durch den Göfner Gemeindesekretär Rudi Malin sowie Kunstfreund Günther Ammann Ausstellungen mit den Werken hochkarätiger Künstler. Denn beileibe nicht jeder Kreative erhält Zugang zum milk-Ressort. Wer allerdings den Ansprüchen genügt, darf mit besten Bedingungen rechnen. Vor jeder Ausstellung werden die Wände frisch geweißelt, eine professionelle Museumsbeleuchtung sorgt dafür, dass die Werke bestens ausgeleuchtet sind, und auch beim Hängen der Bilder werden keine Kompromisse gemacht. „Bei uns steht das Kunstwerk an erster Stelle, nicht das Drumherum”, erklären die Macher des milk-Ressorts. Weil das Team ebenso klein ist wie der Ausstellungsraum, kann es schneller reagieren, muss keine Hierarchien abarbeiten und Säle füllen. Es hat sich trotzdem in der Szene herumgesprochen, dass „mitten im Land” spannende Kunstbegegnungen abseits des Mainstreams möglich sind. 

Als besonderes Plus ihres Ausstellungskonzeptes sehen Christine Lingg und Harald Gfader, dass die Künstler im milk-Ressort nicht nur Bilder ausstellen, sondern auch ihre Botschaften transportieren können. Franz Gassner etwa arbeitet in seinen Werken den Völkermord in Armenien und seine eigenen Verletzungen auf. Bis 11. November waren ausgesuchte Werke des in Frastanz geborenen Künstlers im milk-Ressort zu sehen. Durch persönliche Gespräche mit dem Künstler eröffneten sich den Besuchern spannende Einblicke. 

Spielerischer Zugang zur Kunst
Das milk-Ressort soll einen spielerischen Zugang zur Kunst ermöglichen.

Ein besonderer Renner ist „milks Kunstrausch” – kurz mikura – im Advent. Jeweils am Freitag vor dem ersten Adventsonntag eröffnen die beiden Künstler und ihre Mitstreiter eine Ausstellung, zu der verschiedene Kollegen eingeladen sind, kleinere Werke zu einem gedeckelten Preis anzubieten. Dabei geht es ganz unkompliziert zu. Gefachsimpelt wird bei Glühwein und Keksen. Die Besucher dürfen ihre „Beutestücke” um maximal 350 Euro ganz unkompliziert vom Haken und mit nach Hause nehmen. Was weg ist, ist weg. „mikura hat etwas Spielerisches”, erklärt Harald Gfader. Er möchte, dass kunst­interessierte Menschen im milk-Ressort ohne Schwellenangst vorbeikommen können. Sie müssen sich nicht vor „Schicki-Micki­-Gehabe” und unverständlichem Kunst-Kauderwelsch fürchten. 

Der Verein kauft jedes Jahr die Veröffentlichungswerke für ein Werk von einem Künstler an und reproduziert es in einer Auflage von 90 Stück. Diese mikura-Edition ist bei den Sammlern sehr beliebt. Erhält man doch ein hochwertiges Kunstdruckwerk von einem sammlungswürdigen Bild eines zeitgenössischen Künstlers ohne Rahmen zum Schnäppchenpreis von 90 Euro und unterstützt so den Kunstraum im Land. Denn der Erlös aus dem Verkauf der mikura-Edition ist ein wichtiger Budgetposten des milk-Ressorts. „Die Käufer sind milk-Förderer, unsere indirekten Mitglieder”, erklärt Christine Lingg. Außerdem wird der Kunstbetrieb im milk-Ressort von der Gemeinde Göfis und vom Land Vorarlberg finanziell unterstützt.

Heuer wird mikura am 30. November um 19 Uhr eröffnet. 

Der Kunstrausch ist außerdem an den Advent-Sonntagen jeweils von 14 bis 17 Uhr angesagt. Es gibt dort Werke von Christian Geismayr, Michael Mittermayer, Richard Bösch, Rouven Dürr, Sonia Gansterer, Heinrich Salzmann, Christine Lingg und Harald Gfader zu erstehen. Interessierte sind herzlich willkommen!  

Öffnungszeiten im milk-Ressort: 

Jeweils Sonntag von 14 bis 17 Uhr oder nach telefonischer Vereinbarung: 0664/5141286

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