Vom Altpapier zum Wertpapier

Die Vorarlberger Papierfabrik kurz nach der Fertigstellung im Jahr 1912.
Die Vorarlberger Papierfabrik kurz nach der Fertigstellung im Jahr 1912.

Vor ziemlich genau 105 Jahren, am 4. November 1911, traf sich im Feldkircher Hotel Bären eine illustre Runde. 30 Männer beschlossen an diesem Tag, gemeinsam die „Vorarlberger Papierfabrik“ zu gründen. Noch im gleichen Monat wurde damit begonnen, die ehemalige Blaufärberei des Textilunternehmens Ganahl in Frastanz umzubauen: Die Familie Ganahl war schon bei der Gründung der Papierfabrik der größte Anteilseigner und ist auch heute noch unverzichtbarer Teil des Unternehmens. Nur neun Monate (!) nach der Gesellschaftsgründung im Bären konnte am 22. August 1912 in Frastanz die Produktion aufgenommen werden.

Es läuft alles rund bei der Rondo: Das betrifft den seit Jahren ungebrochenen wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens ebenso wie den Produktionsprozess an sich. allerhand! besuchte dieses Flaggschiff der heimischen Papier- und Verpackungsindustrie.
Es läuft alles rund bei der Rondo: Das betrifft den seit Jahren ungebrochenen wirtschaftlichen Erfolg des
Unternehmens ebenso wie den Produktionsprozess an sich. allerhand! besuchte dieses Flaggschiff der
heimischen Papier- und Verpackungsindustrie.

Das Prinzip der Papierherstellung hat sich seit der Betriebseröffnung im Jahr 1912 nicht geändert. Rohstoff für die Papiererzeugung bei Rondo ist Altpapier (früher zusätzlich auch zermahlene Altkleider und Textilreste). Das Altpapier wird unter Zugabe von Wassser zu einem Brei aufgelöst. Der Papierfaserbrei wird in mehreren Prozessstufen aufwendig gereinigt. Die im Altpapier enthaltenen Fremdstoffe wie Plastik und Styropor werden durch spezielle Sortieraggregate aus dem Faserbrei entfernt. Mehr als 7000 Tonnen Fremdstoffe werden auf diese Weise pro Jahr aussortiert.

Thomas Ogermann: „Wir sind bei weitem nicht die Größten. Aber wir gehören sicher zu den Besten.”
Thomas Ogermann: „Wir sind bei weitem nicht die Größten. Aber wir gehören sicher zu den Besten.”

Hat der Faserbrei alle Sortierstufen durchlaufen, wird er, frei von jeglichen Verunreinigungen, auf ein umlaufendes, feinmaschiges Kunststoffsieb gepumpt. Dort erfolgt die eigentliche Blattbildung. Die Papierfasern legen sich auf dem Sieb ab, während ein großer Teil des Wassers durch die Siebmaschen abfließt, aufgefangen und für die Altpapierauflösung wiederverwendet wird. Das noch feuchte Papiergefüge wird im weiteren Verlauf durch mehrere Presswalzen geleitet, wo weiteres Wasser ausgepresst wird. Nach dieser sogenannten „Pressenpartie“ hat das Papier bereits einen Trockengehalt von 50-52 Prozent.

Jetzt wird das Papier über insgesamt 42, mit Dampf beheizte Stahl- bzw. Gusszylinder geleitet. Die Oberfläche dieser Zylinder ist rund 120 Grad heiß. Der Wassergehalt im fertigen Papier beträgt nach dieser Wärmebehandlung weniger als zehn Prozent. Die gewaltige Anlage ist als Ganzes geschlossen. Das dient einerseits dem Zweck eines möglichst sparsamen Energieverbrauchs, sorgt andererseits aber auch für ein angenehmes Arbeitsklima für die Mitarbeiter in der Fabrik.

Produziert wird zu hundert Prozent aus Altpapier. An einem durchschnittlichen Tag werden im Dreischichtbetrieb innerhalb von 24 Stunden mehr als 350 Tonnen zu 2,5 Meter breitem Papier verarbeitet: Täglich 1000 Kilometer davon!

Das bei Rondo verwendete Altpapier stammt zu einem großen Teil aus Vorarlberg und dem Bodenseeraum. Zusätzlich liefert der zur Rondo-Gruppe gehörende Papierrecycler Zimmermann aus Hall in Tirol Haushalts- und Kaufhaussammelware aus dem Innsbrucker Umland. Je nach Bedarf wird in der Rondo Papierfabrik weißes oder braunes Papier hergestellt. Um die Homogenität und Bedruckbarkeit des Papiers zu verbessern, setzt man auf das sogenannte Dispergierverfahren, bei dem der Faserbrei mechanisch „geknetet“ wird und so die im Altpapier enthaltenen Druckfarbenpartikel unter die Sichtbarkeitsgrenze zerkleinert werden. Dadurch ist die Zugabe von Bleichmitteln oder anderer Chemikalien zur Druckfarbenentfernung nicht mehr erforderlich. So entsteht hochwertiges Wellpapperohpapier, welches auf bis zu drei Tonnen schweren Rollen aufgewickelt wird.

Über ein Förderband werden die Altpapier-Ballen in den Auflösebehälter, den sogenannten „Pulper” transportiert.
Über ein Förderband werden die Altpapier-Ballen in den Auflösebehälter, den sogenannten „Pulper” transportiert.
Täglich bis zu 380 Tonnen vorsortiertes Altpapier werden mit dem Stapler in den Produktionsprozess eingebracht.
Täglich bis zu 380 Tonnen vorsortiertes Altpapier werden mit dem Stapler in den Produktionsprozess eingebracht.

 

 

 

 

 

 

Die Dimensionen der Papiermaschine bei Rondo sind beeindruckend. Über 100 Meter lang ist die Produktionsstraße, haushoch ragen die 42 dampfbeheizten Trockenzylinder Richtung Dach, über die die Papierbahn in einer Geschwindigkeit von bis zu 900 Metern pro Minute geführt wird. Aus dem benachbarten Kesselhaus liefern zwei elektrisch- und gasbetriebene, jeweils 67 Tonnen schwere und hochmoderne Dampfkessel die notwendige Prozesswärme: 22 Tonnen Dampf pro Stunde!

Betriebsleiter Thomas Ogermann, ein echter Bayer aus einer Familie, in der es seit Generationen Papiermacher gibt, kennt freilich auch andere Papiererzeuger, neben denen die Rondo-Papiermaschine vergleichsweise winzig ausschauen würde. „Wir sind bei weitem nicht die Größten – aber wir zählen zu den Besten“, zeigt sich der 40jährige beim Rundgang durch die Anlage selbstbewusst. Obwohl das Grundgerüst der Papiermaschine aus dem Jahr 1961 stammt, ist die Anlage durch permanente Verbesserungen auf dem aktuellsten Stand der Technik. „Wir erreichen damit höchste Papierqualitäten bei niedrigstem Energieverbrauch und bestmöglicher Ressourcenschonung“, verrät Thomas Ogermann, der die Papiererzeugung seit 2012 leitet.

Peter Suppan, Vertriebsleiter
Peter Suppan, Vertriebsleiter

Altpapier ist aber nicht gleich Altpapier, wie Vertriebsleiter Peter Suppan erklärt. „Altpapier ist ein wertvoller Rohstoff, der weltweit gehandelt wird“. Die Preise für die verschiedenen Qualitäten haben sich vor allem seit Mitte der 90er Jahre vervielfacht. Grund dafür ist der generell steigende Papierbedarf, vor allem auch in China: Auch dort ist Altpapier die wichtigste Basis für neues Papier.

Höchste Präzision ist in jedem Arbeitsschritt erforderlich, υ nur so können die hohen Qualitätsanforderungen für das Rondo-Papier erfüllt werden: Kaum zu glauben, dass über diese Monsteranlage mit tonnenschweren Presswalzen und Temperaturen jenseits des Wasser-Siedepunktes beispielsweise das Gewicht des fertigen Papieres auf Gramm je Quadratmeter genau justiert werden kann.

25 Prozent der Rondo-Papierproduktion werden im benachbarten Wellpappewerk zu qualitativ hochwertigen Verpackungen verarbeitet.
25 Prozent der Rondo-Papierproduktion werden im benachbarten Wellpappewerk zu qualitativ hochwertigen Verpackungen verarbeitet.

120.000 Tonnen Papier werden jedes Jahr erzeugt. Gut 25 Prozent der Papierrollen werden in das Nachbargebäude geliefert: im Rondo-Wellpappewerk werden daraus hochwertige Transport- und Verkaufsverpackungen gemacht. Bei Verpackungen geht es heute nicht mehr alleine darum, Produkte transportfähig zu machen und sie zu schützen. Viel mehr übernimmt die Verpackung zentrale Kommunikationsaufgaben. Daraus resultieren komplett neue und umfangreiche Anforderungen an die Verpackungsentwickler bei Rondo. Mit viel Knowhow und überzeugender Konstruktionskompetenz wird täglich an optimalen Verpackungslösungen gearbeitet. Neben der wichtigen Kommunikationsaufgabe und dem Anspruch an eine einfache Handhabung im Gebrauch muss die Verpackung zudem eine grundlegende Robustheit erzielen, die die Wareneinheiten die Belastungen des Logistikprozesses bis in das Regal unbeschadet überstehen lassen. Wenn diese Kartons dann ihre Funktion erfüllt haben, landen 98,7 wieder in der Altpapiersammlung.

Der Kreislauf kann von vorne beginnen…

Gesteuert und überwacht wird die gesamte Anlage in einem Steuerungszentrum: Hier steckt zur Kontrolle von Laufgeschwindigkeiten, Papierstärke, Wasserverbrauch, Arbeitstemperaturen etc. so viel Elektronik wie in einem modernen Jumbojet. Rund 40 Papiertechniker - acht je Schicht - überwachen und steuern sämtliche Prozesse über unzählige Monitore und Computer.
Gesteuert und überwacht wird die gesamte Anlage in einem Steuerungszentrum: Hier steckt zur
Kontrolle von Laufgeschwindigkeiten, Papierstärke, Wasserverbrauch, Arbeitstemperaturen etc. so viel Elektronik wie in einem modernen Jumbojet. Rund 40 Papiertechniker – acht je Schicht – überwachen und steuern sämtliche Prozesse über unzählige Monitore und Computer.
Das fertige Papier wird auf drei Tonnen schwere Rollen aufgewickelt.
Das fertige Papier wird auf drei Tonnen schwere Rollen aufgewickelt.
Im Lager sind die wichtigsten Papiere kundengerecht verpackt vorrätig. Nahezu 100 Prozent dieser Verpackungen landen über die Altpapiersammlung wieder im Produktionsprozess.
Im Lager sind die wichtigsten Papiere kundengerecht verpackt vorrätig. Nahezu 100 Prozent dieser Verpackungen landen über die Altpapiersammlung wieder im Produktionsprozess.

Papiertechniker

Anspruchsvolle Ausbildung, beste Berufschancen

„Der Beruf des Papiertechnikers ist äußerst vielseitig“, erklärt Thomas Ogermann die Vorzüge dieser Ausbildung. Bei Rondo werden permanent Lehrlinge in diesem zukunftssicheren Handwerk ausgebildet. „Die müssen aber schon ein Händchen für Technik haben und Spaß an exakten Arbeitsabläufen“, nennt Ogermann wichtige Grundvoraussetzungen. Dass Rondo-Papiertechnik-Lehrlinge ihre Ausbildung immer wieder mit Auszeichnung abschließen, darauf ist man besonders stolz. Der Erfolg des Einzelnen liegt auch am sehr guten Arbeitsklima im Team. „Wir ziehen alle an einem Strick und helfen uns gegenseitig mit dem Ziel, gemeinsam Höchstleistungen zu erbringen“, so Ogermann. Man spürt, wie sehr ihm ein gutes Betriebsklima und eine kollegiale Zusammenarbeit am Herzen liegen.

Mitgliedsbetrieb der WIRTSCHAFT IM WALGAU.
Mitgliedsbetrieb der WIRTSCHAFT IM WALGAU.

Fotos: TM-Hechenberger, Firma Rondo

Vorheriger ArtikelHier wurde Geschichte geschrieben – Stadthaus um 1922
Nächster ArtikelPasta aus Ludescher Dinkel