„Wir geben unser Bestes, um für die Leute etwas vorwärts zu bringen.”

Als Österreich am 1. Jänner 1995 der Europäischen Union beitrat, war Hubert Gambs bald danach einer der ersten österreichischen Beamten, die nach Brüssel übersiedelten. Der gebürtige Bludenzer arbeitet seit mehr als 23 Jahren an Initiativen der EU-Kommission. 

FOTOS: TM-HECHENBERGER, PRIVAT

Hubert Gambs hat sich schon früh für Europa begeistert. Während seines Jus-Studiums an der Uni Innsbruck wechselte der Bludenzer für ein halbes Jahr nach Paris und engagierte sich ab dem dritten Semester bei ELSA (European Law Students Association) – einem Zusammenschluss von Jus-Studenten aus ganz Europa. „Wir veranstalteten beispielsweise Seminare über Schi-Recht, zu denen wir nach Tirol einluden”, erinnert sich der gebürtige Bludenzer. 

Ursula Hillbrand aus Bregenz war damals Vorsitzende dieser Organisation. Bei einem Info-Abend im Februar 1988 konnte sie Hubert Gambs für dieses Netzwerk begeistern. „Mir hat gefallen, dass englisch gesprochen wurde und dass sich junge Leute aus ganz Europa getroffen haben.” Österreich war damals noch gar nicht Mitglied der EU beziehungsweise deren Vorgänger-Organisation, den Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften. Trotzdem konnte der frisch gebackene Magister nach seiner Sponsion über das europaweite Austausch-Programm Erasmus ein Jahr in Madrid verbringen. Gleich danach zog es ihn zum ersten Mal nach Brüssel. Hubert Gambs hatte sich für seine Diplomarbeit intensiv mit dem europäischen Wettbewerbsrecht befasst und sich nicht zuletzt deshalb für ein Praktikum in der Generaldirektion für Wettbewerb der EU-Kommission empfohlen. Anschließend arbeitete er als Jurist im Wirtschaftsministerium in Wien. Als sich der EU-Beitritt Österreichs abzeichnete, war er einer der ersten, die sich dem „Concours” stellten, dem Auswahlverfahren für EU-Beamte.

In verschiedensten Bereichen tätig

Brüssel wurde rasch zur zweiten Heimat des Bludenzers. Zwei Jahre lang arbeitete der Jurist im Generalsekretariat des Ministerrats, welches den Europäischen Rat und den Rat der EU mit den jeweiligen Ausschüssen organisatorisch unterstützt. Anschließend wechselte er zur Kommission. „Ich habe mit jedem österreichischen Kommissar zusammengearbeitet”, ist Hubert Gambs längst ein absoluter „Insider”. Als Kabinettchef des damaligen Regionalkommissars Johannes Hahn leitete er fünf Jahre lang dessen 14-köpfigen engsten Mitarbeiterstab. Zurzeit setzt sich Hubert Gambs in leitender Position als Direktor speziell mit den Herausforderungen des Europäischen Binnenmarkts auseinander. Er ist dort für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit zuständig, der angesichts recht unterschiedlicher Lohnniveaus innerhalb der europäischen Mitgliedsstaaten einiges an Konfliktstoff birgt. Hubert Gambs setzt sich für „Spielregeln” ein, die für alle Beteiligten im gemeinsamen Markt fair sind. Die sollten freien Handel ermöglichen, aber trotzdem niemanden benachteiligen. „Der Einzelne, ob Unternehmerin oder Konsument, ist beispielsweise den Bedingungen von digitalen Marktplätzen wie Amazon ausgeliefert”, hält er ein gemeinsames Vorgehen der europäischen Staaten für unumgänglich. Netzwerker Gambs ist deshalb in engem Kontakt mit Experten aus allen Ecken der 28 Mitgliedsstaaten. Schließlich sollen die Gesetzesvorschläge, welche die Kommission dem Europäischen Parlament zur Abstimmung vorschlägt, nicht mit nationalen Gesetzen einzelner Mitgliedsstaaten kollidieren oder deren Sitten zuwiderlaufen. 

Seine Aufgabe und die seiner Mitarbeiter ist es, die Fakten und rechtlichen Grundlagen für Initiativen der Kommission vorzubereiten. Bei den wöchentlichen Treffen sitzen alle 28 Kommissare am Tisch und treffen ihre Entscheidungen gemeinsam mit einfacher Mehrheit.
Hubert Gambs schätzt es, dass er im Laufe seiner nunmehr 23 Jahre in Brüssel verschiedenste Bereiche kennenlernen konnte. So hat er sich etwa von 2014 bis 2016 speziell mit Meerespolitik und Fischerei sowie eine Zeit lang mit den europäischen Außenbeziehungen und dem Wettbewerbsrecht beschäftigt. 

Der internationale Flair seiner Wirkungsstätte begeistert ihn:

„Es ist ein tolles Gefühl, mit Menschen aus 28 Ländern und unterschiedlichen Kulturen an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten.”

 Als Ziele definiert er unter anderem den gemeinsamen Kampf für Energieeffizienz und gegen den Klimawandel oder, dass möglichst viele Menschen am Wohlstand teilhaben können. „Wir kriegen nicht immer alles perfekt hin”, gibt er offen zu. „Doch wir geben auf jeden Fall unser Bestes, um für die Leute in Europa etwas vorwärts zu bringen.”

Auch die Vorbereitungen für einen drohenden Brexit ohne Abkommen mit Großbritannien hat die EU-Beamten in den letzten Monaten intensiv beschäftigt. „Die EU musste zum Beispiel Not-Gesetze erarbeiten um sicherzustellen, dass britische Fluglinien weiterhin andere EU-Länder anfliegen und dort landen können”, erklärt er anhand eines Beispiels die vielfältigen Verflechtungen. 

Privates Glück in Brüssel
Mit der Familie in Frankreich

Hubert Gambs hat in Brüssel nicht nur beruflich, sondern auch privat sein Glück gefunden. Seine Frau Denise arbeitet als Sekretärin bei der EU-Kommission. Die Irin sei ohne Einladung bei einer Party aufgetaucht, berichtet der Bludenzer. „Das war mein Glück. So habe ich sie kennengelernt.” Die beiden haben inzwischen vier Söhne im Alter zwischen elf und 18 Jahren. Sie gehen alle in eine internationale Schule, sprechen zuhause englisch und lernen Deutsch in der Schule als Zweitsprache. Französisch braucht Familie Gambs in der belgischen Hauptstadt ohnehin. „Doch mein Ältester spricht zwar französisch, kann es aber nicht schreiben, weil er dieses Fach nie in der Schule hatte.” Es gibt vier europäische Schulen in Brüssel mit jeweils ungefähr 3000 Schülern. Die Primarstufe dauert fünf, die Sekundarstufe sieben Jahre. Schon im Alter von zwölf Jahren werden die Buben und Mädchen in gewissen Fächern in der gewählten Zweitsprache unterrichtet. 

„Brüssel ist sicher nicht die schönste Stadt, aber wer sie besser kennt, findet jede Menge besonderer Ecken”, urteilt der Jurist über seine zweite Heimat. „Integration ist aber natürlich auch hier eine Herausforderung.” Dies hat die Welt am 22. März 2016 erfahren, als die belgische Hauptstadt Schauplatz mehrerer Terroranschläge war. Hubert Gambs war damals mit dreien seiner Söhne auf dem Weg zum Flughafen, hatte aber großes Glück. Mehrere seiner Kollegen wurden durch die Bombe in der U-Bahn-Station direkt vor seiner Arbeitsstelle schwer verletzt.

In Kontakt mit der Heimat
Hubert Gambs bei einem Besuch an der Polytechnischen Lehranstalt in Bludenz

Trotz dieser schlimmen Erfahrungen: „In Brüssel hat es sich schnell wieder normalisiert. Beim ersten Mal wieder in der U-Bahn hat man ein ungutes Gefühl, dann ist es vorbei.” Seit diesen Tagen gehören patrouillierende Soldaten zum Stadtbild. Doch „es gibt keine absolut sicheren Orte mehr”, ist sich Hubert Gambs bewusst. Er fühlt sich jedenfalls in Brüssel ebenso daheim wie in Bludenz. Drei bis vier Mal im Jahr zieht es ihn nach Vorarlberg – um die Geschwister und Freunde zu besuchen, zum Schifahren, zum Wandern im Nenzinger Himmel oder zum Klassentreffen. Im Sommer stehen alljährlich zwei Wochen Irland und zwei Wochen Vorarlberg auf dem Programm. Hubert Gambs ist es wichtig, dass der Kontakt zur Heimat nie ganz abbricht.

Die Europäische Kommission

… hat ihren Sitz in Brüssel. Jeder Mitgliedsstaat entsendet in dieses Gremium einen Kommissar, der dann verschiedene Zuständigkeitsbereiche übernimmt. Jeder Kommissar soll nur die gemeinsamen Interessen der Union, nicht die seines Herkunftslandes vertreten. Aufgabe der EU-Kommission ist es in erster Linie, Gesetzesvorschläge zu erarbeiten, über die dann im EU-Parlament und im Rat der Europäischen Union abgestimmt wird. Außerdem wacht die EU-Kommission darüber, dass die Mitgliedsstaaten die Vorschriften des Europarechts einhalten. Werden diese missachtet, kann die EU-Kommission am Europäischen Gerichtshof Klage gegen einen EU-Staat erheben.

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