Wettlauf gegen die Zeit

14 Millionen Kubikmeter Erdgas braucht Rondo jährlich für die Herstellung von 120 Tonnen Papier und 200 Millionen Quadratmeter Kartonverpackungen aus Altpapier. Schon lange wird über Alternativen nachgedacht. Seit Gas knapp und teuer wurde, hat das Projekt „Reststoffkraftwerk” Fahrt aufgenommen.

RENDERING: RONDO, FOTOS: TM-HECHENBERGER, RONDO

Schon 2025 soll das Kraftwerk bei Rondo in Frastanz in Betrieb gehen. Eine 35 Meter hohe und hochmoderne Verbrennungsanlage, in der jährlich bis zu 35.000 Tonnen Reststoffe verbrannt werden. Ein ehrgeiziger Zeitplan, wie Rondo-Technikchef Udo Nachbaur einräumt. Ein Wettlauf gegen die Zeit – bei dem es aber um nichts Geringeres als die langfristige Sicherung von hunderten Arbeitsplätzen geht.

An einem durchschnittlichen Tag werden bei Rondo rund 350 Tonnen Papier hergestellt: Ausschließlich aus  Altpapier, das zunächst unter Zugabe von Wasser zu einem Brei aufgelöst wird. Nach weiteren Produktionsschritten wird das feuchte Papier zur Trocknung über insgesamt 42 mit Dampf beheizte Stahlzylinder geleitet. Die Oberflächentemperatur der Zylinder beträgt dabei 120 Grad. Man kann sich gut vorstellen, dass der Energieaufwand allein für diesen Produktionsschritt enorm ist.

Aus Altpapier fertigt Rondo in Frastanz Unmengen an neuem Papier und Karton. Die Papiermaschine benötigt dafür enorm viel Wärmeenergie.

Insgesamt werden pro Jahr für die Wärmeerzeugung rund 14 Millionen Kubikmeter Erdgas benötigt: Rondo ist damit der größte Abnehmer im Land.

Udo Nachbaur, Technikchef Rondo

Der finanzielle Aufwand dafür ist enorm – und macht einen erheblichen Teil der Produktionskosten aus. „Das war schon immer so”, erklärt Nachbaur. Was sich aber an den Gasbörsen insbesondere seit Putins Lieferbeschränkungen abspielt, das ist neu. „Für manchen Gasabnehmer haben sich die Preise innerhalb weniger Wochen verzehnfacht”, beschreibt Nachbaur die Situation. Derart schlimm ist es bei Rondo zwar nicht, weil man längerfristige Verträge vereinbart hat. Aber auch diese haben ein Ablaufdatum. 

Die Idee, mit einem eigenen Reststoff-Kraftwerk kostengünstiger, unabhängiger und auch ökologischer agieren zu können, ist aber lange vor dem in dieser Form nicht voraussehbaren „Gaskrieg” entstanden. Bei der ersten Projektvorstellung vor gut zwei Jahren hat man damit im Landhaus aber nicht gerade für Begeisterungsstürme sorgen können. Der neuerliche Vorstoß heuer Ende Juni fand angesichts der inzwischen europaweiten Sorge um die Energieversorgung deutlich mehr Beachtung. 

Bürgermeister Walter Gohm hat sich in aller Deutlichkeit für das Kraftwerksprojekt ausgesprochen. „Es ist ein Gebot der Stunde, nicht länger mit Öl und Gas zu heizen. Darum wollen wir Privathaushalten und auch der Wirtschaft eine sinnvolle Alternative bieten”, erklärte er bei der Pressekonferenz zur Projektpräsentation. Über dieses klare Statement des Bürgermeisters freut man sich bei Rondo natürlich. Eine „gmahte Wiesn” ist das Projekt freilich noch lange nicht. Vor einer allfälligen Baubewilligung stehen zahlreiche Behördenverfahren an. 

Strenge behördliche Auflagen

Mit dem Pre-Engineering, also der Detailplanung für die Einreichung bei den Behörden, wurde Ende Oktober die Firma Bertsch beauftragt. Der Bludenzer Traditionsbetrieb gehört in Sachen Kraftwerkstechnik inzwischen zur absoluten Elite, hat weltweit bereits 40 Kraftwerke realisiert, und derzeit sind in ganz Europa zehn Projekte in Bau. Die von Bertsch weiterentwickelte „Wirbelschichtbefeuerung”, wie sie auch bei Rondo zum Einsatz kommen soll, punktet durch besonders hohe Effizienz und beinah rückstandsfreie Verbrennung. Bertsch verfügt außerdem über das ganze Arsenal modernster technischer Abgasreinigung.

„Wir werden selbstverständlich alle strengen Auflagen vor allem in Hinblick auf Emissionen erfüllen können”, ist Rondo-Technikchef  Nachbaur überzeugt.

In dem Kraftwerk sollen jährlich 35.000 Tonnen Reststoffe verbrannt werden. 11.000 Tonnen davon sind thermisch verwertbare Rückstände aus der eigenen Papiererzeugung. Deren fachgerechte Verwertung muss bisher teuer bezahlt werden und verursacht dabei auch noch Verkehr. Den kann man künftig vermeiden. Im Gegenzug aber müssen 24.000 Tonnen Brennmaterial zugeführt werden, was in Summe mehr Verkehr bedeutet. 

„Wir werden dafür eine optimale Logistik austüfteln, um die Zahl der Transporte so gering wie möglich zu halten”, versichert Nachbaur. Beschlossen ist außerdem  bereits, dass dafür LKW mit Elektroantrieb zum Einsatz kommen werden.

Udo Nachbaur, Rondo-Chef Hubert Marte und Bgm. Walter Gohm bei der Präsentation am 29.6.2022 (v.l.)

Die benötigten Reststoffe will man vorzugsweise aus anderen Vorarlberger Gewerbe- und Industriebetrieben beziehen. An die 60.000 Tonnen fallen hier jährlich an. „Wir können bei uns in Frastanz nicht wahllos irgendwelches Material verheizen”, erklärt Nachbaur. Geeignete Reststoffe müssen in ihrer Konsistenz und vom Brennwert  her möglichst gleichbleibend sein und sollen dafür (bei einem befugten Unternehmen in der Region) auch entsprechend gemischt und aufbereitet werden.

Die Kenndaten des künftigen Kraftwerks sind beeindruckend. Die durch die Reststoff-Verbrennung jährlich erzeugte Wärme hat einen Energiegehalt von 200 Gigawattstunden (200.000.000 kWh). 

Das ist ein Drittel mehr, als der momentan größte Erdgasverbraucher Vorarlbergs für die Prozesswärme bei der Papier- und Kartonherstellung benötigt. Für die Nutzung der „übrigen” 50 Millionen Kilowattstunden gibt es natürlich auch schon eine gute Idee. 

Das 2009 von den E-Werken, der Marktgemeinde und der Pfarre Frastanz errichtete Biowärmenetz ist derzeit 4,5 Kilometer lang und beliefert 75 Objekte mit Wärme aus dem Biomasse-Heizkraftwerk bei der Energiefabrik an der Samina. Die Verfeuerung von Hackschnitzeln aus den umgebenden Wäldern bringt eine Wärmemenge von 6 GWh pro Jahr. Wird die überschüssige Wärme aus dem Rondo-Reststoffkraftwerk in dieses Netz eingespeist – die Leitungen sind nur rund 300 Meter entfernt –, dann würde die Gesamtkapazität fast verzehnfacht werden. Die Brauerei Frastanz und rund 500 zusätzliche Haushalte könnten  dann „raus aus Öl und Gas”.

 

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