„Bisch du a Linke?”

An einem Dienstag Nachmittag im Ramschwagsaal Nenzing ist diese Frage völlig unverdächtig. Beim treffpunkt:tanz sucht jede „Rechte” eine „Linke”. Denn nur wenn die Formation stimmt, passt auch die Schrittfolge.

Irmgard Schnetzer
Irmgard Schnetzer

„Man kann das Hirn unglaublich schulen. Das ist das Schöne dabei.” Irmgard Schnetzer muss es wissen. Seit nun schon zwanzig Jahren bittet sie jeden Dienstag zum Tanz. Eine Freundin hat sie damals aufgefordert, doch einmal mitzukommen zum „Tanzen ab der Lebensmitte”. Dort hat es ihr sofort gefallen, doch Irmgard Schnetzer war auf Anhieb klar: „Ich will nicht nur tanzen, ich mache die Ausbildung.” Dafür pilgerte sie regelmäßig nach Strobl am Wolfgangsee, studierte verschiedenste Tänze und deren Vermittlung. Denn so eine Tanzstunde muss klar strukturiert sein. „Was vordergründig so einfach aussieht und so spielerisch funktioniert, braucht bei der Tanzleiterin erst einmal eine gut fundierte Ausbildung über eineinhalb Jahre, es benötigt ständige Weiterbildung und Woche für Woche gründliche Vorbereitung”, erklärt die Landesleiterin Vorarlberg des Vereins Seniorentanz Österreich, Eva Dreher.

Zum Abschluss ihrer Ausbildung sollte Irmgard Schnetzer mit einer eigenen Gruppe das Gelernte unter Beweis stellen. Glücklicherweise ließen sie Freunde, Bekannte und die Jahrgänger nicht im Stich. „Sonst hätte ich keine Gruppe gründen können”, ist Irmgard Schnetzer heute noch dankbar für die Solidarität. Von den zwanzig Tänzerinnen, die anfangs „schnupperten”, sind 16 geblieben – einige davon treffen sich heute noch regelmäßig zum Tanzen im Ramschwagsaal. Traudl Hann etwa ist seit Anbeginn dabei – und lässt kaum einmal eine Stunde aus. „Es macht einfach Spaß und wir haben eine tolle Gruppe.” Inzwischen kommen aber mehr als 40 Frauen aus dem ganzen Walgau regelmäßig jeden Dienstag Nachmittag zum treffpunkt:tanz.

Die Frauen haben aber nicht viel Zeit zum „Schwätza”. Wenn Irmgard Schnetzer ihren „Ghettoblaster” anstellt, heißt es „aufgepasst!” Mindestens zehn verschiedene Tänze stehen auf dem Programm. Mal sind es griechische, portugiesische, israelische oder amerikanische Melodien, mal langsame, mal ein schmissiger Rock`n Roll. „Tanzen ab der Lebensmitte” ist international. Wer in einem anderen Land Urlaub macht, kann zur Tanzgruppe vor Ort jederzeit dazustoßen. „Wechselschritt, Wechselschritt, vorwärts gehen, vor, rück, hoch und ab.” Irmgard Schnetzer zeigt die Schrittfolge vor. Konzentriert zählen die Frauen mit, wiegen sich im Takt. „Neue Tänze sind anfangs problematisch, doch dann macht es plötzlich Klick”, haben sie schon oft erfahren. Zwischendurch ist ein Sitztanz angesagt, der  durchaus einmal in einer „Witzrunde” ausklingt. „Humor ist wichtig”, erklärt die Tanzleiterin. „Es soll vor allem Spaß machen.”

Dabei hat der Seniorentanz durchaus auch eine ernsthafte Seite. Denn Forscher haben nachgewiesen, dass regelmäßiges Tanzen Demenzerkrankungen vorbeugt, die Trittsicherheit erhöht und damit Stürze und schmerzhafte Folgen verhindert. Reha-Kliniken verordnen ihren Schlaganfall- und Herzinfarkt-Patienten das Tanzen, um den Blutdruck zu stabilisieren. Bewegungen „überkreuz” werden gezielt in die Choreographie eingebaut, um die Kommunikation zwischen rechter und linker Hirnhälfte „anzukurbeln”. Außerdem beugt das Tanzen Depressionen vor und hilft dabei, den Anschluss an die Gesellschaft nicht zu verlieren. „Man muss aus dem Haus, macht sich schön, geht zum Friseur”, beobachtet Irmgard Schnetzer regelmäßig.

Prinzipiell sind natürlich auch Männer willkommen beim treffpunkt:tanz. Doch bis auf eine Ausnahme war es in den letzten zwei Jahrzehnten vor allem das weibliche Geschlecht, welches in Nenzing das Tanzen für sich entdeckt hat. Altersgrenze gibt es keine. Im Ramschwagsaal treffen sich aktuell Frauen zwischen 55 und 87 Jahren. Ein Gefühl für den Rhythmus ist dabei natürlich hilfreich, doch vor allem soll das Tanzen Freude machen. „Sorgen haben bei uns Pause,” erklärt Irmgard Schnetzer. Denn wer Problemen nachstudiert, ist schnell aus dem Takt.

Traudl Hann, Nenzing: „Ich lasse fast keine Stunde aus. Das Tanzen macht einfach Spaß, und wir haben eine tolle Gruppe.”

 

 

Maria Schipka, Nenzing: „Ich bin jetzt seit 19 Jahren dabei. Früher habe ich mit Irmgard vorgetanzt. Jetzt bin ich 87 und nehme es etwas ruhiger.”

 

 

Maria Müller, Gurtis: „Wir haben eine wirklich liebe, tolle Gruppe. Wenn der Treffpunkt:Tanz ausfällt, fehlt mir etwas. Ich bin sicher schon zehn/elf Jahre dabei.”

 

 

Rita Kropshofer, Nenzing: „Das Tanzen macht einfach Spaß, die Gruppe ist in Ordnung. Manchmal sind wir richtig heiser vom Reden.

 

 

Wer mitmachen möchte, muss sich übrigens nicht erst anmelden. „Neuankömmlinge” und „Schnupperer” sind bei den Tänzern im Ramschwagsaal immer willkommen. 


treffpunkt:tanz
jeden Dienstag
von 13.45 bis 15.15 Uhr oder von 15.30 bis 17 Uhr
im Ramschwagsaal Nenzing

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