Bike-Erlebnis

Mit einem kleinen Bäggerle und ganz viel Handarbeit kämpfen sich seit Anfang Juli fünf Wegebauer in Brand talwärts. Jeden Tag schaffen sie, beobachtet von Naturschützern und angeleitet von Spezialisten, etwa 30 Meter. Ende Oktober soll das gesamte Ausbauprojekt mit acht neuen Mountainbike-Strecken fertiggestellt werden.

FOTOS: TM-HECHENBERGER, INMOUNTAINMOVEMENT

Für den Bludenzer Michael „Mike” Marte wird die Eröffnung ein besonderer Feiertag sein. Der von ihm und zwei Partnern vor sechs Jahren mit einer Strecke in Bürserberg eröffnete „Bikepark Brandnertal” wird damit nämlich endlich seinem Namen gerecht: Sportliche Biker, aber auch Naturgenießer können dann insgesamt 18 Strecken zwischen Bürserberg und Brand abfahren. Mike Marte ist einer der Väter dieses Projektes, für das der vielseitige Bludenzer aus dem Obdorf viel riskiert hat. Der Maschinenbautechniker, Fotografenmeister, Dipl. Grafiker, Werbefachmann und Bergretter gründete mit seinen Partnern Philipp Kettner und Christian Speckle 2014 die „In Mountain Movement GmbH”, die den Bikepark Brandnertal erfunden hat und – mit mittlerweile zwanzig Mitarbeitern – betreibt: Zur IMM gehören auch die „Wallride”-Bikestores in Bürserberg und Rankweil. Der Firmengründung vorangegangen war schon viele Jahre zuvor die Projektentwicklung. Als begeisterte Mountainbiker kannten Marte und seine Kollegen nicht nur die Berge ringsum Bludenz – die sie notgedrungen „wild” befuhren – sondern auch zahlreiche extra dafür angelegte Downhill-Strecken wie sie seit Anfang der 2000er-Jahre vor allem in der Schweiz, Italien und im bergigen Österreich östlich des Arlbergs entstanden sind. So etwas wollten sie auch im Ländle realisieren.

„Als Biker in den Bergen hatten wir ja immer wieder Konflikte mit Wanderern erlebt”, berichtet Marte. Und zeigt durchaus Verständnis dafür, dass Wanderer teilweise erschrocken sind, wenn Radler mit höherem Tempo auf „ihren” Wegen auf sie zugefahren sind.

Gegenseitige Rücksichtnahme in den Bergen

Mit den Jahren und der zunehmenden Zahl der Bergradler haben sich die beiden Gruppen schon ein bisschen aneinander gewöhnt. Auch deswegen, weil inzwischen viele Bergwege als Radstrecken ausgewiesen sind. „Ordentliche” Mountainbiker bremsen bei der Begegnung mit Wanderern auch immer ab und grüßen freundlich. Umgekehrt schauen „ordentliche” Wanderer natürlich auch darauf, dass sie den Bikern nicht den Weg versperren und sie dadurch in Gefahr bringen. Aber dieser Verhaltenskodex wird halt beiderseits nicht immer eingehalten – und Konfliktpotenzial gibt es noch genug. Bei eigens angelegten Mountainbikestrecken, die für Wanderer uninteressant und tabu sind – gibt es diese Konflikte nicht: Und sie können auch so angelegt werden, dass der Fahrspaß optimal ist. Für Anfänger und Familien oder aber auch für waghalsige Profis, denen es nicht steil genug sein kann. Aber wo könnte so ein Bikepark in Vorarlberg umgesetzt werden? fragten sich Mike und seine Kollegen. Alle möglichen Gebiete wurden ins Auge gefasst und nach verschiedensten Kriterien überprüft. Schließlich war man sich einig, dass sich das Brandnertal ideal eignet.

Innovative Brandnertal-Touristiker

Der Tourismus prägt das Brandnertal seit Jahrzehnten. Die Schneesicherheit ist hier aber schon länger ein Handicap. „Im Brandnertal war man wohl auch deshalb schon viel früher als in anderen klassischen Wintersportgebieten für innovative Ideen zur Belebung der Sommersaison offen”, erklärt Mike Marte. 

Tatsächlich hatten die Verantwortlichen der Bergbahnen Brandnertal von Anfang an offene Ohren für die Idee. Auch Hoteliers, Tourismus und die Bergbahnen befürworteten das Projekt. „Auf Basis dieser Unterstützung wagten wir 2014 die Gründung unserer Firma”, blickt der 38-jährige Unternehmer zurück. Dabei gab es damals durchaus auch Skeptiker – wie etwa die Jägerschaft oder die Betreiber der Alpen. Und der Naturschutz stellte sich zunächst quer.

„Natürlich stellen neue Mountainbikestrecken einen Eingriff in die Natur dar”, gibt Marte zu. Prinzipiell ist aber der Bikepark ja nicht in eine völlig unberührte Natur hineingepflanzt worden. „Wir bewegen uns dort, wo im Sommer Wander- und Radwege und im Winter Skipisten genutzt werden”, so Marte. Bei der Streckenwahl wurde in Zusammenarbeit mit den Behörden immer darauf geachtet, dass diese Eingriffe so gering wie möglich ausfallen. Große Streckenteile führen parallel zu Wanderwegen und am Rande von Viehweiden – die im Winter als Skipisten genutzt werden – ins Tal: Damit sind auch die Bewirtschafter der Alpen einverstanden, weil sich das Vieh von den Bikern am Rande der Weiden nicht aus der Ruhe bringen lässt.

Sensible Streckenplanung

Beim Bau der Bikerouten selbst geht es im Detail darum, die Natur bestmöglich zu schonen. Die Wege sind schon aus Sicherheitsgründen so schmal angelegt, dass ein Überholen nicht möglich ist. Bäume werden nur gefällt, wenn es nicht anders möglich ist: Auf der 1700 Meter langen Neustrecke zur Talstation der Dorfbahn kann man sie an zwei Händen abzählen. Es wird kein Fremdmaterial in den Boden eingearbeitet und keine einzige Schubkarre Humus entnommen. „Wir verschieben eigentlich nur das vorhandene Bodenmaterial sehr kleinräumig, um so die Bikerouten zu modellieren”, erklärt Vorarbeiter Mathias Helbling von „Trailworks”: Das ist eine Schweizer Spezialfirma, deren Know-how im Bikeroutenbau international gefragt ist.

„Uns war wichtig, dass wir für den Streckenbau erfahrene Partner finden, welche auch in Sachen Naturschutz entsprechend sensibel vorgehen”, lobt Marte die Trailworker – die den gesamten Bikepark Brandnertal zusammen mit den Beteiligten vor Ort geplant und die fachgerechte Umsetzung  geleitet haben. In den nächsten Jahren werden die Schweizer allerdings im Brandnertal keine großen Aufträge mehr erhalten. „Mit den heuer realisierten Wegen haben wir die wichtige Verbindung zwischen Brand und Bürserberg hergestellt. Damit passt das Angebot jetzt sehr gut”, so Ing. Marte.

Das Brandnertal ist ja erklärterweise ein gemütliches Urlaubsgebiet für Familien und Naturgenießer. Einen Rummelplatz wie in Ischgl oder Sölden, wo man im Sommer ebenso viele Biker wie Skifahrer im Winter anlocken will, das kommt hier nicht infrage, sind sich im Brandnertal alle einig.

Die Familie Hättich aus dem Schwarzwald genießt die Natur im Brandnertal: Bei den Bikestrecken sind die Söhne – welche zuhause im Bikeverein trainieren – im Vorteil. Das macht den Eltern aber nichts aus – wenn es zu streng wird, können sie ja gemütlichere Routen wählen…

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BIKEPARK BRANDNERTAL

Mit den zwei neuen Strecken stehen im Bikepark Brandnertal jetzt 11 Hauptstrecken mit verschiedenen Varianten zur Verfügung. Sie sind – wie Skipisten – je nach Schwierigkeitsgrad blau (leicht), rot (mittel) und schwarz (schwer) gekennzeichnet. Die Wege sind kaum einmal mehr als einen Meter breit, unterscheiden sich von normalen Wanderwegen aber durch die Ausformung von Steilkurven, Senken, Buckeln und (auf schwarzen Pisten) Sprüngen – die den gewünschten Fahrspaß bringen. Für Wanderer sind diese Wege aus Sicherheitsgründen tabu, und bergwärts dürfen sie wegen Kollisionsgefahr ebenfalls nicht befahren werden.

Für den entspannten Aufstieg stehen die Lifte der Brandnertaler Bergbahnen zur Verfügung. Wer will, kann aber entlang bestehender Straßen und Forstwege bergauf radeln. Für Fahrradfahrer und Biker, die noch nie in einem Bikepark gefahren sind, wird ein Einstiegskurs dringend empfohlen. Bei den Kursen, die regelmäßig angeboten werden (siehe www.bikepark-brandnertal.at) geben Profis wichtige Tipps zur speziellen Fahrtechnik sowie zur Sicherheit.

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