Spechte – Fleißige Trommler und Zimmerleute

Spechte gelten als die Instrumentalisten unter den Vögeln. Anstatt mit Gesang machen sie mit lautstarken Trommelwirbeln auf sich aufmerksam. Außerdem sind die meisten unermüdliche Zimmerer, die regelrechte Siedlungen anlegen, in die auch andere Vögel und sogar kleine Säugetiere gerne einziehen.

FOTOS: GERALD SUTTER (BUNTSPECHT), DR. TOBIAS ZIMMERMANN (SCHWARZSPECHT UND GRÜNSPECHT), DI MANFRED WERNER TÜRTSCHER (WEISSRÜCKENSPECHT), MAG. GEORG AMANN (SPECHTBÄUME), DR. ANDREAS KIRCHNER

Von den weltweit rund 200 verschiedenen Arten – Spechte leben in fast allen Regionen rund um den Globus – sind in unseren Breiten gut eine Handvoll anzutreffen. Als häufigster Trommler in unseren Wäldern gilt der Buntspecht, vor dessen hartem Schnabel kein Insekt unter der Baumrinde sicher ist. Seinem lateinischen Namen Dendrocopos major, der so viel wie „großer Baumhämmerer” bedeutet, wird er mehr als nur gerecht. Wer regelmäßig im Wald spazieren geht, kann sein schnelles Trommeln kaum überhören. Der Buntspecht wird rund 23 Zentimeter groß und ist ein äußerst geschickter Allesfresser. Er klemmt Kiefernzapfen und Nüsse in einen Baumspalt, um an die begehrten Samen heranzukommen, verspeist Larven und Insekten, verschmäht aber auch weiche Früchte und sogar Eier oder den Nachwuchs kleinerer Vogelarten keineswegs. Er gilt als gefürchteter Nesträuber. 

Mag. Georg Amann aus Schlins hat an der Uni Innsbruck Biologie und Erdwissen­­schaften studiert. Der freiberufliche Biologe mit verschiedensten Schwerpunkten widmet sich besonders dem Naturschutz.

Kollege Grünspecht ist da deutlich wählerischer. „Der Grün­specht frisst fast ausschließlich Ameisen und deren Puppen”, erklärt Biologe Mag. Georg Amann, „deshalb ist er auch weit weniger verbreitet als der wesentlich vielseitigere Buntspecht.” Seine bis zu zehn Zentimeter lange Zunge eignet sich perfekt für die Ameisenjagd. Weil er bei der Nahrungssuche nicht auf Bäumen, sondern vielmehr auf dem Boden unterwegs ist, wird er auch Gras- oder Erdspecht genannt.

Diese Art passt – ebenso wie sein noch seltenerer Verwandter, der Grauspecht – nicht ganz ins geläufige Bild. Der Grünspecht zieht für die Nahrungssuche nämlich offenere, parkartige Landschaften – wie die artenreichen Magerheuwiesen in den Walgauer Hanglagen – als Lebenraum vor. Durch sein in verschiedenen Grüntönen gefärbtes Gefieder fällt er auf den Wiesen kaum auf. Für die Balz, die Aufzucht der Jungen und die Gefiederpflege benötigt aber auch diese Art Bäume. Wenn im Winter Wiesenameisen nur schwer aufzuspüren sind, plündert er die Ameisenhaufen an den Waldrändern, ansonsten dringt er nicht in stärker bewaldete Gebiete vor. Der Grünspecht ist auch kein großer Trommler. Stattdessen gibt er Laute von sich, die stark an ein menschliches Lachen erinnern. Dieser Balzruf ist in der Regel von März bis Mai zu hören, in milden Wintern aber durchaus auch früher. Mag. Amann hat das „Lachen” des Grünspechts sogar bei einem Spaziergang durch Schlins im vergangenen Dezember vernommen.

Beim Höhlenbau zeigt dieser „Ausnahme-Specht” ebenfalls wenig Ehrgeiz. Der gut 30 Zentimeter große Vogel übernimmt gerne unbewohnte Höhlen anderer Artgenossen und adaptiert diese für seine Zwecke. Wenn sich ein Brutpaar doch an einen Neubau wagt, lässt es sich in der Regel für die Fertigstellung gerne zwei Brutsaisonen Zeit. 

Dieses Manko kann man dem Schwarzspecht nicht anlasten. Die Brutpaare setzen auf getrennte Wohnungen und scheinen das Höhlenbauen zudem geradezu hobbymäßig zu betreiben. „Wenn man beim Wandern Fichten entdeckt mit riesigen Löchern im Stamm, dann kann man sicher sein, dass man im Revier eines Schwarzspechts ist”, weiß Georg Amann. – Und man befindet sich mit Sicherheit in einem wenig „aufgeräumten” Waldstück. Denn der Schwarzspecht liebt herumliegendes Totholz, das von allerlei Getier bevölkert ist. Dort fühlen sich jene Käfer und Ameisenarten wohl, die der mit bis zu 50 Zentimetern größte der heimischen Spechte bevorzugt verspeist. Die Spuren seiner Beutezüge – er legt mit seinem Schnabel die Ameisengänge großflächig frei – sind dann nicht zu übersehen. Ameisenhügel legt er auch bei starkem Frost und unter einer bis zu einem Meter dicken Schneedecke frei. Der Schwarzspecht kommt bei uns bis zu einer Seehöhe von 2000 Metern vor. 

Spechte schaffen Wohnraum für viele Arten

Noch uriger liebt es der Weißrückenspecht, der vom Aussehen her dem Buntspecht ähnelt, er wird nur etwas größer. Außerdem ist sein Rücken – wie der Name vermuten lässt – weiß befiedert. „Bei uns gibt es noch schöne, naturnahe Bergwälder, die sich selbst überlassen werden. Dort findet man diese seltene Spechtart”, freut sich Georg Amann. Der Schlinser Biologe nennt etwa das Gebiet des Tschalengaberg in Richtung Nenzing, aber auch Wälder im hinteren Walsertal oder im Bregenzerwald. 

Der Weißrückenspecht ist eine Besonderheit in unseren Breiten. Vorarlberg ist sozusagen die Westgrenze seines Verbreitungsgebietes. Er fühlt sich vor allem in den nordischen Nadelwäldern und in den Bergwäldern am Alpennordrand wohl.

Mag. Amann verweist auf den ökologischen Nutzen, den Spechte haben. Mit ihrer konsequenten Bautätigkeit schaffen sie nämlich Lebensraum für eine Vielzahl an Tierarten. Insekten besiedeln die kleineren oder größeren Wunden in den Baumstämmen, welche Spechte bei der Nahrungssuche hinterlassen, Kohlmeisen, Stare und andere gefiederte Höhlenbrüter sowie Fledermäuse und auch Siebenschläfer übernehmen gerne die Wohnungen, welche vor allem Buntspechte „auf Vorrat” bauen. „Wir sollten die Wälder wieder mehr sich selbst überlassen und darauf vertrauen, dass die Natur sich selbst pflegt”, appelliert Georg Amann für etwas mehr Unordnung im Wald.

Der Schlinser Biologe Mag. Georg Amann ist ein begeisterter Vogelkundler, der auf seinen Streifzügen durch die Natur oft ein Aufnahmegerät mit sich führt. Er hat die Laute der verschiedenen Spechtarten aufgenommen und stellt sie auf der Website xeno-canto.org zur Verfügung. Wer reinhören möchte, hat dazu unter diesen Links Gelegenheit:

Grünspecht:
https://xeno-canto.org/630064

Buntspecht:
https://xeno-canto.org/700854

Weißrückenspecht:
https://xeno-canto.org/710076

 

Spechte (Picidae)

Weltweit gibt es rund 200 verschiedene Spechtarten, deren Lebensweise oft sehr unterschiedlich ist. 

Ihnen allen gemeinsam sind ein Stützschwanz und Kletterzehen, dank derer sie jeden Baumstamm mühelos erklimmen. Im Gegenzug sind Spechte – mit Ausnahme des Wendehals – alles andere als elegante und ausdauernde Flieger. Dementsprechend bleiben sie ihren Revieren treu.

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