Wie alle anderen Schulen waren die Musikschulen in den letzten 15 Monaten ordentlich gefordert. „Doch wir haben auch viel gelernt”, betonen die Direktoren der Musikschulen Bludenz und Walgau, Mag. Thomas Greiner und Christian Mathis. Außerdem freuen sie sich, dass die Infrastruktur für ihre Schüler nachhaltig verbessert wurde. Schließlich ist ihnen wichtig, dass alle Menschen ihren Drang nach kultureller Betätigung ausleben können.
FOTOS: TM-HECHENBERGER, MUSIKSCHULE BLUDENZ, MUSIKSCHULE WALGAU
Musik- und Tanzunterricht online, keine Auftritte und Konzerte, ständig neue gesetzliche Vorgaben, die umgesetzt werden müssen – man könnte meinen, dass die Stimmung an den Musikschulen im Keller ist. Vor allem an der Musikschule Bludenz, die 2020 das hundertjährige Bestehen mit einem bunten Veranstaltungsreigen feiern wollte:
„Das letzte Konzert war am 5. März 2020 im SeneCura Sozialzentrum”, berichtet Mag. Thomas Greiner. Schon damals galten strenge Auflagen. Die Senioren haben die Aufführung trotzdem genossen, so mancher erinnerte sich an die Zeit, als er oder sie selbst an der Städtischen Musikschule musizierte. Gleich danach galt es, sich mit dem „Lockdown” zu arrangieren. „Konzerte und Vorspielabende sind ein wesentlicher Teil, um die Motivation hochzuhalten”, erklärt Thomas Greiner. Schüler und Lehrer arbeiten in der Regel über eine lange Zeitspanne auf dieses Ereignis hin. Außerdem braucht die Musikschule die öffentliche Präsenz, um neue Schüler zu motivieren. Obwohl all dies im letzten Jahr nicht möglich war, hielten sich die Abmeldungen bisher in Grenzen. Lehrer und Schüler sind über Monate mit Webcams in Kontakt geblieben. Anfangs war vor allem Improvisationskunst und Flexibilität gefragt. Es fehlte an der technischen Ausrüstung, Web-Cams waren ausverkauft, das WLAN der Schule dem großen Daten-Ansturm nicht immer gewachsen. „Die Lehrer haben den Unterricht so gut es ging mit privaten Mitteln gemeistert”, berichtet Thomas Greiner. Sie haben Filmsequenzen aufgenommen und verschickt, sich mit den Schülern auf Zoom, Skype und anderen Plattformen verabredet. Schon ein einzelner Schüler, der nicht ganz pünktlich aufgeschaltet werden konnte, hat den Zeitplan immer wieder durcheinandergewirbelt. Thomas Greiner freut sich, dass das 29-köpfige Team die Herausforderungen trotzdem so gut angenommen und dafür auch viel positive Rückmeldung erhalten hat.
Mittlerweile ist Präsenzunterricht unter Auflagen wieder erlaubt. Darüber sind alle sehr erleichtert. Das digitale Erlebnis kann schließlich nicht mit dem persönlichen Austausch mithalten. Dennoch kann der Bludenzer Musikschul-Direktor gewissen Auswirkungen der Pandemie auch Positives abgewinnen. „Die Erfahrungen der letzten Monate haben dazu geführt, dass viele den hohen Wert des Präsenzunterrichts erst wieder zu schätzen gelernt haben”, erklärt er. Er begrüßt dennoch, dass es die technischen Möglichkeiten überhaupt gibt. „Noch vor zehn, 15 Jahren hätten wir in so einer Situation den Unterricht vergessen müssen.” Stadt und Land haben seine Schule unterstützt, indem sie den Ankauf von Tablets und den Ausbau des WLAN-Netzes ermöglichten. Online-Konferenzen hat er persönlich als zeitsparende und umweltfreundliche Möglichkeit des Austausches auf kurzem Wege schätzen gelernt.
„Nothing Else Matters” auf YouTube
Auch in der Musikschule Walgau hat man sich so gut es ging mit der Situation arrangiert. Direktor Christian Mathis war es wichtig, dass die Pädagogen mit den Herausforderungen des Online-Unterrichts nicht alleingelassen werden. Im Frühsommer 20 beschränkte man sich deshalb auf eine digitale Grundbetreuung. Im Oktober nahmen alle Musiklehrer dann an einer Schulung teil, bei der sie ihre digitalen Fähigkeiten ausbauen konnten. Alle sollten die Mittel in der Hand haben, ihren Unterricht so zu gestalten, dass er für sie selbst und ihre Schüler optimal passt. „Wir hatten in dieser Hinsicht ganz tolle Unterstützung durch einen ehemaligen Lehrer”, berichtet Christian Mathis. „Der jetzige Direktor der Musikschule Leiblachtal, Markus Feurstein, ist ein Zoom-Fuchs.” Doch damit nicht genug. Die Website der Musikschule Walgau wurde in den letzten Monaten zu einem digitalen Konzertsaal umgebaut, in dem die Besucher Eindrücke vom Unterricht erhalten sowie Infos zu allen Instrumenten auf Mausklick zur Verfügung stehen. Sprechstunden und sogar Tage der Offenen Tür wurden digital organisiert. Als besonderes Highlight haben die Walgauer Musikschüler vor Weihnachten ein Video veröffentlicht, in dem insgesamt zwölf junge Musiker und Sänger das amerikanische Weihnachtslied „Little Drummer Boy” interpretieren. Die vielen Einzelaufnahmen, die Michael Kaufmann in der Natur und bei den Mitwirkenden zuhause drehte, wurden zusammen mit „Tonmeister” Reinhold Gritzner zu einem eindrucksvollen Gesamtkunstwerk zusammengeschnitten, das auf YouTube bereits viele tausend Mal aufgerufen wurde.
Die Walgauer Musikschüler haben ihr Publikum also trotz Corona gefunden. Und das hat zu noch Größerem motiviert: Am 23. und 24. April standen im Ramschwagsaal mehr als fünfzig Kinder vor der Kamera. Coronakonform einzeln spielten sie ihren Part von „Nothing Else Matters”. Der Metallica-Hit ist inzwischen zusammengeschnitten und seit 28. Mai auf der Musikschul-Website über YouTube abrufbar. „Das ist für uns alle ein ganz besonderes Erlebnis”, gibt Christian Mathis gerne zu, dass auch die Pädagogen das Rampenlicht und das Spielen vor Publikum schmerzlich vermisst haben. „Künstler brauchen diese Seelennahrung”, erklärt er.
Einige besonders begabte und fleißige Solisten aus der Region hatten zudem im März Gelegenheit, ihr Können beim Wettbewerb „Prima la Musica” unter Beweis zu stellen. Als Top-Platzierte vertraten die Saxofonistin Amelie Kraml und Hornist Felix Wrann die Musikschule Walgau dieser Tage beim Bundeswettbewerb. Hornist Felix Bachmann und Klarinettistin Klara Ebli aus dem Walgau sowie Trompeter Luca Walch von der Musikschule Bludenz erreichten ebenfalls hervorragende 1. bzw. 2. Plätze. Auch Klarinettistin Miriam Schönbeck aus Göfis und Trompeter Florian Schneller aus Bludenz blieben ihren Zielen treu. Beide haben Anfang dieses Jahres die anspruchsvollste Prüfung im Musikschulbereich, die Oberstufenprüfung, mit Bravour bestanden.
Abseits der Schließungen hat sich die Probensituation bei der Musikschule Walgau in den letzten Monaten sogar verbessert. So nutzte etwa die Marktgemeinde Nenzing die Zeit, um die Probenräume im Untergeschoss des Ramschwagsaales zu sanieren. In Nüziders und Frastanz wurden neue Bildungszentren eröffnet, in denen ebenfalls attraktive Räume für den Musikschulunterricht zur Verfügung stehen.
Die sollen nun auch fleißig genutzt werden. Denn die meisten Musikschüler in der Region haben die geänderte Situation zwar gut weggesteckt, berichten die Direktoren. „Ein paar wenige hat es aber schon gehörig aus der Bahn geworfen.” Beide hoffen deshalb sehr, dass der Weg zurück zur Normalität nicht wieder ins Stocken kommt.
Noch wenig absehbar sind auch die finanziellen Folgen der Pandemie für die Familien. „Wir von der Musikschule Walgau haben uns dazu entschieden, für die digitale Grundbetreuung nichts zu verrechnen und konnten den Eltern aufgrund unserer Vereinsstruktur finanziell entgegen kommen”, berichtet Christian Mathis von der Walgauer Musikschule. Er hat zudem mit Elmar Gort aus Göfis einen ehrenamtlichen Buchhalter zur Seite, der sich die Mühe machte, eine faire Lösung für alle zu finden. „Das waren immerhin fast 2000 Rechnungen, bei denen er genau nachfragen musste, welche Stunden gehalten werden konnten und welche nicht”, führt Christian Mathis aus.
Aber auch Thomas Greiner von der Städtischen Musikschule fordert alle Eltern auf, ihren Kindern auf jeden Fall einen Musikschul-Unterricht zu ermöglichen, wenn diese Interesse zeigen. „Wir finden immer eine Lösung”, zeigt er sich gesprächsbereit, wenn sich Familien angesichts monatelanger Kurz- oder gar Arbeitslosigkeit nicht in der Lage sehen, den Selbstbehalt zu berappen. Er sieht kulturelle Betätigung nämlich „nicht als Sahnehäubchen, sondern als menschliches Grundbedürfnis, dessen Befriedigung wir uns leisten müssen.”
Anmeldungen für das Schuljahr 2021/22 werden in den Musikschulen Bludenz und Walgau noch bis Mitte Juni, bei der Musikschule Blumenegg Großes Walsertal sogar bis 4. Juli entgegengenommen.